„Somit schließe ich hier fürs Erste meine Präsentation und hoffe, dass Sie sich alles notiert haben. Ansonsten können Sie sich aber gerne noch einmal an mich wenden." Wieder dieses Lächeln. Hermine unterdrückte ein Schnauben. Draco hatte sie mit keinem einzigen Wort erwähnt und dabei hatte sie die letzten Monate den Hauptbestandteil zu dieser Präsentation beigetragen. Sie war diejenige gewesen, die oft bis weit nach Mitternacht im Büro gesessen, recherchiert und alles zusammengefasst hatte, während Draco oft nur gelangweilt an seinem Schreibtisch gesessen und in der neusten Ausgabe der Playwitch geblättert hatte. Hermine hoffte jetzt einfach, dass ihr Chef wusste, dass der heutige Vortrag nicht Dracos alleiniger Verdienst gewesen war.
Die Gruppe, die sich um den großen Tisch versammelt hatte, löste sich langsam auf und die Mitglieder der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit und magische Strafverfolgung tröpfelten nacheinander aus dem Raum. Am Ende waren nur noch Hermine, ihr Chef und Draco übrig, der langsam seine Notizen zusammensuchte und sie dann in seine Umhängetasche schob.
„Gute Arbeit. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie bereits so viele Informationen für uns haben." Hermines Laune besserte sich schlagartig, als sie bemerkte, dass ihr Chef an sie beide gewandt sprach. „Aber trotzdem würde ich gerne noch ein Wörtchen mit Ihnen sprechen, Miss Granger. In fünf Minuten in meinem Büro?" Hermine drehte sich der Magen um, aber sie nickte und sah zu, wie Mr. Kilmore den Raum verließ und die Tür hinter sich zuzog.
Hermine war es bewusst, dass sie nun mit Draco alleine war, und ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. „Hast du etwas verbrochen, Granger?" Hermine ließ sich nicht dazu herab, auf diese Frage zu antworten, sondern sah ihn lediglich scharf an.
„Wie nett von Ihnen, dass Sie die komplette Arbeit als die Ihre ausgegeben haben", sagte sie in ruhigem Tonfall. „Beim nächsten Mal halte ich die Präsentation." Draco lachte nur und Hermine verdrehte die Augen.
Nach exakt fünf Minuten erhob sie sich und schwang sich die Tasche über die Schulter.
„Viel Glück. Wir sehen uns dann beim Mittagessen." Die Ironie war deutlich aus seinen Worten herauszuhören.
„Träum weiter", flüsterte Hermine so leise, dass Draco es nicht mehr hören konnte, und schloss die Tür hinter sich. Langsam lief sie den Gang entlang, über den sich die Abteilung erstreckte, und blieb schließlich vor der letzten Tür stehen. Sie atmete noch einmal tief durch, dann klopfte sie.
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Sie saß auf einem bequemen Sessel vor dem Schreibtisch von Mr. Kilmore. Ihr Chef hatte ihr erst den Platz und dann Tee und Gebäck angeboten, was Hermine sehr überrascht hatte. Sie hatte nicht gewusst, dass ihr Chef so gemütlich war. Auch sein ganzes Büro war dementsprechend eingerichtet, was sie ebenfalls nicht erwartet hatte. Hermine hatte es noch nie betreten, weil es dazu noch nie einen Grund gegeben hatte. Normalerweise kam Mr. Kilmore persönlich vorbei, wenn er Ihnen Anweisungen geben wollte, oder sie tauschten magische Memos aus. Immer wieder ließ sie staunend den Blick über die gut gefüllten Bücherregale und die Bilderrahmen mit den Familienportraits wandern. Sie begann, Mr. Kilmore wirklich zu mögen.
„So, Miss Granger. Sie fragen sich bestimmt, warum Sie hier sind." Hermine nickte, die Worte hatten sie in die Gegenwart zurückgeholt. Das tat sie allerdings und rieb auch sofort ihre schweißfeuchten Hände an ihrem Rock. Sie konnte es sich absolut nicht leisten, diesen Job zu verlieren, und schwor sich innerlich, dass sie Draco umbringen würde, wenn sie gefeuert wurde, weil ihr Chef dachte, dass sie nicht so arbeitete, wie es von ihr verlangt wurde.
Mr. Kilmore erstickte diese Gedanken allerdings im Keim. „Machen Sie sich keine Sorgen", sagte er und schenkte ihr einen väterlichen Blick. „Ich fand Ihre Präsentation ganz großartig. Darum geht es hier heute nicht." Hermine atmete erleichtert aus.
„Und worum geht es dann, wenn ich fragen darf, Sir?" Mr. Kilmore lächelte bei ihrem neugierigen Tonfall und griff in eine Schublade seines Schreibtisches. Mit einer flüssigen Bewegung holte er eine dünne Mappe heraus und legte sie vor sich auf den Tisch.
„Ich suche jemanden für einen ganz besonderen Auftrag, der auch mit Ihren alten Recherchen zu tun hat." Hermine spitzte aufmerksam die Ohren. „Wie Sie vielleicht wissen, ist der Sohn des kanadischen Ministers im Lande. Er hat hier in London einen Wohnsitz und aus sicheren Quellen wissen wir, dass er Verbindungen zu seinem Vater hat und einen Teil dessen illegaler Machenschaften unterstützt. In Ihrer Akte las ich, dass Sie ein zugelassener Animagus sind. Ist das korrekt?"
Hermine nickte überrascht. „Ja, Sir. Meine Animagus-Gestalt ist die einer Katze." Mr. Kilmore sah erfreut aus.
„Das eignet sich ganz fabelhaft für unsere Pläne." Er stand auf und begann, aufgeregt in seinem Büro auf und ab zu laufen. „Ich möchte, dass Sie sich unauffällig einschleusen und etwas umhören. Je mehr Sie herausfinden, desto besser. Natürlich können Sie dies in ihren Arbeitszeiten tun, aber auch wann immer Sie Zeit dafür haben – naja, ich bitte Sie einfach, so viel wie möglich herauszufinden, da wir nicht wissen, wie lange der Sohn des Ministers noch hier sein wird. Er hat einen zweiten Wohnsitz in Frankreich und es könnte gut sein, dass er in Kürze dorthin zurückkehrt." Er legte die Fingerspitzen aneinander.
Dann drehte er sich herum, suchte ein Dokument aus einem dicken Stapel Pergament und platzierte es direkt vor ihr. „Das ist die Anschrift und eine grobe Übersicht vom Aufbau des Hauses", sagte er und Hermine zog das Blatt näher zu sich heran. „Also, was denken Sie? Sind Sie bereit für diese Aufgabe?" Hermine lächelte und nickte.
„Es ist mir eine Freude, diese Herausforderung anzunehmen", sagte sie und sah Mr. Kilmore eifrig an. Sie fühlte sich geschmeichelt, dass er so viel Vertrauen in sie steckte und sie mit dieser wichtigen Aufgabe betraute.
„Eine Bedingung habe ich aber noch, Miss Granger", sagte er, als sie sich erhob und das Pergament dabei sorgsam einrollte. Sie hob den Kopf und sah ihn erwartungsvoll an. „Es darf niemand - wirklich niemand - von dieser Sonderaufgabe erfahren. Nur der Minister, Sie selbst und meine Wenigkeit sind bisher eingeweiht. Außerdem Theodore vom Auslandskommando nebenan. Versprechen Sie mir, dass Sie dieses Geheimnis noch eine Weile für sich behalten?" Hermine nickte. Dann verließ sie den Raum und machte sich auf den Weg in die Cafeteria.
Sie freute sich wirklich über diese Aufgabe. Zum Einen, weil sie diese nicht – wie sonst – mit Draco teilen musste, sondern den ganzen Ruhm einmal selbst einheimsen konnte, und zum Anderen, weil es nach einer spannenden, neuen Erfahrung klang, die sie bisher in ihrem Job vermisst hatte. Sobald sie zuhause war, würde sie einen ersten Versuch starten. Sie hatte sich schon lange nicht mehr verwandelt, aber war sicher, dass sie es noch perfekt beherrschte.
In der Cafeteria ließ sie sich auf einen Platz fallen, der soweit von Draco entfernt war, wie es nur ging. Dies schien aber weder ihn, noch die junge, blonde Hexe neben ihm zu stören, und Hermine schüttelte den Kopf. Es war eindeutig keine Besserung in Sicht.
Wenn Hermine gewusst hätte, was in den nächsten Tagen und Wochen auf sie zukommen würde, hätte sie die Aufgabe ausgeschlagen und Mr. Kilmore gebeten, jemand anderen dafür auszusuchen. Aber da Hermine keinen blassen Schimmer hatte, was ihr blühte, schob sie sich unbekümmert eine Gabel Kartoffelbrei in den Mund und studierte eingehend das Pergament, das Mr. Kilmore ihr überlassen hatte.
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Animagi Secrets
Fanfictionᴅʀᴀᴍɪᴏɴᴇ • Hermine Granger und Draco Malfoy verabscheuen sich immer noch abgrundtief - schön blöd, wenn man sich trotzdem ein Büro teilen muss. Als Hermine eines Tages auch noch einen Auftrag erhält, den sie in ihrer Animagus-Gestalt bewältigen muss...
Die Mission
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