NEUNUNDDREISSIG

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„Noch ein paar Meter", schnaufte Ian und bog um die nächste Ecke, nach ein paar weiteren Schritten blieb er abrupt stehen und dirigierte mich in einen Hauseingang, der mir bekannt vorkam. Dort zog er einen Schlüssel aus der Hosentasche und fummelte ihn mit vor Kälte roten Fingern in das Schlüsselloch.

Vier Stockwerke weiter oben wiederholte sich die Prozedur und Ian öffnete mir die Wohnungstür durch die er mich in den winzigen Flur zog. Kaum hatte ich die Wohnung betreten, schob er mich bereits ins Bad.

„Geh heiß duschen, ich such dir was zum Anziehen."

Noch während er das sagte, zog er sich das patschnasse Leinenhemd über den Kopf. Wie gelähmt starrte ich auf seinen nackten Brustkorb. Wie konnte man durchnässt bis auf die Haut sein und trotzdem so gut aussehen? Das war ungerecht!

„Anna, los, jetzt! Du musst aus der nassen Kleidung raus! Du wirst sonst krank!" Ian warf mir einen scharfen Blick zu.

Du musst aus dem nassen Kleid raus, Anna. Du wirst krank!

Entgeistert starrte ich Ian an. Wie Schuppen fiel es von meinen Augen.

„Du hast mich unter der Dusche nackt ausgezogen!", stellte ich tonlos fest.

„Ähm, also, quasi...ja", gab Ian stockend zu. „Aber was hätte ich sonst tun sollen? Du bist im Gang zusammengeklappt. Also hab ich dich unter die kalte Dusche gestellt", verteidigte er sein Tun.

„Aber ich war nackt!", jammerte ich ein bisschen zu hysterisch.

„Nur kurz. Ehrlich", versuchte Ian mich zu beruhigen. Klappte nur nicht.

„Über dem Ofen war deine Wäsche schnell wieder trocken!" Auch das will ich nicht hören.

„Darum geht es gar nicht! Sondern darum, dass du mich ohne Kleidung gesehen hast!"

Beschämt schlug ich die Hände vor mein glühendes Gesicht. Im nächsten Moment fühlte ich Ians Hände an meinen Schultern. Sanft zog er mich an seine kühle Brust und automatisch saugte ich den unverwechselbaren Duft nach Ian in meine Nase.

„Wenn du mich fragst, ist das nichts, wofür du dich schämen musst. Du bist verdammt sexy, wenn du nackt bist, Rotschopf", versicherte er mir und wie um seine Worte zu unterstreichen, rieb er mit den Händen erst ein paar Mal beruhigend über meine Arme, dann umfasste er aber überraschend meine Taille. Seine Hände rutschten eine Etage tiefer und kamen vertraulich auf meinem Po zu liegen.

„Du hast einen unglaublich tollen Hintern und dass ich auf deine Brüste steh, weißt du sowieso schon seit wir beim Optiker waren", wisperte er mit seiner tiefen rauen Stimme in mein Ohr, die meine sämtlichen Nerven zum Vibrieren brachte.

Oh mein Gott!

Wenn mir vor vier Wochen jemand gesagt hätte, dass Ian O' Brien mir unanständige Komplimente machte, während er mich im Arm hielt, dann hätte ich ihn ausgelacht. Oder für verrückt erklärt. Vielleicht sogar beides.

Doch genauso war es und als ob das nicht reichte, küsste er gerade zart meine Wange.

„Weißt du, was ich besonders toll finde?", fragte er mich neckend.

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich es wissen will!", stieß ich leicht überfordert in Ians Kunstpause aus und kniff die Augen zusammen, als würde ihn das abhalten, mich weiter in Verlegenheit zu bringen.

„Dann sag ich es dir eben nicht!", antwortete er schmollend. „Aber jetzt geh unter die Dusche. Ich mach derweil Tee und hol dir Kleidung."

„Aber du wirst auch krank!"

„Soll ich wieder mit dir gemeinsam duschen?"

Neckend hob er eine Augenbraue und lachte leise, weil ich hektisch den Kopf schüttelte.

„Nüchtern bist du ganz schön schüchtern, Rotschopf", hörte ich ihn, über das Klappen der Tür hinweg. Seiner Stimme nach ging ich jede Wette ein, dass er gerade breit lächelte.

Vor dem Spiegel legte ich vorsichtig meine Brille ab und wand mich wie ein Aal aus der nassen Jeans, die sich an meinen Oberschenkeln regelrecht festgesaugt hatte. Meine Haut fühlte sich eiskalt unter meinen Händen an und entsprechend beeilte ich mich, die Socken loszuwerden. Kurz danach fiel meine Jeansjacke auf den Stapel nasser Kleidung, dann mein durchweichtes Oberteil, dem der BH folgte und zuletzt der Slip. Bibbernd stand ich unter der Dusche und erhöhe Stück für Stück die Temperatur, bis sich meine zitternden Muskeln entspannten.

Kurz wanderte mein Blick zu dem kleinen Eckregal, auf dem Ian verschiedene Fläschchen mit Duschgel und Shampoo stehen hatte und fragte mich, ob ich etwas davon verwenden sollte. Dann hielt ich mir vor Augen, dass ich am Vormittag ausgiebig genug geduscht hatte, um mich auf das Treffen mit Finn vorzubereiten.

BLINDFOLDED - Blindes VertrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt