Von wegen: Ich konnte dich schlecht allein lassen.

Genervt entfernte ich die Hände von mir und drehte mich blitzartig um. Ein junger Mann stand mir gegenüber. Er war betrunken. Man sah es ihm an.

»Lass uns ein bisschen tanzen«, lallte er und streckte seine Hand nach mir aus. Rechtzeitig wich ich nach hinten aus. »Kein Interesse.«

Ohne dem Widerling weiter Beachtung zu schenken, lief ich an ihm vorbei. Indem er mich mit einem festen Griff am Oberarm packte, hielt er mich auf.

»Nimm deine Finger von mir!«, fauchte ich. Dabei rüttelte ich meinen Arm. »Wir sind hier noch nicht fertig, Süße.« Süße?!

Angewidert verzog ich das Gesicht. Was dachte er eigentlich, wer er war?

Mit einem Ruck zog er mich nah an sich, wodurch ich gegen seine Brust knallte. »Lass mich los!«, befahl ich ihm aufgebracht. So langsam wurde ich wütend.

Anstatt es endlich aufzugeben, legte er seine Hände auf meine Hüfte.

»Ich sag es nur noch einmal: Lass mich los!« Er grinste amüsiert. »Was will ein kleines, schwaches Mädchen wie du mir bitte antun?« Er wollte es sehen? Wieso nicht?

Ich hoffte, die harten Selbstverteidigungsstunden, die Dad mir früher gab, lohnten sich jetzt. Bis heute brauchte ich sie nie. Ich hätte auch niemals gedacht, dass ich sie je brauchen würde.

Hoffentlich konnte ich noch das, was mir Vater beibrachte, denn all die Menschen um uns herum, interessierte es nicht, was in diesem Moment geschah. Eine junge Frau wurde von einem betrunkenen Mann begrapscht.

Ich winkelte den freien Arm an, ballte die Hand zu einer Faust und holte aus. Mit voller Wucht verpasste ich dem Kerl einen Kinnhaken, weshalb er zischend meinen Oberarm losließ.

Fuck, tat der Schlag weh.

Ich schüttelte meine Hand und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Dabei sah ich, wie der Mistkerl seine Hand aufs Kinn legte, das Gleichgewicht verlor und auf dem Hintern landete.

»Das kann ein kleines, schwaches Mädchen wie ich dir antun. Und noch etwas.« Ich sah wütend auf ihn hinab. »Niemand nennt mich Süße!«, informierte ich ihn, ehe ich an ihm vorbeilief und auf die Bar zusteuerte.

Der Club war überfüllt, aber da die beleuchtete Bar in einem großen Kreis verlief und in der Mitte eine Trennwand mit Regalen voller Alkohol hatte, konnte ich mich ohne Probleme auf einen der wenigen freien Barhocker setzen.

»Irgendeinen alkoholfreien Cocktail«, bestellte ich bei dem süßen Barkeeper. Er erinnerte mich ein wenig an meinen besten Freund Noah. Beide hatten honigblondes Haar und blaugraue Augen. Den leicht trainierten Körper könnten sie ebenfalls gemeinsam haben.

Beim Barkeeper konnte ich es durch die schwarze Schürze und das locker anliegende T-Shirt nicht richtig erkennen. Bei Noah wusste ich es sicher. Sein leicht trainierter Körper kam vom Football.

Als der Barkeeper nach einem Moment mit dem Cocktail zurückkam, nahm ich ihm diesen ab. Mit der falschen Hand.

Der Schmerz fühlte sich an, als würden mir kleine Nadeln in meinen Handrücken und mein Handgelenk gebohrt werden. Man konnte ihn auch mit starken Periodenkrämpfen vergleichen.

»Hätten Sie vielleicht etwas Eis für meine Hand?« Bittend sah ich ihn an. Er nickte schweigend.

Ich fühlte mich unwohl mit der Frage. Welcher normale Mensch fragte einen Barkeeper in einem Club nach Eis für seine Hand?

Aber das sollte mir egal sein. In Nachtclubs passiert vieles. Außerdem blieb ich nicht mehr lange. Nicht nur wegen meiner Hand. Der andere Grund waren meine zwei besten Freundinnen, die weggegangen waren, ohne mich darüber zu informieren.

Señora Hernández - Der Anfang vom EndeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt