Es ging los mit einem leichten Aufwärmtraining. Einer der Wächter, Wächter Clarke, würde heute als mein Partner fungieren. Mit ihm sollte ich mich ein paar Runden warmlaufen, anschließend machten wir noch Dehnübungen. Wozu das gut war, überließ ich ihm. Anschließend ging es zur Sache. Er begann damit, meine Reflexe zu testen. Ich sollte locker vor ihm stehen, circa einen Meter entfernt, und auf ihn reagieren. Konkret bedeutete das, ich sollte seiner Faust oder seinem Fuß ausweichen. Er ließ sie abwechselnd auf mich zu schnellen, und ich sollte dem ausweichen. Nur ausweichen, nicht reagieren oder mich wehren. Tja, wisst ihr, diese Aufgabe war einfach. Zu einfach. Ich meine, für jemanden wie mich, der einen direkten Draht zu dem Geist seines Gegenübers hat, ist das ein Kinderspiel. Ich hatte meine Mauer sinken gelassen, immerhin tat ich das immer, wenn ich mich in einem Kampf befand. Wenn ich eine Wächterin sein muss, ist meine Mauer nie oben. Da nutze ich all meine Talente und Fähigkeiten. Und nun ja, ich wusste bereits vorher, was er tun würde. Seinen Händen und Füßen auszuweichen, war somit ein Kinderspiel. Anschließend machten wir ein paar Konditions- und Kraftübungen. Ich sollte Pushups und Klimmzüge machen sowie noch einige andere Übungen. Anschließend kämpften wir endlich. Wir gingen eine Waffe nach der anderen durch. Es machte echt Spaß. Der Wächter war ziemlich gut und forderte mich heraus. Und ganz ehrlich, ich hatte noch nie in meinem Leben ein Schwert in der Hand gehabt. Aber nachdem ich erstmal raushatte, wie ich es richtig hielt und einsetzten musste, tobte ein ebenbürtiger Kampf zwischen uns. Ach wenn er eindeutig geschickter mit dem Schwert hantierte als ich. Mein Vorteil war, dass ich seine Schritte im Vorfeld erahnen konnte und dementsprechend reagierte. Ich wusste nicht, wie viel Zeit verging. Aber ein paar Stunden waren es mit Sicherheit. Irgendwann hielt ich eine Schusswaffe in der Hand und sollte auf eine Zielscheibe schießen. In die Mitte. Aus meinen Augenwinkeln konnte ich wahrnehmen, wie sich etwas an den Fensterscheiben bewegte. Immer mal wieder. Ich konnte fremde Personen spüren, Dhampire und Moroi. Ich blendete die fremden Geister aus und konzentrierte mich auf mein Ziel. Doch meine Schüsse gingen echt daneben. Die Mitte traf ich nicht mal ansatzweise.

„Noch nie eine Waffe benutzt?" fragte mich der Mann, der aussah wie ein Lehrer. Er war übrigens ein Dhampir. Ich schaute zu ihm herüber. „Nein, tatsächlich noch nie. Kann man mir das so deutlich ansehen?" er lachte kurz auf. „Nun ja, ziemlich!"

Danach ging es in den Nahkampf. Mittlerweile hatte der Wächter Respekt vor mir und wusste, dass ich ihm standhalten konnte. Ich hatte ihm bei unserem Schwertkampf beeindruckt. Es überraschte ihn, dass ich seine Angriffe so gut parieren konnte. Wir traten in die Mitte der Halle und nahmen unsere Positionen ein. „Gut, euer Ziel ist es, den anderen außer Gefecht zu setzen. Evelyn, alles ist erlaubt. Versuchen Sie, ihn kampfunfähig zu machen. Setzen Sie ihn außer Gefecht. Ich möchte sehen, ob Sie zumindest eine reelle Chance haben, das zu schaffen. Wir wiederholen den Vorgang, bis Sie es geschafft haben!" Erklärte mir der Lehrer, Mr. Collins. Er war derjenige, der den theoretischen Unterricht der Dhampire leitete. Er unterrichtete Waffenkunde und so einen Kram. „Okay" sagte ich nur. Das klang so, als ob sie nicht erwartete, dass ich das tatsächlich schaffen würde. Einen erfahrenen Wächter zu überwältigen. Aber nun gut, ist natürlich auch nicht sehr realistisch. Ich bin schließlich noch Anfängerin. Auch wenn ich mein ganzes Leben schon kämpfte. Aber natürlich fehlte es mir an Erfahrung. Nun konnte ich auch deutlich sehen, wen ich die ganze Zeit draußen wahrnahm. Es waren andere Novizen, die mittlerweile neugierig auf der Wiese standen und durch die Fensterscheiben guckten. Offensichtlich fanden Sie es ziemlich spannend, uns zuzusehen. „Lassen Sie sich nicht ablenken" ermahnte mich mein Wächter gegenüber. Ich schüttelte mit dem Kopf und hob meine Fäuste. „Keine Sorge, dass werde ich nicht!"

Und unser Kampf begann. Er schnellte vor und schlug nach mir, doch ich duckte mich und wehrte seinen nächsten Schlag mit meinem Ellbogen ab. Gleichzeitig trat ich nach ihm und stieß ihn einen Meter von mir weg. Er rappelte sich auf und begann wieder, nach mir zu schlagen. Wir tauschten ein paar Schläge aus und lösten uns, um uns zu umkreisen. Seinen nächsten Zug erkannte ich. Ich sprang vor und stieß mich zu Boden. Doch ich rollte mich geschickt weg, denn ich wusste, dass er mich mit seinem Gewicht zu Boden drücken wollte. Stattdessen sprang ich auf und wollte ihn meinerseits fixieren, doch er drehte sich blitzschnell um und verpasste mir einen Tritt in den Magen. Ich taumelte etwas zurück und drückte kurz eine Hand auf meinen Bauch. Oh man, das hat echt wehgetan. Aber ich durfte nicht aufhören. Schön, ich musste ihn also überraschen. Ich wusste, dass er mich frontal angreifen wollte, und seine Größe und Kraft nutzen wollte, um mich zu Boden zu bringen und zu fixieren. Sollte er das schaffen, hätte ich verloren. Also musste ich schneller sein als er. Ich sah einmal schnell nach links und rechts, und da kam mir eine Idee. Er war ziemlich hoch gewachsen, was mir zu Vorteil werden könnte. Ich schüttelte mich also einmal und lief wieder auf ihn zu. Er wehrte meine Schläge gekonnt ab, doch einen Schlag konnte ich ihm dennoch ins Gesicht verpassen. Jedoch versetzte er mir ebenfalls einen, was mich zu Boden warf. Sofort hatte ich seine eine Hand im Nacken und in meinen Armen, und er versuchte, mich zu Boden zu bekommen. Doch ich schlug um mich und stieß mich vom Boden ab, um ihn davon abzuhalten, mich in die Knie zu zwingen. Blöd, dass wir keinen Pflock bekommen hatten. Ich konnte mit meinen Händen nichts tun, sein Körper war für mich nicht zu erreichen.

Vermächtnis der KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt