31_Eine Portion Speck und Vergangenheit bitte

Start from the beginning
                                    

„Oder wir holen sie und verschwinden so weit wie nur möglich von hier." Das wäre doch ein guter Plan oder? Vielleicht reicht die Magie nicht so weit und sie könnten wieder zurück, Odin und Frigga in die Heilkammer bringen und die Nilgram würden das Interesse daran verlieren, den einzigen Menschen der ihr wirklich auf der Erde etwas bedeutete, zu benutzen.

„Wir laufen nicht weg" untergrub Loki den Vorschlag, „Wir..."

Irritiert hielt er inne. Seine Stirn zog sich kraus und sein Blick verfinsterte sich. Harley kannte diesen Blick, er bedeutete Ärger. Sie wollte schon panisch aufspringen, als ihr ein Geruch auffiel.

„Loki, wo ist Thor?!" keuchte sie.

„In der Küche."

Eine Sekunde lang sahen sie sich schweigend an, danach sprang Loki auf und rannte davon. Harley hatte das gleiche vor, nur bei ihr sah das ganze bei weiten nicht so elegant aus und schnell war sie auch nicht. Sie war so langsam, dass sie erst in der Küche eintraf, als alles schon wieder vorbei war. Außer den Geruch nach Verbrannten. Der blieb. Die Situation hatte sie schnell erfasst, noch schneller war sie in die Knie gegangen um schallend los zu lachen. Harley musste sich sogar am Türrahmen anhalten um nicht zu fallen und mit jedem schnellen Atemzug, schmerzten ihre Wunden, aber das hielt sie nicht davon auf, weiter zu Kichern. Der Grund dafür, war der ach so begabte Donnergott. Wie ein Kind, dem man die Süßigkeiten weggenommen hatte, stand er da und starrte in die schwarz verkrustete Pfanne. Die Küche war etwas verschleiert durch den Rauch und der beißende Gestank hatte sich schnell in den Stoffen festgesetzt

„Was bei Odins Bart hast du getan?" fragte Loki verblüfft. Er wirkte aber keineswegs verärgert.

„Ich wollte etwas Kochen" gab Thor zu und starrte noch immer in die Pfanne.

„Was war das?" fragte Loki weiter. Er beugte sich über die Pfanne um das verkohlte Ding darin zu identifizieren.

„Ein paar Eier und Speck" sagte der Gott kurz angebunden.

„Aber...wie." Loki brach ab, „Wie bekommt man so etwas zustande?!" 
„Ich hatte Hunger!" protestierte Thor und sah verletzt auf. Harley hatte sich inzwischen gefangen und stoppte nun diese Unterhaltung. Vergnügt trat sie zwischen die Beiden und scheuchte sie aus der Küche.

„Raus hier, wir bestellen etwas!"

Sie öffnete das Fenster und ließ die Pfanne in der Abwasch verschwinden.


________


Als Harley und ihre Mitbewohner sich dazu entschlossen hatten schlafen zu gehen, brach der Morgen schon langsam an. Man konnte bereits einen kleinen, hellblauen Streifen am Horizont erspähen, darum zog Harley die Vorhänge fest zu um das aufkommende Sonnenlicht zu verdrängen und legte sich in das Bett. Loki war noch in der Küche und räumte die Reste des Chinesischen Fastfoods weg. Die Vorstellung, wie Loki die Küche putzte, brachte sie zum Grinsen und sie kam nicht drum herum sich vorzustellen, wie es wäre, wenn Loki wirklich ein Menschliches Leben führen würde. Wenn er morgens aufstehen würde, eine Tasse Kaffe trank und Eier mit Speck aß. Harley lachte auf. Sie konnte es sich bildlich vorstellen, wie er Sonntags auf einem Sessel saß und ein Buch las. Ab und an im Park spazieren ging, am Markt ein paar Sachen einkaufte und ein Bürgerliches Leben führte. Ein Job, der in ab und an nervte, aber den er sicherlich gut machen würde, vielleicht ein Haustier adoptieren, einen Hund oder eine Katze. Letzteres wäre vielleicht nicht so gut. Die sture Katze und ein noch sturerer Loki, das wäre keine gute Idee. Oder vielleicht doch besser eine Schlange, oder einen Goldfisch.

Über ihre eigenen Gedanken schmunzelnd, rollte sie sich in der Decke ein und schloss die Augen, dabei lauschte sie den Geräuschen um sie herum. Irgendwann vernahm sie Schritte in der Dunkelheit, anscheinend war Loki in das Zimmer gekommen und unwillkürlich musste sie Lächeln. Das Geräusch wurde lauter, bis sie schließlich erahnen konnte, dass er neben ihr stehen musste. Kurz darauf senkte sich das Bett.

          

„Liebes" flüsterte eine Stimme. Harley riss die Augen auf und setzte sich kerzengerade hin. Das war die Stimme von Frigga!

Ein Laut des Schreckens verließ ihre Kehle.

„Scht, es ist alles gut mein Kind" beschwichtigte die Stimme.

„Was geht hier vor?!" wollte sie Wissen und tastete nach einem Lichtschalter. Die Kleine Nachttischlampe flackerte kurz auf, ehe sie ihr Licht gleichmäßig im Raum verteilte. Ihr Gehör hatte ihr keinen Streich gespielt, Frigga saß direkt neben ihr und blickte sie liebevoll an. Das Entsetzen breitete sich schlagartig aus und sie hatte kurz das Gefühl den Verstand zu verlieren.

„Ich dachte du wärst..." begann sie, ließ aber den Rest unausgesprochen. Bedacht schüttelte die Königin den Kopf.

„Die Nilgram haben uns eine Falle gestellt. Sie haben uns verbannt, nicht getötet." erklärte sie.

„Wie kannst du dann hier sein und was ist mit den Leichen?"

Frigga winkte mit einer kleinen Geste ab.

„Das ist jetzt nicht wichtig, ich habe nicht viel Zeit. Wichtig ist, dass ihr sie aufhaltet. Harley..." die Königin sah sie streng an, „Du hast eine Aufgabe zu erfüllen, deine Aufgabe, die nicht einfach wird."

Aufmerksam lauschte sie ihr. Was auch immer diese Aufgabe sein würde, Harley würde es versuchen. Sie würde alles darum geben, diesen Fluch zu brechen und endlich wieder Frieden zu finden! Die Nilgram hatten genug Chaos angerichtet, wenn es eine Möglichkeit gab um sie zu stoppen, dann würde sie es auch tun.

„Alles" gab sie knapp zurück.

„Du muss deinen Vater aufsuchen."

„Außer das!"

Frigga legte den Kopf schief.

„Nein!" Harley richtete sich weiter auf. „Nichts bringt mich dazu, zu ihm zu gehen. Es muss einen anderen Weg geben!" protestierte sie.

Traurig lächelte die Göttin und schüttelte den Kopf. Ein Warmes, Lächeln legte sich auf ihre Lippen, ehe sie sich einfach vor ihren Augen auflöste und komplett verschwand.

Perplex saß sie da und starrte an den Platz wo sie zuvor noch gesessen hatte. Langsam kamen Zweifel auf ob dieses Erlebnis gerade real war. Wie zum Teufel kam sie auf ihren Vater? Was sollte er mit dieser ganzen Sache zu tun haben? Es lag in ihrem Sinn, diesen Menschen aus ihrem Leben zu streichen. Mehrere Jahre hatte sie den Teil ihrer Vergangenheit erfolgreich verbannt, daran würde sie nun auch nichts mehr ändern. Dieses Leben hatte sie sich selbst erarbeitet, sie hatte nie einen Vater gebraucht und das würde sie heute nicht ändern! Wütend schüttelte sie den Kopf. Nichts würde sie dazu bringen ihren Vater in diese Situation zu ziehen, und schon gar nicht in ihr Leben.

Die Tür ging auf und Loki spähte in das Zimmer. Besorgt und verwirrt sah er sie an, als er sie genau betrachtete, baute er sich alarmiert vor ihr auf.

„Was ist passiert?" fragte er.

Prüfend sah sie an sich herab. Ihre Hände hatten sich in die Decke gekrallt, ihre Schultern waren nach oben gezogen und vermutlich hatte sie sämtliche Farbe aus dem Gesicht verlassen. Harley sah aus, als wäre sie gerade einem Geist begegnet, was gar nicht so abwegig war. Kurz kam ihr in den Sinn ihn anzulügen, ihm zu sagen, sie hätte nur schmerzen. Es wäre eine plausible Erklärung, aber sie konnte es nicht.

„Frigga und Odin sind nicht tot" presste sie hervor und versuchte sich zu entspannen. Loki sah sie einen Moment zweifelnd an, drehte sich kurz herum um die Tür zu schließen und kam dann auf sie zu.

„Was?"

„Frigga war hier. Oder besser gesagt eine Projektion von ihr." versuchte sie zu erklären, aber Loki verstand sie scheinbar, denn er fragte:

„Was hat sie gesagt?"

Natürlich musste diese Frage kommen und am liebsten hätte sie es verschwiegen. Sie wollte diesem Mann nicht noch mehr Raum für seinen Spuk geben, den hatte er schon zu genüge gehabt. Er war ihr ganz persönlicher Poltergeist, der sie in manchen Nächten besuchte und mit glühenden Dolchen traktierte. So fühlte es sich zumindest an.

„Ich soll meinen Vater suchen." Ihr Kiefer presste sich so stark zusammen, dass es Schmerzte. Sie bereute ihre Worte augenblicklich.

„Deinen Vater?" wiederholte Loki verwirrt, „Der Geschäftsmann?"

„Ja."

„Was sollte er mit der ganzen Sache zu tun haben?"

Ahnungslos zuckte sie mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht."

„Was sagt dir dein Gefühl?"

Harley schnaufte laut aus und schüttelte den Kopf. Alleine nur der Gedanke ihren Vater zu treffen, trieb ihr die Übelkeit in den Magen. Wenn sie an ihn dachte, sah sie ebenfalls ihre Mutter. Sie hatte ihn erst nach ihrem Verschwinden verlassen und auch wenn sie stets eine perfekte Maske aufgesetzt hatte, am Abend, wenn alle Lichter gedämmt waren und sie sich alleine fühlte, weinte sie. Am Tag war sie die perfekte Ehe- und Hausfrau gewesen, doch blickte man hinter die Fassade, konnte man den Schmerz und das Leid klar erkennen. Ihr Vater hatte nicht sehr viel übrig für Gefühle. Sie konnte sich nicht erinnern, dass er je „Ich liebe dich" zu ihr gesagt hatte. Als Vorstandsvorsitzender von einem Business, was sie nicht verstand, musste man anscheinend so sein. Dazu zählte auch der Alkohol. Harley wurde nie geschlagen, sie hatte keine traumatischen Erlebnisse die sie heulend ihrer nicht existierenden, besten Freundin erzählen konnte. Es war einfach seine Erscheinung, alleine nur deshalb, hasste sie ihn. Der Blick von oben herab, keine Reue, keine Skrupel. Als wäre sie nichts wert und hätte sein ganzes Leben zerstört. Sie hatte das Gefühl, alles üble dieser Welt zu verkörpern, wenn er sie ansah.

„Ich will ihn nicht sehen." sagte sie kühl.

„Okay."

Okay? Irritiert sah sie ihn an. Das war es?

„Willst du mich nicht überreden? Es wäre unsere einzige Chance." fragte sie verblüfft.

„Ich werde dich zu gar nichts zwingen Harley. Das ist alleine deine Entscheidung."

Wirklich geschickt.

„Ich kann nicht..." stammelte sie und begann die Decke zwischen ihren Händen zu kneten.

„Dann fahren wir nicht. Wir finden einen anderen Weg."

Sie erinnerte sich an das Kopfschütteln von Frigga. Im Nachhinein wirkte es so Hoffnungslos, als ob die letzte Chance die sie hatten, die Stellung ihrer Vergangenheit war. Hin und hergerissen sackte sie zusammen. War sie wirklich so egoistisch? Sie musste sich nur einen Mann stellen um eine Hand voll Menschen (und Götter) eventuell retten zu können. Davis O'Melly könnte der Hinweis sein, den sie brauchten. Es wäre einfach nicht richtig, es nicht wenigstens zu versuchen. Wenn es zu viel war, konnte sie noch immer verschwinden, wie sie es damals getan hatte. Dieser Mann hatte keinerlei Macht über sie, nicht mehr.

„Wann fahren wir los?" fragte Loki und sah sie verschmitzt an. Manchmal hasste sie es, wie gut er sie lesen konnte.

Feuerteufel (Loki FF)Where stories live. Discover now