»Aber nein, Frau von Rotenfels, es ist charmant, wie aufrichtig Ihr seid«, log Dag so unenthusiastisch, dass es mich niemals hätte täuschen können. »Außerdem müsst Ihr gewiss nicht neidisch auf mich sein. Ich bin wohlhabend geboren worden, nicht annähernd reich, und stünde ohne eine große Hilfe, die ich damals gehabt habe, und eine ebenso große Last, welche ich bisweilen immer noch zu tragen habe, nicht da, wo ich heute bin.«

Ich hob einen Mundwinkel zu einem Schmunzeln. »Ihr sprecht in Rätseln, Herr Graf.«

»Ich möchte Euch nicht mit düsteren Details belasten, die sich einer jungen Dame nicht ziemen.«

»Dann werde ich nicht weiter darauf pochen und danke für Eure Umsicht.«

»Eine Selbstverständlichkeit.« Wieder dieses kalkulierte Lächeln. »Habt Ihr Euch zur Genüge umgesehen?«

Ich bejahte, woraufhin er die Frage auch an Celeste und Marianna richtete, die meiner kurzen Unterhaltung mit dem Grafen augenscheinlich gelauscht hatten. Die beiden stimmten ebenfalls zu, dass es an der Zeit war zurück zur Feier zu gehen und so machten wir uns auf den Rückweg.

Während Marianna den Grafen wieder für sich in Beschlag nahm, blieb ich mit Celeste einige Schritte zurück.

»Du hast ein wirkliches großes Selbstbewusstsein, so entspannt mit dem Grafen zu reden«, raunte sie mir zu. »Wo hast du das gelernt?«

In frühesten Kinderschuhen, wäre wohl die angemessene Antwort gewesen, doch im Gegensatz zu Dag wollte ich niemanden mit rätselhaften Antworten hinhalten.

»Ich schätze, so bin ich einfach«, sagte ich deswegen.

»Aha«, machte Celeste nur und ich bekam den Eindruck, dass meine Antwort ebenso gewollt mysteriös geklungen haben mochte, wie ich hatte vermeiden wollen. Sie fragte allerdings nicht weiter nach und wir gingen schweigend nebeneinander her.

So hatte ich die Gelegenheit, darüber zu spekulieren, was Dag gemeint haben mochte. Er wirkte nicht wie jemand, der andeutete, eine tragische Vergangenheit zu haben, um eventuelles Mitleid zu erhaschen. Eher war er jemand, der kurze Antworten gab, die sich im Rahmen der Etikette hielten, doch niemals bemüht, höflicher zu sein, als sie mussten. Er musste mir die Wahrheit gesagt haben, als er von großer Hilfe und großer Last gesprochen hatte. Doch was meinte er damit?

Mit Hilfe hatte er vermutlich zu der Person referiert, die den Zauber auf den Schatz gelegt hatte. Aber was war die Last? Ein mächtiger Zauber schützte all sein Gold, sodass er sich um nichts sorgen musste. Und... Ich unterbrach meinen eigenen Gedankengang. Ich hatte den Zauber eben nicht gespürt, aber trotzdem war ein Effekt dessen aufgetreten. In direkter Gegenwart des Grafen hatte ich kein einziges Mal konkret über den Schatz geschweige denn das Gold nachgedacht. Es war immer nur der Zauber gewesen, der mir in den Sinn gekommen war. Das musste etwas bedeuten.

Eine große Last, die er auf sich genommen hatte. Könnte es sein, dass er mit dem Zauber verbunden war? Dass er ihn nährte? Oder war es etwas vollkommen anderes? Ich brauchte Myrdin. Unbedingt. Aber er war zu Hause in Silberburg und selbst wenn ich es unbemerkt bis zum Stadttor schaffte, würde ich spätestens an diesem aufgegriffen werden. Wir waren auf uns allein gestellt. Ich musste unbedingt mit Ren darüber reden.

Als wir das Herrenhaus betraten, entschuldigte ich mich augenblicklich, um das Zimmer aufzusuchen, in dem die Männer Karten spielten. Dag schien es nicht zu kümmern, dass ich seine Gesellschaft so urplötzlich verließ, eher war er froh, sich anderen Gästen widmen zu können. Marianna und Celeste schienen verwirrt, hielten mich aber auch nicht auf und so eilte ich mit großen Schritten über die immer noch leere Tanzfläche.

Das Kartenspielzimmer schien ein umfunktionierter Salon zu sein, in dem vier große Tische aufgestellt waren. An einem davon erspähte ich augenblicklich Ren, bevor ich auch nur eine einzige andere Person erkannte. Ich ging zum Tisch, stellte mich hinter Ren und legte meine Hände auf seine Schulter. Ich konnte nicht sagen, wann er mich bemerkt hatte, doch da er nicht auch nur ein kleines bisschen zuckte, musste er gewusst haben, dass ich da war. Ich beugte mich leicht vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Wir müssen reden.«

Ren wandte sein Gesicht halb zu mir. »Nur noch diese Runde. Ich gewinne gerade.«

Er grinste in Richtung des Kartengebers, den ich erst jetzt wahrnahm. Es war Vic, der so tat als würde er weder mich noch Rens großspuriges Verhalte bemerken. Mit beinahe desinteressierter Miene teilte er jedem Spieler eine weitere Karte aus. Ren nahm seine auf und hielt sie so, dass ich sie sehen konnte. Es war ein Herz Ass. Es war außerdem die fünfte und letzte Kartenrunde, die verteilt worden war und die drei verbliebenen der insgesamt sieben Spieler am Tisch deckten ihre Karten auf. Ren hatte eine komplette Reihe aus Herzkarten von der 10 bis zum Ass.

»Ich schätze damit ist mein Glück für heute aufgebraucht«, verkündete er. »Mein Geld hole ich mir nachher, wenn es genehm ist.«

Damit stand er auf, bot mir seinen Arm an und wir machten uns auf den Weg in Richtung Ballsaal.

»Ist es nicht etwas auffällig, wenn Vic dich so haushoch gewinnen lässt?«, raunte ich ihm zu.

»Davor habe ich mehrfach verloren«, erwiderte Ren. »Vic übertreibt es nie mit glücklichen Zufällen. Aber musst du dir nicht eher Sorgen machen, nicht zu sehr aufzufallen? Hast du gemerkt, wie die anderen die Luft angehalten haben, weil eine Frau es gewagt hat, sich in ihr Spiel einzumischen.«

Ich hob die Augenbrauen. »Halten sie mich nicht ohnehin schon für eine Landpomeranze?«

»Da hast du recht«, erwiderte Ren grinsend. »Also, wir müssenreden?«

»Ja, aber wir sollten uns einen ruhigen Ort dafür suchen.«

»Das sollte in diesem riesigen Haus kein Problem sein«, sagte Ren, als wir in den Ballsaal traten.

Dort stand allerdings Dag in der Mitter der Tanzfläche und erhob gerade seine Stimme. »Liebe Gäste, der Abend wird mitnichten jünger. Deswegen erkläre ich hiermit die Tanzfläche für eröffnet.« Er machte eine ausholende Geste mit den Armen bevor er noch hinzufügte: »Und kommt ja nicht auf die Idee Euch davonzustehlen, weil ihr denkt, Ihr könntet nicht tanzen. Meine Pflicht als Gastgeber ist es, den Wein bereitzustellen, Eure ist es, Euch zu amüsieren.«

Ren und ich blieben stehen und sahen uns an.

»Ein oder zwei Lieder Zeit haben wir, oder?«, fragte er.

»Keine Sorge«, erwiderte ich. »So schnell vergesse ich nicht, was ich zu sagen habe.«

»Schade«, meinte Ren und nahm meine Hand, um mich auf die Tanzfläche zu geleiten. »Ich hatte schon Hoffnung, du hättest das Gold gesehen.«

Nach diesen Worten spielte die Musik auf und bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte Ren seine Hand an meine Hüfte gelegt, ich meine auf seine Schulter und seinen Rücken und wir begannen zu tanzen.

Von einer Prinzessin, die auszog, um Heldin zu werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt