Und plötzlich passierte es. Ein Hydrant, der direkt neben uns am Strassenrand stand, explodierte und überschüttete meine lachenden und feixenden Mitschüler mit Wasser.

Laureen schrie auf und pfefferte den Stift und mein Zeugnis zu Boden, wo sie vom Wasser davongeschwemmt wurden. „Du bist so ein verdammter Freak, Adrienne!", brüllte sie mich an. „Dafür bezahlst du, das schwör ich dir! Kommt Leute, wir gehen."

Mir abschätzige Blicke zuwerfend, verzog sich die Bande und liess mich in einer immer grösser werdenden Pfütze zurück. Unglücklich blickte ich auf diesen See hinab, der meine Hose, meine Schuhe, meine Schultasche, meine Schulbücher, mein Etui und mein Zeugnis aufweichte. Wie sollte ich das alles nur meiner Mutter erklären.

Eine Hand schob sich in mein Sichtfeld. „Komm, ich helf' dir auf." Es war meine beste und einzige Freundin Joanne, die vor mir stand. Gemeinsam sammelten wir meine triefenden Schulsachen ein und stopften sie in die genauso nasse Tasche, bevor wir uns gemeinsam auf den Heimweg machten.

„Du musst einfach daran denken, dass das jetzt das allerletzte Mal war, dass sie dich gequält haben, Adrienne", versuchte Joanne mich aufzuheitern. Aber es funktionierte nicht wirklich.

„Und was, wenn meine Ma mich auf die gleiche Schule schickt wie diese Idioten?", grummelte ich.

„Wird sie nicht", sagte Joanne bestimmt. „Laureen und Jasmin werden nämlich auf die gleiche Schule gehen wie ich und deine Ma hat gesagt, dass sie dich nicht dorthin schicken wird."

Ich seufzte. Joanne war der einzige Grund, weshalb ich die Grundschule vermissen würde, denn im nächsten Schuljahr würde ich nicht mehr mit Joanne in einer Klasse sein. Wir wohnten beide in derselben Strasse und waren beide etwa zur gleichen Zeit hergezogen. Als die beiden Neuen in der Klasse, hatten wir uns sofort angefreundet. Aber während Ma und ich schon immer in London gelebt hatten, kam Joanne aus Oxford und dort würde sie nach den Sommerferien auch eine Privatschule besuchen, während ich ... Ach, ich hatte keine Ahnung, wo ich nach den Ferien zur Schule gehen würde. Ich wusste nur, dass Ma mich nicht nach Oxford schicken würde.

«Was hast du nachher vor?», fragte Joanne. «Hast du wieder sturmfrei?»

Ich nickte betrübt. Meine Ma war so gut wie nie zu Hause. Sie arbeitete von früh morgens bis spät in die Nacht als Bankangestellte in der City. Ich fragte mich, was es in einer Bank denn nur alles zu tun gab, dass sie immer so lange arbeiteten musste, aber wahrscheinlich wollte sie sich einfach nur so wenig wie möglich mit mir befassen müssen. Heute war ich ausnahmsweise ganz dankbar dafür. Es war zu hoffen, dass ich Laureens Vergehen an meinen Schulsachen und meinem Zeugnis noch irgendwie beheben konnte, bevor Ma nach Hause kam.

«Wenn du Lust hast, kannst du zu uns rüberkommen. Wir sind zwar gerade beim Packen, aber meine Eltern haben sicher nichts dagegen, dass du zum Tee kommst», bot Joanne an. «Es ist schliesslich unser letzter gemeinsamer Tag bis in einem Jahr.»

«Ja klar, ich komme.»

Wir waren beide nicht gerade froh gestimmt, als wir in unsere jeweilige Auffahrt einbogen, und das obwohl gerade die Ferien begonnen hatten. Joanne würde bereits morgen nach Oxford fahren, weil ihre Eltern sie für eine Summer-School angemeldet hatten, damit sie sich zu Schuljahrsbeginn bereits auskannte und gut vorbereitet war. Aber ein ganzes Jahr bis man seine beste und einzige Freundin wiedersah, war eine verdammt lange Zeit.

*

Am nächsten Morgen stand ich in aller Herrgottsfrühe auf, um mich von Joanne zu verabschieden. Als ich zurück ins Haus kam, sass zu meiner Überraschung meine Ma am Küchentisch und bestrich zwei Brotstücke dick mit Butter und Nutella.

Unausgesprochene Geheimnisse - Adrienne Seanorth (HP FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt