Es versetzte ihr einen Stich, dass er sie einfach so abgewimmelt hatte. Wollte er nicht mit ihr reden? War er vielleicht gar nicht an ihr interessiert und hatte ihr nur aus Höflichkeit geholfen?

Was ist nur los mit mir? Ich will doch gar nichts von ihm. Also darf ich auch nicht eifersüchtig sein. Er kann machen, was er will, wann er will, mit wem er will. Es geht mich nichts an.


Um auf andere Gedanken zu kommen, machte Maggie erst einmal ein ausgiebiges Frühstück mit Pfannkuchen und Kaffee.

Während sie aß, überlegte sie, was sie die nächsten Tage unternehmen konnte.

In Brahms' Zimmer hatte sie eine Violine entdeckt. Sie hatte schon länger nicht mehr auf einer Violine gespielt und war neugierig, ob sie es noch konnte. Zudem gab es gefühlt tausend Bücher in diesem Haus, es würde sich bestimmt etwas aus diesem Jahrhundert finden lassen.

Nachdem sie abgewaschen hatte, ging Maggie in Brahms' Zimmer. Beiläufig streifte ihr Blick die Porzellanpuppe, die im Bett lag. Dann nahm sie die Violine samt Bogen von der Kommode und strich damit einmal über die Saiten.

Es klang etwas schief, doch das würde sich beheben lassen. Sie ging wieder nach unten ins Wohnzimmer, wo sie die Violine stimmte und spielte, bis ihr die Finger wehtaten.

Ja, sie konnte es noch, und zwar nicht schlecht, wie sie selbst fand.

Maggie legte das Instrument beiseite und klapperte die Bücherregale nach einem Buch ab, das sie lesen könnte. Neben Shakespeare, George Orwell und anderen Klassikern der Weltliteratur gab es erstaunlich viele Sachbücher und auch ein paar moderne Romane, doch Maggie entschied sich letztendlich für „Stolz und Vorurteil" von Jane Austen. Es stammte zwar aus dem vorletzten Jahrhundert und Maggie hatte es bereits gelesen, doch sie mochte es eigentlich ganz gerne.

So verstrich der Nachmittag und es begann bereits zu dämmern,

als Maggie wieder in die Küche ging.

Was sie dort vorfand, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.

Am Küchentisch saß die Puppe, das Porzellangesicht Maggie zugewandt. Es sah aus, als würde sie Maggie direkt in die Augen starren.

Vor der Puppe, auf dem Tisch, lag das aufgefaltete Blatt Papier mit den Regeln.

Diesmal konnte sich Maggie nicht einreden, schlafgewandelt zu sein. Sie hatte die Puppe vorhin noch oben gesehen und war seitdem nur im wachen Zustand im Wohnzimmer gewesen.

Maggie rannte aus der Küche zum Telefon, wo sie hektisch Sebastians Nummer wählte.

Doch es wurde keine Verbindung aufgebaut, stattdessen war nur ein merkwürdiges Rauschen zu hören. Sie legte auf und wählte den Notruf, doch auch hier ertönte nur das Rauschen. Dann eine Stimme. Die Stimme eines Jungen. Und er sagte ihren Namen. „Maggie? Ich bin es, Brahms. Komm, spiel mit mir, Maggie." Dann hörte sie Schritte und ein Kinderlachen.

„Wer ist da?", rief sie panisch. „Wer immer da ist, das ist nicht witzig!"

Sie knallte den Hörer regelrecht auf den Apparat, doch sofort klingelte das Telefon in einem schrillen Laut. Hektisch riss Maggie es an ihr Ohr. „Sebastain?", fragte sie hoffnungsvoll.

Aber es war nicht Sebastian.

„Maggie?", ertönte erneut die Stimme des Jungen.

Schluchzend sank Maggie auf den Boden. „Wer ist da?", rief sie noch einmal. „Was willst du von mir?" „Du musst die Regeln befolgen, Maggie. Hab keine Angst, ich will nur mit dir spielen."

Spuren der Vergangenheit ("The Boy" Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt