43 - Mittwoch Nachmittag

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Selbst, wenn er mich noch wollen würde, würde es nichts bringen.. sonst hätte er es nicht beendet. Er ist zu sturköpfig, um einzusehen, dass das ein Fehler gewesen sein könnte.

"Hier.", er stellt mir den Teller vor die Nase und ich nicke.

"Danke.", erwidere ich und er setzt sich ebenfalls.

Ich werfe meine Haare nach hinten und nehme das Besteck in die Hände. Ich kam heute noch nicht dazu etwas zu essen, weshalb ich mich jetzt hungrig auf das Essen stürze. Es gibt Rosmarinkartoffeln mit goldbraunen Hähnchen. Die Kruste ist wirklich perfekt gebraten. Bei dem Anblick und dem Geruch läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

Nate ist ein fantastischer Koch. Er und Rocky sind hier in der WG sowas wie die Allgemeinversorger. Dafür sind sie schrecklich was das putzen angeht. Glücklicherweise bin ich, was das Thema Sauberkeit angeht, inzwischen echt gut.

"Wie geht's dir?", Nate reißt mich aus meinen Gedanken und bringt mich dazu ihn anzugucken.

"Ähm.. gut.", fragt er wegen uns?

"Ich bin froh, dass ihr beide jetzt hier wohnt. Wenigstens seid ihr HIER sicher.", erwidert er und isst ein Stück Hähnchen.

Dass ich dachte er würde wegen unserer 'Trennung' fragen, lässt mich wie eine Idiotin fühlen. Natürlich meint er die Tatsache, dass ich vor vier Tagen von einem kranken Psychopathen gewürgt wurde.

Erst jetzt merke ich, wie abgestumpft ich sein muss, wenn ich nach so einem prägenden Vorfall eher an Nate und seine Gefühle zu mir denke, als an das, was Steven mir angetan hat.

"Ja. Ich denke es ist das beste für sie.", entgegne ich und er nickt.

"Naja.. es ist das beste für euch beide.", er trinkt einen Schluck von seinem Wasser und ich gucke ihn an.

"Dir ist schon so viel scheiße passiert. Du brauchst sie bei dir, ihr könnt euch helfen. Außerdem kann ich so auf euch beide aufpassen.", fügt er hinzu, während ich das Stück Kartoffel runterschlucke, welches ich gerade zerkaue.

"Ist das der wahre Grund, warum ich jetzt hier wohne?", traue ich mich zu fragen und er schluckt.

"Naja. Ich dachte du würdest dich alleine unwohl fühlen. Als du bei mir übernachtet hast...", er räuspert sich und ich spüre wie sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen schleicht.

"Als du hier geschlafen hast, hast du dich die ganze Zeit im Bett rumgewälzt. Ich wollte dich wecken, aber in dem Moment hast du dich an mir fest geklammert... danach hast du dich beruhigt. Ich weiß von Avy dass du Alpträume hast und in dem Moment wurde mir klar, wie schlimm sie sein müssen.", redet er weiter und ich gucke ihn eindringlich an.

"Ich will, dass du dich sicher fühlst, Brooke.", seine sanfte Stimme dringt direkt in mein Herz durch.

"Ist das der einzige Grund warum du mich bei dir haben wolltest?", frage ich mit einer ebenso sanften Stimme und lege meine Hand auf seine, die flach auf dem Tisch neben seinem Teller liegt.

"Brooke, ich kann nicht..", er zieht seine Hand weg und lehnt sich im Stuhl zurück. Seine Hand fährt über sein Gesicht.

"Du kannst nicht, oder du willst nicht?", frage ich genervt und lasse mich ebenfalls zurück fallen um mit meinen Armen vor der Brust verschränkt aus dem Fenster zu gucken.

Rechts und links vor dem großen Küchenfenster stehen zwei Buchsbaumbüsche, zwischen denen ich in der Ferne mein altes Wohnheim sehen kann.

"Brooke.."

"Du willst dass ich in Sicherheit bin, aber noch nie habe ich mich so sicher gefühlt wie mit dir. Sag mir inwiefern das Sinn ergibt", unterbreche ich ihn und gucke wieder in sein Gesicht.

"Wenn du da bist, bin ich fokussiert auf dich. Ich achte ständig nur auf dich und kann an nichts anderes denken. Man hat ja gesehen wozu das führt. Avery wurden Drogen untergeschmuggelt.", seine Stimme ist verletzt. Ich kann spüren, dass es ihm darum geht.

Als er mir vorgestern gesagt hat, dass es aus ist, dachte ich, er würde die ganze Sache mit Avery nur als Ausrede nehmen, weil er einfach nichts mehr von mir will. Jetzt erst begreife ich, dass er wirklich denkt er hätte was dagegen tun können, wenn er nicht gerade mit mir beschäftigt gewesen wäre.

"Das war ein Zufall, dass es an dem Abend passiert ist. Es hatte nichts damit zu tun, dass wir einen schönen Abend zusammen verbracht haben.", erwidere ich und gucke ihn bemitleidend an.

"Genau darum geht es. Während ich nur Augen für dich hatte, hat Steven Avery unter Drogen gesetzt, sie in den zweiten Stock befördert, ein Zimmer rausgesucht indem er alleine mit ihr sein konnte und sie dort...", er guckt auf seine blauen Flecken an den Fingerknöcheln.

„Ich hatte eine schöne Zeit, während er sie fast vergewaltig hat.", seine dunklen Augenringe spiegeln deutlich wieder, dass auch er nicht wirklich zum schlafen kommt.

Es tut mir weh ihn so zu sehen. Ich wünschte ich könnte ihm helfen.

"Nate, das sage ich jetzt nicht, weil ich dich überzeugen will, aber es ist nicht deine Schuld. Nur, weil du ein mal spaß hattest, heißt das nicht, dass du versagt hast auf sie aufzupassen.", erwidere ich und streiche nochmal kurz über seinen Arm.

"Leider bedeutet es genau das.", er schiebt seinen Stuhl zurück und nimmt seinen Teller vom Tisch, um ihn in die Spüle zu werfen und die Küche zu verlassen.

"Nate!", rufe ich noch, aber er ignoriert mich und dann höre ich die schnellen Schritte auf der Treppe.

Das lief ja sehr gut...

Wenigstens weiß ich jetzt eine Sache. Es ist ganz sicher nicht möglich, dass ich meine Gefühle für ihn irgendwie verliere. Ich muss ihn zurück gewinnen.

Outsider - Beneath the SurfaceWhere stories live. Discover now