Weit, weit weg

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Als ich jünger war, hatte ich einen Freund. Es war ein Bär und er war immer an meiner Seite. Er lebte leider viel zu weit, um ihn regelmäßig zu sehen. Viel zu weit. Außerdem hatte er selten Zeit um sich mal zusammen hin zu setzten und zu quatschen. Deshalb schickten wir uns Postkarten. Er erzählte mir Späßchen, Geschichten, schrieb mir Gedichte. Seine Geschichten handelten von Walen, die im tiefen Meer mit Meerjungfrauen kommunizierten und Freundschaft schlossen. Von einer ganz kleinen Frau ganz oben auf den Bäumen, die strickte und sich mit Elfen stritt. 

Wenn meine Tage nicht gut liefen, schrieb ich ihn an, und er brachte mich zum Lachen. Es war der beste Bär, den ich kannte. Ich freute mich auf jede Post, die in unser Wald eintraf. Hastig öffnete ich etlichen Briefe und malte zu den Geschichten Bilder. Ich war zwar nicht sonderlich gut darin, doch seine Worte, ließen die Bilder atmen und verlieh ihnen einen ganz besonderen Glanz. 

Das ging dann immer wieder hin und her. Es versüßte mir die dunkelsten Tagen, wenn ich aus meinem Bau trat und die Briefe und Postkarten erblickte. 

Am liebsten las ich seine Gedichte. Er war ein Meister darin und ich konnte jedem erzählen was ich für einen tollen Dichter als Freund hatte. 

"hey Igel! Hast du schon dieses Gedicht hier gelesen? Ich möchte es Bär schicken", mein bester Freund grummelte kurz bevor er das Blatt entgegen nahm.

"Schöne Zeichnung Fuchs. Nein, wahrlich, ich habe es noch nicht gelesen", ich setzte mich hin und wartete auf seine Reaktion.

"Es... ist sehr schön", meinte er.

"Meinst du?", er nickte. "Das kannst du abschicken. Es ist klein aber fein"

"Danke... es ist mein erstes Mal, dass ich sowas schreibe", ich errötete und nahm das Blatt mit dem Gedicht wieder zu mir.

"Für dein erstes Mal, ist es echt gut. Dieser Bär... ich will ihn kennenlernen, du redest zu viel von ihm... als ob... er mich als deinen besten Freund abgelöst hatte", er schmollte und kreuzte seine kleinen Ärmchen vor seiner Brust.

"Ach Igel. Niemand wird dich je ersetzten. Nicht mal einen großen, starken und so weisen Bären", ich lächelte ihn an und stupse mit meiner Schnauze seinen Bauch an. Er fing an zu kichern.

"Das ist gut zu wissen"

Zuhause im Bau, schob ich mein Gedicht in einen Briefumschlag und machte ihn abschickbereit.  Stolz übergab ich ihn unserem Postraben.

"Hier, pass gut auf. Auf den Brief und auf dich", der Rabe nickte. "Ich denke mal der Brief soll zum Bären?"

Ich nickte. "Ja, gut erkannt"

"Na dann. Tschüss", er verabschiedete sich von mir, nach dem er alle Briefe in seinen Sack gestopft hatte und erhob sich in die Lüfte. 

Die nächsten Tagen wartete ich auf eine Antwort. Ich besuchte einer meiner Freund, welche ich lange nicht mehr gesehen hatte, ging mit dem Spatz auf Pilzsuche, weil wir nichts anderes zu tun hatte, und lud Igel zu Kuchen und Tee. 

Während wir schmatzend unseren Kuchen aßen, klingelte es. Es war die Post. Eilig ließ ich alles stehen und liegen und griff nach dem Brief. 

Wie erwartet war es von Bär. Mit dem Brief in der Hand, rannte ich zurück in meinen Bau und setzte mich wieder an den Tisch. Igel schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen zu wie ich das Geschickte öffnete.

Liebe Fuchs,

ich bin stolz auf dich, dass du so was tolles geschrieben hast. Auch deine Zeichnungen werden immer besser. Fühl dich gedrückt von mir. Mache weiter so. Du schaffst das.

Ich kämpfe mit mir selbst dies jetzt nieder zu schreiben, aber tue es dennoch. Liebe Fuchs, ich gehe auf Reisen. Ich will die Welt erkunden. Sie erleben. Mein Wald wird mir zu eng. Außerdem werden immer mehr Bäume krank. Ich muss von hier weg. Ich weiß es nicht wirklich relevant für dich, wenn ich wo anders hinziehe, dennoch ist es wichtig für mich und auch für dich, auch wenn du das erst nicht denkst. Wie schon vorher erwähnt gehe ich auf Reisen. Ich gehe allein, also denke ja nicht, dass du mich begleitest. Da ich immer auf Wandel bin, werde ich jegliche Post nicht mehr empfangen. Da ist sehr schade, aber es ist leider so. Bitte weine nicht. Mein Arzt sagt außerdem, ich solle aktiv bleiben, denn dieser Wald wird mein Untergang. Ich merke jetzt schon wie sehr er an meiner Kraft zerrt. Und daher habe ich mich für diese Reise entschieden. Sie wird lang sein, ich komme nicht mehr zurück. Bleibe stark, pass gut auf Hermeline auf, sie ist mir sehr wichtig. Sie ist meine Liebe des Lebens und bitte pass gut auf sie auf. Nun sind wir an dem Punkt gekommen. Ich habe dich sehr lieb und sei wegen mir nicht traurig, sondern blicke dem Licht entgegen.

Lebe wohl,

dein Bärchen

Bei jedem Wort, das ich las, stiegen mir immer mehr Tränen in die Augen. Sie sammelten sich, bevor sie runterliefen und ihren Weg auf dem Tisch fanden. Sie tropften sogar auf das Papier auf dem feinsäuberlich die Nachricht verfasst worden war. 

Die Nässe durchweichte die getroffenen Stellen und ich konnte einiges nicht mehr richtig entziffern. Den Brief hatte ich etliche  Male gelesen und fasste es immer noch nicht, was er beinhaltete.

Er ließ mich allein? Igel saß stumm gegenüber von mir und rührte sich nicht vom Fleck. Erst als ich das Blatt zur Seite legte und ihn anschaute, die Augen voller Tränen, hopste er auf den Tisch und umarmte mich fest. 

"Was auch immer das drinne steht, ich bin bei dir", flüsterte er in mein Ohr und umarmte mich fester.

Ich wollte nicht begreifen. Er war weg? Und nahm mich nicht einmal mit? Er reiste ohne mich. Er wird die Elfen und fremde Geschöpfe sehen. Ohne mich. Er wird mir niemals mehr Geschichten über sie erzählen. Mich zum Lachen bringen. 

Niemals mehr. Ich werde ihn nie mehr sehen können, ab und an an Wochenenden und wenn er mal Zeit hatte. Das wird es nicht mehr geben. 

Nie mehr.

"Ich vermisse dich so schrecklich."

Mein Freund, der BärWhere stories live. Discover now