„Was denkst du denn?! Sie sterben vor Angst in ihren Simulationen. Irgendwie müssen wir sie schließlich ruhig bekommen.", erzählt er freudig, „Aber ich verspreche dir, dass dir und deinen Freunden nichts passiert. Ihr werdet sicher mit uns leben. Es ist nur für die Leute in der Stadt gedacht. Bis jetzt hält der Frieden. Und was denkst du, dass es immer so sein wird, wenn wir nichts unternehmen, um es aufrecht zu erhalten? Natürlich nicht und dafür sind wir da."

„Du meinst das ernst. Bitte sag mir, das den Unschuldigen nie etwas passiert.", flehe ich, ehe ich mich auf die Liege setzte.

„Natürlich. Ehrenwort. Als erstes testen wir deine eigentliche Angstlandschaft. Ein Ablauf aller deiner Ängste.", verspricht er, während er eine der Spritzen aus dem Schrank nimmt und zu mir geht.

„Viel Erfolg, Lucinda.", spricht er noch, bevor die Spritze sich durch meinen Hals in meine Adern stößt und sie, der flüssige Tod, sich in meinem Blutkreislauf verteilt.

Ich sitze auf einem einfachen Holzstuhl, wie es ihn bei den Amite gibt. Es ist dunkel und kühl, bis uhrplötzlich ein heller Lichtstrahl über mir erscheint und direkt in meine Augen strahlt. Als ich versuche das Licht abzuhalten, spüre ich, wie fesseln um meine Hände gebunden sind. Allmehlig wird der ganze Raum erhellt und ich sehe eine dunkle Gestalt in der Ecke, sie schließt gerade eine Tür ab. Der Schlüssel baumelt lose in seiner Hand herum, bis er ihn unerwarteter weise in den Mund steckt und herunterschluckt. Ich schaue ihn verwirrt an und erkenne, dass es Caleb ist, obwohl er viel älter wirkt. Aber trotzdem ist es er. Mit jeder Sekunde kommt er näher und als ich genauer hinschaue, erspähe ich einen Gürtel in seiner Hand. Es ist wie damals.

 Als er direkt vor mir steht holt er mit dem Gürtel aus und setzt zum Schlag an. Ich spüre das raue Leder auf meiner Haut, wie es unsichtbare Wunden in mich hineinfrisst. Erneut schlägt er zu, mit jedem Mal fester. Das Ziehen und der Schmerz werden immer schlimmer, doch ich kann nichts machen, nur den Schmerz ertragen.

Das ist nur eine Simulation. Das ist nicht real. Ich spüre, wie der Druck an meinem Handgelenk schwächer wird und ich sie schließlich wieder bewegen kann. Schlagartig fließt das Blut in meine Venen, ich fühle die Kraft in mir aufsteigen. Mit jeder Sekunde werde ich kraftvoller bis ich zurückschlage. Caleb taumelt einige Schritte zurück, holt erneut aus und trifft mein Gesicht. Ich spüre, wie das ziehen sich quer über mein Gesicht zieht und mein Auge leicht zu bluten anfängt. Ich muss stark sein. Ich werde diesen Kampf gewinnen, auch wenn er nicht real ist. Ich hole wieder aus und treffe direkt in seinen Magen, er fällt schreiend zu Boden. Ich trete erneut auf ihn ein, immer weiter, bis plötzlich kein Widerstand mehr herrscht — Er ist weg.

Ich schaue um mich, alles verschwindet, der Stuhl, das Licht, die Dunkelheit. Meine Augen schließen sich sachte.

Langsam spüre ich, wie mein Atem schneller wird und frische Luft meine Lungen füllt. Es riecht nach frischen Äpfeln, wie damals. Ein leichtes Lächeln ziert mein Gesicht. Lauter schöne Erinnerungen laufen vor meinem geistigen Auge ab.

Als plötzlich ein qualvoller Schrei ertönt. Ich reiße schlagartig meine Augen auf und erblicke ein brennendes Feld. Alle Bäume werden zu Asche, nur mein Baum bleibt unversehrt. Wie ein Schild legt sich etwas um ihn. Doch als ich genauer hinsehe, erblicke ich Menschen, die qualvoll brennen. Ihre Kleidung ist bereits verbrannt, sie stehen nackt vor mir und greifen nach mir, doch sie erreichen mich nicht. Ich versuche ihnen zu helfen, doch mein Arm ist nicht lang genug, um sie hinaufzuziehen. Wenn ich mich weiter nach vorne lehnen würde, dann würde ich es vielleicht schaffen. Aber kann ich das Risiko eingehen? Sie sterben so oder so. Das sind nur Simulationen, sie sterben nicht wirklich. Du musst überleben, lass sie. Ihr Tod ist besiegelt. Ich kann ihnen nicht helfen, stelle ich verzweifelt fest. Das ist vielleicht egoistisch, aber trotzdem. Mein Leben ist mir teuer. Ich habe es schon zu häufig sinnlos geopfert.

Die Bestimmung - Verhängnisvolle LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt