Schreiend und sich, wie ein Wurm windend fuhr Juna auf und sah sich schwer atmend um. Ihr gesamter Körper zitterte, während sie die Arme um sich schlang und sich vor und zurückwiegte, als würde dadurch diese schreckliche Begegnung vergessen gemacht werden. Ihr Blick schweifte durch das Zimmer, immer suchend nach der Gefahr, die irgendwo in einer Ecke lauern könnte. Angst... seit langem fühlte sie wahrhaftige Angst... Dieser Clown, er... er wiegte sie in trügerischer Sicherheit, wollte er sich auch an ihr vergehen? Sich von ihrer Angst ernähren?
Keuchend war sie aus dem Bett gesprungen, als sie glaubte eine Bewegung hinter der Gardine wahrgenommen zu haben. Doch es war nur der Wind, der durch das offene Fenster Luft hereingetragen hatte!
Ihr Blick wanderte zurück zum Bett in dem sie aufgewacht war und ließ sie stutzen.
Hatte sie sich nicht der Schlaftabletten entledigt? Warum stand die weiße Dose ohne Beschriftung nun wieder neben ihrem Kopfkissen?
Was, von den vielen Dingen, die in den letzten Tagen geschehen waren, waren wahr gewesen?
Nur eines wusste sie genau; die Schmerzen, die sie stets und ständig in den vermeintlichen Träumen gespürt hatte, waren keineswegs eingebildet gewesen! War es nicht unmöglich, dass man in Träumen Schmerzen spüren konnte?
In wilder Hatz packte sie ihre wenigen Sachen zusammen, verließ fluchtartig dieses Hotel, das wieder menschenleer erschien und trat hinaus in die kalte Winternacht.
Sie sah sich nicht einmal um, als sie den Weg durch den verschneiten Wald Richtung Stadt antrat, auch wenn es links und rechts neben ihr raschelte, oder sonstige Geräusche tat.
Fort! Sie musste einfach fort von diesem Ort, der ihr scheinbar nicht gut tat.
Außer Atem erreichte sie schließlich die, noch völlig belebte Innenstadt. Menschen über Menschen tummelten sich in den Straßen, erheitert, lächelnd, fröhlich miteinander spaßend...
Mit gesenktem Kopf, die Blicke um sie her ignorierend, eilte sie durch die Straßen, immer der Beschilderung Richtung Bahnhof folgend.
Sah sie so furchtbar aus, dass sie alle Welt anstarren musste? Sie senkte den Kopf noch weiter, im Stechschritt weiter geradezu, bis sie ein lautes Hupen aus ihren verworrenen Gedanken riss und sie nach links blickte.
Keinen Zentimeter neben ihr, hatte ein Auto gehalten, dessen Fahrer wild mit den Armen fuchtelte und eine Hasstirade nach der nächsten ausstieß. Erschrocken lief sie nun einfach weiter, während das Auto, welches von rechts auf sie zugeschossen kam, eine Vollbremsung hinlegen musste, doch sie achtete nicht mehr darauf. Sie wollte einfach nur noch weg!
Doch von welchem Geld sollte sie eine Zugfahrkarte bezahlen und wohin würde sie überhaupt reisen wollen?
Seufzend ließ sie sich in der hiesigen, prunkvollen Bahnhofshalle neben einem Snackautomaten auf dem schmutzigen Boden nieder. Ihr Blick blieb schließlich an einer großen Anzeigetafel hängen. So viele Ziele...
Doch als sie die paar Pennys in ihrem Geldbeutel zusammenzählte, wurde ihr bewusst, dass sie sich davon nicht einmal die Luft leisten konnte, die sie atmete.
Frustriert, zornig, von sich selbst enttäuscht, legte sie den Kopf auf den Knien ab und lauschte einfach nur den Schritten, die vorübergingen.
Ein reges Kommen und Gehen – natürlich! Immerhin war es ein Bahnhof! Jemand näherte sich, was Juna langsam aufsehen ließ.
Irgendein Schnösel in einem feinen Anzug stand mit dem Rücken zu ihr und telefonierte sehr ungehalten und laut in einer Sprache, die sie nicht verstand. Doch nicht das hatte ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, sondern die prallgefüllte Geldbörse in seiner Gesäßtasche!
Sie konnte doch nicht... oder doch?
Ihrer guten Erziehung zum Trotz, griff sie tatsächlich danach und so, wie sie dies tat, entfernte sich der Mann eiligen Schrittes, ohne etwas bemerkt zu haben.
Selbst von ihrer dummen Tat überrascht, verstaute sie ihr Diebesgut schnellstmöglich in ihrer eigenen kleinen Reisetasche. Sie sah sich hektisch um. Sicher hatte sie jemand dabei beobachtet! Doch nichts geschah! Niemand musterte sie skeptisch, oder schenkte ihr irgendeine Art der Aufmerksamkeit.
Erleichtert richtete sie sich auf und sah erneut an die Anzeigetafel.
Etwas schien anders als vorhin, denn sie war sich sicher, dass jener Ortsname nicht als zweites angezeigt worden war.
Etwas unbeholfen reihte sie sich schließlich in die Schlange der Menschen ein, die vor dem Fahrkartenschalter standen.
Sie zog den Parker enger um ihre Schultern, da plötzlich kalter Wind hereingetragen wurde. Doch mit ihm, kam auch der süße Duft von Zuckerwatte. Kopfschüttelnd hatte sie es abgetan – es war Weihnachtsmarkt! Und dort gab es allerlei Süßkram! Nichts Ungewöhnliches!
„Nächste! ... Nächste!"
Ein grober Stoß versetzte sie nach vorn, während sie einen halb genervten, halb entsetzten Blick nach hinten warf.
„Wohin?" raunte die Dame hinter dem Schalter.
Juna musterte sie und stellte fest, dass sie mit dem zerknautschten Gesicht wie ein unzufriedener Mops aussah.
„Äh..." machte Juna und erntete einen genervten Blick der Mopsdame ihr gegenüber. „Ich hätte gern ein Ticket nach Derry - Maine!"
„Ich hätte gern ein Haus am See!" schnauzte die Frau bissig und hämmerte auf ihre Tastatur ein. Der gewohnt nervige Ton eines Druckers erklang, bis dieser die Fahrkarte ausspuckte.
Wortlos hatte Juna der Frau einen Geldschein gereicht und im Gegenzug die Karte bekommen.
Allerdings lag ihre Aufmerksamkeit nicht auf ihrer unmittelbaren Umgebung, sondern auf dem Clown, der mit sechs roten Luftballons am anderen Ende der Halle stand und ihr zuwinkte.
„Hier - Rechnung zu den Karten!" maulte die Mopsdame und riss Juna damit aus ihren Gedanken, woraufhin sie zwinkerte und Pennywise verschwunden war.
Für einen kurzen Moment hatte ihr Herzschlag ausgesetzt, bevor sie kopfschüttelnd vom Schalter wegtrat und Richtung Bahnsteig vier lief.
Dort stand bereits ein schöner alter Zug. Im Licht der Laternen schimmerte er dunkelrot und passte sich somit der Weihnachtszeit an.
„Derry klingt wie ein kleines Städtchen... ein nettes, kleines Städtchen!" lächelte sie, als sie sich in einem Abteil niedergelassen hatte und den Kopf gegen die Scheibe lehnte und die Augen schloss.
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You'll be mine. ES Fanfiktion
FanfictionGefangen in einem Strudel aus Wachsein und Träumen begegnet Juna in ihrer eigenen kaputten Welt einem Wesen, das genauso zu sein scheint wie sie selbst... Allein... Selbstzerstörerisch... Langsam der Realität entgleitend, begibt sie sich immer tie...
6. Kapitel
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