„Terence, sei still!“, zischt eine andere Person.
„Würdet ihr zwei...?“, fragt Jack genervt.
„Ich ertrinke hier an meinem eigenen Blut, lasst euch nur Zeit“, denke ich und verdrehe innerlich die Augen.
„Tanzen kannst du im Moment schlecht“, murmelt Jack jetzt nachdenklich. Dann kommt ihm eine Idee. „Wenn du gerne tanzt, magst du auch Musik, oder?“
„Du bist heute von der ganz schnellen Sorte“, kommentiert Rox#2. Ich muss ihr zustimmen, blinzle aber stattdessen zweimal als Antwort.
„Ich kann nicht singen... Einer von euch vielleicht?“, erkundigt er sich.
Bei dem Gedanken an einen singenden Terence, muss ich lachen. Meine Erheiterung kommt allerdings schnell zum erliegen. Meine Lungen ziehen sich zusammen und ich huste. Huste Blut. Das Brennen und Stechen wird immer schlimmer.
Plötzlich ist da wieder ein Kopf direkt über mir. Blonde Haare streifen meine Wange. „Rox, erinnerst du dich an das Lied, dass wir immer zusammen gesungen haben? Das für Lavinia?“, drängt meine beste Freundin. Zweimal blinzeln. Ja. „Ok, ich singe jetzt und Jack sagt dir, wie du weitermachen sollst.“
Und dann beginnt Annika zu singen. Dieses Lied liebe ich so sehr. Der Text, die Melodie, einfach alles. Ich musste so lange auf Annika einreden, bis ich sie davon überzeugen konnte, es auf meiner Beerdigung zu singen. Nicht für mich. Für Liv und meine Mutter und für sich selbst. Der Text sagt genau das, was ich nach meinem Tod zu ihnen sagen würde. Annika hat eine unglaublich schöne Stimme. Darin verliere ich mich jetzt. Je länger sie singt, desto mehr entspanne ich mich. Ich kriege nach wie vor keine Luft, aber ich versuche meine Schmerzen auszublenden.
„Rox, konzentriere dich auf den Boden unter dir“, flüstert Jack leise während Annika weitersingt. „Auf die Bäume um uns herum. Kannst du es fühlen?“
Ich fühle es tatsächlich. Ein seltsames Vibrieren, überall um mich herum. Unterschiedliche Arten davon. Hell und klar, tief und dröhnend. Ich schnappe überrascht nach Luft. Naja, ich versuche es zumindest.
Ich kann Jack förmlich lächeln hören. „Gut. Jetzt musst du dich für eines davon entscheiden. Stell dir vor, du greifst danach mit deinen Händen. Dann ziehst du es näher an dich heran.“
Ich tue was er sagt. Es fällt mir schwer, weil ich meine Augen offenlassen soll. Nach einigen Anläufen gelingt es mir. Ein helles, sirrendes Vibrieren ist gleich neben mir. Ich stelle mir vor, wie ich meine Hände danach ausstrecke. Beinahe ohne mein Zutun kommt schwebt es immer weiter zu auf mich zu.
„Hast du es?“, wispert Jack. Ich blinzle zweimal. „Stell dir vor, wie es genau da eindringt, wo du verletzt wurdest.“
„Welche der Stellen meinst du verdammt?“, spottet mein zweites Ich.
Ich blende alles aus. Annika, Jack, die Stimme in meinem Kopf. Nichts existiert mehr. Nur dieses Vibrieren und ich. Meine Rippen beginnen sich zu verschieben. Ganz langsam. Die Pein, die damit einhergeht ist unbeschreiblich. Ich bin kurz davor in Ohnmacht zu fallen.
Dann hört es plötzlich auf. Meine rechte Seite schmerzt nicht mehr. Meine Lungen weiten sich wieder. Ich kann atmen. Frei atmen. Reine Luft strömt in meine Luftröhre und ich sauge sie gierig ein.
Vor Erleichterung laufen mir Tränen über die Wangen. Gleichzeitig muss ich lachen. Ich lache vor Dankbarkeit. Wie ist es möglich, dass ich für etwas alltägliches wie Atmen, dankbar bin? Ein Mensch atmet, weil es eine überlebenswichtige Maßnahme ist. Nimmt man ihm die Fähigkeit zu atmen, nimmt man ihm das Leben. Der Mensch sollte froh darüber sein, ungehindert atmen zu können. Der Mensch sollte die kleinen Dinge schätzen lernen.
Nachdem meine Lungen und Rippen geheilt sind, wende ich mich dem Cut an meiner Stirn zu. Innerhalb weniger Sekunden ist auch diese Wunde verheilt. Als nächstes nehme ich mir die Verbrennung an meinem Rücken vor.
„Stopp Roxan!“, schreit plötzlich jemand. „Roxan hör auf!“
Augenblicklich zerbricht meine Konzentration. Ich setze mich auf und sehe mich verwirrt um. Annika liegt neben mir auf dem Boden. Jack umklammert sie mit seinen Armen und wiegt sie vorsichtig hin und her.
„Was ist passiert“, frage ich, doch dann fällt mein Blick auf meine beste Freundin.
Sie atmet kaum. Ihre Lippen sind blau und ihr Gesicht zu einer Grimasse aus purem Schmerz verzerrt. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich viel zu schnell. Annika hat einen Cut an der Stirn. Genau an der Stelle, an der ich mich verletzt hatte, als mein Kopf auf den Betonboden in der Hütte schlug.
Ich habe meine Verletzungen auf sie übertragen. Aber sie hat keine magischen Kräfte, mit denen sie sich heilen könnte. Meine beste Freundin stirbt gerade vor meinen Füßen und ich bin der Grund dafür.
Hey Leute,
hier geht’s weiter. Ich hoffe es entspricht einigermaßen euren Erwartungen. Auf die Art ihrer Magie gehe ich in den nächsten Kapiteln ein.
Ab jetzt werde ich keine halben Kapitel mehr veröffentlichen. Entweder ganz oder gar nicht. Ich denke das ist auch in eurem Sinne?
Bitte kommentiert fleißig!C_F
Ps: auf das Lied geh ich noch genauer ein. Dann erfahrt ihr auch welches gemeint ist ;)
DU LIEST GERADE
Die letzte Erbin
FantasySie dachte sie sei normal. Zumindest hoffte sie es. Tja, hätte Roxan ein Wort mitzureden gehabt, wäre sie es auch. Aber sie ist alles andere als normal - und das fürchten die Sklaventreiber. Rox ist die letzte Erbin, die Erbin der längst ausgestorbe...
22. Kapitel (Teil 2)
Beginne am Anfang