Ich öffnete meine Augen und drehte mich um. Mein Bruder war vor mir und sah mich entschuldigend an.

"Levent abi tamam. Birşey olmadı." (Okay. Es ist nichts passiert.)

Er kam auf mich zu und umarmte mich feste.

"Olabilirdi ama. Özür dilerim." (Es könnte aber. Es tut mir leid.)

"Olmadı ama." (Ist es aber nicht.)

Etwa das gleiche war vor fünf Jahren passiert, als es neu war, mit der Krankheit. Wie heute hatte ich meinen Bruder so aufgeweckt und, als Rache hatte er mich wieder gekitzelt. Damals hatte ich keine Chancen gehabt, wie heute und Levent abi hatte nicht rechtzeitig aufgehört mit dem Kitzeln und ich bekam keine Luft. Ich wurde ins Krankenhaus gefahren und starb dort fast. Man hatte mich operiert und alles versucht mich noch zu retten, was auch geklappt hat. An dem Tag, als ich fast starb, hatte Levent abi realisiert, dass es nicht zu spaßen war mit der Krankheit und hatte etwa vier Wochen mit keinem gesprochen.

Ich löste mich von ihm.

"Du hast dich daran erinnert oder?"

Ich nickte.

"Hättest du mich nicht gezwungen mit dir zu reden, hätte ich das sicherlich bis heute auch nicht getan."

"Übertreib. Du hättest dir die Schuld nicht geben sollen. Die Krankheit war da noch neu."

"Man hatte mir aber gesagt, dass du Atemprobleme hast. Du wärst fast wegen mir gestorben!"

"Ist ja jetzt egal. Schau, ich lebe immer noch."

Ich lächelte ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

"Aşağıya gel. Kahvaltıyı hazırladım." (Komm runter. Ich habe das Frühstück vorbereitet.)

Er nickte und wir liefen runter in die Küche.

"Wo sind unsere Eltern?"

"Sie sind anscheinend in der Nacht in die Türkei geflogen. Anneanne geht es anscheinend nicht gut." (Oma)

Er nickte und wir aßen still. Nach dem Essen räumten wir beide den Tisch auf und ich nahm meine Medikamente ein. Danach dachte ich nach, ob ich das ganze Haus putzen sollte, da es hier wie in einem Saustall aussah.

"Abi?"

"Efendim meleğim?" (Ja mein Engel?)

"Ich will das Haus putzen."

"Nein du putzt nichts."

"Ama-" (Aber-)

"Aması maması yok! Geçen evi temizleyeceğim dedin, hastanelik oluyordun az kalsın!" (Kein aber! Letztens hast du gesagt, dass du das Haus putzen willst und dann mussten wir fast ins Krankenhaus!)

"Bitte."

Ich sah ihn flehend an.

Er seufzte.

"Ich helfe dir dabei."

Ich grinste zufrieden und wir putzten das ganze Haus. Ich war schon immer ein Putzfreak gewesen. Sah es irgendwo nicht gut aus, putzte ich das ganze Haus. Zumindest versuchte ich es.

Als wir fertig waren, saßen wir auf dem Sofa und ruhten uns aus.

"Yoruldum!" (Ich bin kaputt!)

"Und das müssen wir Mädchen ganz alleine tun."

Er schüttelte seinen Kopf.

"Ihr tut mir echt leid."

Ich lachte und schaltete den Fernseher an. Gelangweilt sahen wir fern, doch plötzlich fing ein Film an was mein Bruder und ich liebten.

Mein Bruder rannte in die Küche, als die Werbung erschien, um Knabberzeug zu holen. Plötzlich kam eine Eilmeldung.

"In der Nacht ist ein Flugzeug, das in die Türkei flog, abgestürzt. Es gibt 5 Tote und 75 Verletzte."

Ich sah und hörte gespannt zu und betete innerlich, dass das Flugzeug nicht das sein sollte, in dem meine Eltern waren.

"Die Toten sind: Mehmet Korkmaz, Eren Yılmaz, Beyza Yılmaz, Irem Kılıç und Alp Kılıç."

Meine Augen weiteten sich und ich schüttelte meinen Kopf. Geschockt sah ich zu meinem Bruder. Er war genauso geschockt und sah zu mir, dann wieder auf das Fernseher. Langsam wurde meine Atmung schlechter und mein Herz begann zu stechen. Ich bekam Tränen in die Augen und fing an zu weinen.

"Defne sakin ol! Nefes almaya çalış!" (Beruhig dich! Versuch zu atmen!)

Wie sollte ich das tun? Meine Eltern waren tot! Ich sah ihn kurz an und sah, dass er Tränen in den Augen bekam. Mein Bruder legte seine Arme unter meinen Rücken und meinen Knien und trug mich hoch. Plötzlich wurde es mir schwarz vor meinen Augen. Wiedermal.

Defne & ÖmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt