18| Eindeutig Chemie

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Ich wollte etwas erwidern, aber da war sie bereits in einer Gruppe aufgebrezelter Mädchen verschwunden.

»Was hat sie zu dir gesagt?«, wollte Henry mit einem deutlichen Unterton von Neugier wissen.
Ein kleiner Kellner mit gepunkteter Fliege sauste vorbei, balancierte gleichzeitig zwei Tablette gefüllt mit bunten Cocktails.

»Hey, kriegen wir drei?«, hielt Theo ihn an und bediente sich.

Als wir alle einen in der Hand hielten, meinte ich:»Nichts besonderes. Nur, dass mein Outfit ziemlich langweilig gewählt.« Lügen lag mir eigentlich gut, aber ich erkannte sofort, dass Henry mich durchschaute.

Theo hingegen lachte nur. »Ja, meinte sie heute auch in der WG zu mir. Ich meine, was ist an einer Jeans und einem T-Shirt falsch?«

»Keine Ahnung.« Schon nach ein paar Schlücken des gekühlten Getränks hatte ein intensiver Mango Geschmack meinen Mund gesprengt.

Meine Gedanken wanderten sofort zu Montag zurück. Zu Matilda, dem Tierarzt Besuch und unserem Gespräch. Dem Verlust, den sie als Teenager erlitten hatte. Ihren Panikattacken und all dem Leid, das ich hinter ihrer Maske wohl niemals vermutet hätte.

Tag ein Tag aus hatte ich im Café ein Mädchen beobachtet, das stets immer lächelte, das nett und höflich zu allen war, das diese gewisse Wärme ausstrahlte.
Matilda hatte etwas an sich, was mich an eine Art Licht erinnerte. Ein Licht, zu dem man sich immer wenden wollte, weil es so warm war. Weil man sich in der Gegenwart dieses Lichtes einfach wohl fühlte.

Doch da wo ich nur das Licht gesehen hatten, sah ich nun auch die Schatten. Schwere Ereignisse und vor allem Verluste, die auf ihren Schultern lasteten. Dinge, von denen sie erwartete, sie müsste ganz allein mit ihnen fertig werden. Dinge, die sie irgendwann ganz und gar zerdrücken und zerstören würden.

Ich hatte gespürt, wie sehr sie die Panikattacken quälten. Wie sie von ihnen aus dem nichts überrollt wurde, und wie dunkel ihre Welt dann schien.

Matilda hatte so viel durchgemacht, trotzdem sah ich sie gerade mit ihrem einzigartigen Lächeln durch die geöffnete Doppeltür treten. Eine kleine Handtasche über der Schulter und ein perfekt verpacktes Geschenk in der Hand. Sogar mit roter Schleife.

Die Wärme, die ich von ihr spüren konnte, schienen auch andere wahrzunehmen, da bereits mehrere Leute auf sie zu gingen und ansprachen.

Und sie schien locker auf die Gespräche einzugehen, was mich freute.

»Von wegen, da ist keine Chemie.«, raunte mit einem mal Ylvie neben mir, drückte mir den Ellenbogen in die Seite und lief auf Matilda zu.
Die beiden umarmten sich, wobei Ylvie sie eher fast erdrückte.

»Dahinten sind ein paar Leute aus meinem Sozialpsychologie Kurs. Ich gehe mal hin. Bis später!«, sagte Henry und haute schon ab.

»Da waren es nur noch zwei.«, flötete Theo und griff nach einem weiteren Cocktail.

»Da war es nur noch einer.« Ich zwinkerte ihm zu, und ging auf Matilda zu. Kurz nahm ich mir Zeit, sie genau zu mustern. Sie trug heute eine locker sitzende Jeans und eine luftige Bluse mit Rüschen. Dazu steckten goldene Kreolen in ihren Ohren. Wirklich...

»Hey, warte mal!« Eine Hand auf meinem Oberarm stoppte mich abrupt vorm weitergehen. Ich blinzelte auf eine sauber manikürte Hand und drehte mich perplex um.

Ein Mädchen, das ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte, lächelte mich an. Sie hatte helle Augen, dunkle Locken, die ihr wellig über die Schultern fielen und kirschrot angemalte Lippen. »Mein Name ist Gry. Kennen wir beiden uns nicht?« Sie legte den Kopf auf eine komische Art schief.

When I saw her smileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt