Unerwarteter Besuch

Beginne am Anfang
                                    

Einig Zeit später lief Lyrann einen Korridor entlang, in Richtung ihres Zimmers. Sie hatte Varda versorgt und überlegte nun, was sie den restlichen Tag über tun sollte. Als sie sich einer Kreuzung näherte, hörte sie eine aufgebrachte Stimme. „Was soll das heißen, sie kommt morgen?" Das war eine Frauenstimme. Und sie kam Lyrann vage bekannt vor. Doch sie beschloss nicht zu lauschen. Sie würde einfach an den Streitenden vorbei gehen. Da jedoch erklang eine weitere Stimme, Kilis Stimme. „Ich möchte, dass ihr einander kennen lernt. Bitte, Mutter...." Nun hielt Lyrann doch an. Auf leisen Sohlen ging sie bis zur Kreuzung und spitzte die Ohren. Um was ging es da?

„Ich verstehe nicht, warum für mich die Notwendigkeit besteht, irgendeine beliebige Elbin kennen zu lernen.", knurrte Dis wütend. „Sie ist nicht irgendeine Elbin, Mutter! Ihr Name ist Tauriel! Und sie bedeutet mir sehr viel!", erwiderte Kili jetzt ebenfalls aufgebracht. „Wie bitte? Sie bedeutet dir sehr viel? Was willst du mir damit sagen, junger Mann?" Für einen Moment herrschte Stille. Dann erklang Kilis Stimme, mit einem Hauch von Stolz und Trotz darin. „Ich liebe sie, Mutter!" Dis stöhnte. „Kaum seid ihr mal eine Zeitlang unterwegs, dreht ihr alle durch! Du liebst sie! Pffh!" „Lach nicht!", rief Kili wütend. Doch Dis redete weiter. „Du kannst sie nicht lieben, Kili! Sie ist eine Elbin! Vielleicht bist du in deinem jugendlichen Alter noch schnell von so etwas exotischem fasziniert, aber das legt sich wieder. Nein....Irgendwann, wenn du etwas reifer bist, wirst du eine gescheite, bodenständige Zwergin heiraten. So, wie es sich gehört!"

„Und was ist mit Onkel Thorin?", fragte Kili lauernd, „Er liebt doch auch eine Elbin!" Dis erwiderte: „Erstens ist Lyrann eine Halbelbin, sie ist immerhin von unserem Blut. Und zweitens, junger Mann, hat dein Onkel sich ja scheinbar von seinen ursprünglichen Wünschen distanziert, was diese Liebschaft angeht." Wieder schwiegen beide. Lyrann senkte traurig den Blick. Diese Liebschaft.... War das alles gewesen? War es wirklich nur eine flüchtige Liebelei zwischen ihnen gewesen? Doch Dis redete schon weiter. „Wenn sie morgen schon kommt, weil du ihr geschrieben hast, ohne mich um Erlaubnis zu fragen, werde ich sie wohl oder übel empfangen müssen. Aber gutheißen tue ich es deswegen noch lange nicht!" Doch auch Kili war noch nicht fertig. „Ich werde an Tauriels Seite bleiben, egal wer alles etwas dagegen hat, Mutter! Ich liebe sie! Und ich werde sie nicht so wegwerfen, wie Thorin es mit Lyrann getan hat!"

Lyrann wandte sich ab. Sie hatte genug gehört. Sollten die beiden weiter streiten, sie wollte nichts mehr hören. Wenn die beiden weiter über sie und Thorin redeten, riss das nur noch gerade langsam verheilende Wunden auf. Also würde sie einen Umweg auf ihr Zimmer nehmen.

Ganz in Gedanken versunken, trottete Lyrann durch die Gänge. Ihre empfindliche Laune sank wieder auf einen Tiefpunkt hinab. Grüblerisch sah sie zu Boden. Ihre Gedanken kreisten um Kili und Tauriel. Sie hatte geahnt, dass beide mehr als Freundschaft füreinander empfanden. Aber ein derartig flammendes Liebesgeständnis hatte sie noch nie aus Kilis Mund gehört. Würde Dis einlenken, oder würde Kili seine Drohung wahr machen, sich über alle hinweg zu setzen? Es tat gut, über so etwas nachzudenken. So lenkte es sie von den Gedanken an Thorin ab.

Sie bog um eine Ecke und hob den Blick. Da stand er.... Nur wenige Meter vor ihr, stand Thorin, den Rücken ihr zugewandt. Doch sie erkannte ihn sofort. Sein schwarzes Haar floss über seine Schultern. Der schwere Mantel hing bis auf den Boden hinab. Lyranns Herz begann zu rasen. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie wollte sofort umkehren, aber dann würde sie an Dis und Kili vorbei kommen.... Der König stand mit Dwalin und einem Ratsmitglied zusammen, das hektisch auf ihn einredete.

Wie fest gefroren stand Lyrann da und versuchte, ihre Miene wieder unter Kontrolle zu bringen. Was jetzt? Da drehte Dwalin den Kopf und erblickte sie. Für einen Moment sah der Krieger sie mit einem freundlichen Lächeln an. Da bemerkten die anderen beiden, dass er abgelenkt worden war und drehten sich um. Das Gesicht des Ratsmitgliedes verzog sich in Missfallen. Doch Lyranns Blick haftete auf Thorin. Seine wunderschönen Augen bohrten sich in sie. Wieder einmal fiel ihr auf, wie gut aussehend er war.... Sein Anblick tat unglaublich weh. Sie wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen und gleichzeitig würde sie ihn so gerne anschreien, wie weh er ihr getan hatte.

BastardkindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt