John blieb zwei oder dreimal kurz stehen um sich zu orientieren, was mich langsam daran zweifeln ließ, dass er den Weg kannte. Der Gedanke machte mich nervös.
Wir gingen weiter, bis er erneut innehielt. Die Stelle sah nicht wirklich anders aus, als die anderen, an denen wir vorbeigekommen waren, aber John lächelte mich an. „Hier sind wir richtig."
Ich erwiderte das Lächeln erleichtert, denn anscheinend hatten wir uns nicht verirrt. Doch dann gefror mein Lächeln, weil er begann, zwischen den Felsen nach unten zu steigen.
„Ähm, was machst du da?", fragte ich erschrocken. Es war lebensgefährlich zwischen den Felsen herumzuklettern. Die Felsen waren steil und unten brach sich das Meer an ihnen. Es gab die Warnschilder entlang der Wege nicht umsonst. Jeder Wanderführer, den ich je in die Finger bekommen hatte, warnte davor, die ausgeschilderten Wege zu verlassen. „Das ist verboten!", rief ich ihm nach, als ich schon nur noch seinen Kopf sehen konnte.
„Manchmal muss man die Regeln brechen, Molly. Komm schon", rief er über die Schulter. „Es ist nicht so gefährlich, wie es aussieht. Hier ist ein richtiger Pfad. Bei Ebbe ist es absolut ungefährlich."
Als ich noch immer zögerte, kam er mir ein Stück entgegen und streckte mir die Hand hin. Ich ergriff sie zwar nicht, aber näherte mich mit einem klammen Gefühl dem Klippenrand. Bei genauem Hinsehen gab es tatsächlich einen Pfad, der zwischen den Felsen nach unten führte. An manchen Stellen waren die Felsen wie Treppenstufen geformt, dann sah es wiederum so aus, als wären Steine behauen worden, so dass man mit den Füßen Halt fand. Ich hatte noch immer ein mulmiges Gefühl, aber ich begann, John zu folgen. Mein Blick folgte dem Verlauf des Weges, der sich in Serpentinen nach unten wand. Das Wasser hatte sich aufgrund der Ebbe zurückgezogen und unter uns erstreckte sich ein heller Streifen Sand. Die Stelle war ähnlich wie die auf meinem Arbeitsweg, wo ich die Flaschenpost gefunden hatte, aber von oben sah man sie aufgrund der Felsen kaum. John bewegte sich zielstrebig und sicher. Ein paar aufgebrachte Vögel, die zwischen den Felsen nisteten, flogen auf und kreisten kreischend über uns. An einer schmalen Stelle, wo etwas Geröll den Pfad versperrte, blieb John stehen, reichte mir eine Hand und half mir darüber hinweg. Wir näherten uns immer weiter dem Sand und Meer am Fuße der Klippen. Der salzige und fischige Geruch wurde intensiver, aber der Geruch war mir vertraut.
„Zum Schwimmengehen ist es zu kalt" stellte ich fest, als wir unten angekommen waren.
„Stimmt", gab er mir trocken recht. „Deswegen sind wir aber nicht hier. Ich will dir etwas zeigen."
„Das sagst du die ganze Zeit, aber ich tappe noch immer im Dunkeln."
Er blickte mich schon wieder so unergründlich über die Schulter an und etwas ließ meinen Blick abwenden und stattdessen die steilen die Felsen betrachten, die sich um uns scharfkantig erhoben. Sie wurden seit Jahrtausenden vom Wasser umspült und vom Wind gepeitscht und hatten so allmählich ihre Form erhalten. Ich wurde bei dem Gedanken ganz ehrfürchtig und kam mir zwischen den Naturgewalten winzig vor. Ohne es bewusst zu tun, trat ich näher an John heran und verhedderte mich dabei in einem Büschel Seetang, das in großen Mengen den Strand bedeckte. John griff nach meinem Ellbogen und stützte mich, bis ich meinen Schuh befreit hatte.
„Danke", sagte ich, zu ihm aufblickend. Sein Blick lag auf der Felswand, die wir herabgestiegen waren. Gerade, als ich fragen wollte, wonach er suchte, stieß er einen kleinen Laut aus, der Bewunderung oder Freude ausdrücken mochte.
„Da! Wir sind richtig!", freute er sich und mir schwante, dass er auch noch nie vorher hier gewesen war. Wir hätten uns ebenso gut hoffnungslos verirren können. Außerdem, was wollten wir eigentlich hier? Ich sah nur dunkle, unheimlich hohe Felsen vor mir. „Sieh dir das an!" Ich folgte mit dem Blick der Richtung, die sein ausgestreckter Zeigefinger wies. Ich brauchte einen Augenblick, um zu sehen, was er sah. Dort war eine Höhle in der Felswand. Sie war so gut zwischen den steilen grau und dunkelbraunen Felsnasen und Vorsprüngen getarnt, dass ich sie erst sah, als ich direkt vor ihr stand, obwohl der Eingang groß war, wie das Portal einer Kathedrale. Nur dass die Ränder nicht mit Steinmetzarbeiten verziert waren, sondern aus zackigen Felskanten bestanden.
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Message in a Bottle - Die Flaschenpost
Romanceüberarbeitete Version von "Die Flaschenpost" 1801... Alexander Craythorne ist Gefangener auf einem französischen Freibeuterschiff. Seine Gedanken sind bei Mary, seiner heimlichen Verlobten. Er plant die Flucht um zu ihr zurückzukehren. Gegenwart...