Schlafen. Als Kind hasste ich es zu Schlafen, nun wollte ich einfach meine Augen schließen und die Tage vergehen lassen. Mich in eine Welt aus Träume und Erinnerungen zurückziehen, die mir ein Lächeln auf meine Lippen zaubern würden.
Aber riss ich vor Schock meine Augen auf, als ich ein Geräusch hörte. Es klang wie Glas, dass auf den Boden fiel.
Es war wieder dunkel. Vielleicht war Harlow wieder da, aber hätte sie sicherlich nichts fallengelassen. Sie wirkte nicht wie eine tollpatschige Person, Killian hingegen schon.
Ich zwang mich aus dem Bett, sofort überkam mich ein ziehender Schmerz in meiner Wirbelsäule. Es war, als wollte mich die Schwerkraft zum Grund des Meeresbodens ziehen.
Müde öffnete ich die Tür und sofort kam mir ein schmerzerfülltes Stöhnen entgegen. Besorgt lief ich zur Treppe und schaute vom Geländer nach unten.
Eine Blutspur führte von der Haustür zur Couch, während ich auf dem Beistelltisch haufenweise Verbände und Kompressen sehen konnte.
Mein Atem blieb mir im Hals stecken. Harlow lag verwundet auf der Couch. Mein Blick wanderte zur Bar herüber, Glasscherben lagen überall dortherum. Killian musste ein Glas fallen gelassen haben, als Harlow durch die Tür kam.
Mein Körper trug sich von selbst nach und blieb bei der Couch stehen. "Geht es dir gut?" Wisperte ich. Ein Schauer lief über Killians Rücken, als er meine Stimme hörte, während sich Harlows Augen nur weiteten.
Die beiden schwiegen, sahen einander an und verunsichert mich. Warum antworteten sie mir nicht und warum war hier so viel Blut?
,,Ich bin mir sicher, dass du einen Verband umlegen kannst." Meinte Killian dann doch noch und warf mir die Rolle zu, die ich nur sehr ungeschickt fing. "Ich lass euch dann mal allein."
Harlow war blass im Gesicht, ihre dunkelbraunen Augen stachen umso mehr heraus.
"Was ist passiert?" Fragte ich, als ich das Schließen der Haustür vernahm, bevor ich mich zu ihr auf die Couch setzte. Ein Glück das die Couch rot war, sonst hätte das sicherlich hässlich Flecken gegeben.
Sie rollte mit den Augen, seufzte angestrengt, als wäre sie wütend auf sich selbst gewesen. "Die Informationen von meinen Informanten waren falsch." Aha, deshalb klang sie so. Sie war wütend, dass sie den Informationen glauben geschenkt hatte.
"Wofür brauchst du einen Informanten?" Die Polizei besaß welche, das FBI und die CIA sicherlich auch, aber wofür brauchte eine Auftragskillerin einen?
Ich näherte mich ihrer Wunde an der Taille. Ich wollte den Verband anlegen, aber war die Kompresse, die sie mit viel Druck drauf hielt, komplett durchgeblutet.
"Wir müssen die wechseln." Sagte ich und nahm eine neue. "Ich kann das machen, dass musst du nicht mit ansehen." Aber ich sah nicht weg. Sturköpfing sah ich auf die Wunde herab, während Harlow das nur mit einem kopfschütteln belächeln konnte.
Ich war immer überzeugt davon gewesen, dass ich nie sonderlich empfindlich gegenüber Blut war. Im Kindergarten musste ich ständig das Blut von den Kindern aufwischen, wenn sie beim Laufen über ihre eigenen Füße gefallen waren, aber das...
"Du musst ins Krankenhaus." Auch das belächelte sie, als hätte sie die Antwort schon erwartet. "Killian meinte die Wunde wäre nicht schlimm, auch wenn es eine tiefe Narbe wird und sie sehr viel blutet." Aber ihre Worte besaß nicht den beruhigenden Effekt, auf den sie gehofft hatte.
Sie drückte die neue Kompresse rauf und schnell lehnte ich mich nach vorn, um ihr vernünftig den Verband anzulegen können. Mein Kopf war unter ihrem. Ihre Lippen fast an meiner Stirn, wieder waren nur Zentimeter zwischen uns.
Ihre gesamte Taille war mit Narben überzogen. Manche tief bis in Fleisch, manche nur oberflächlich auf der Haut. Einige riesig, andere so klein, dass man sie für einen einfachen Kratzer halten könnte, der in ein paar Tagen verschwinden würde. Wie sah nur der Rest ihres Körpers aus?
"Ich hab dir deine Frage noch gar nicht beantwortet." Hörte ich sie plötzlich sagen. Schnell lehnte ich mich zurück und sah auf dem Verband. Wenn er sich rotgefärbt hätte, dann hätte ich Harlow gegen ihren Willen noch ins Krankenhaus geschleppt.
"Meine Informanten bestehen aus einen Haufen von Versagern, die ihre Bosse und Kollegen verraten haben, damit ich sie am Leben lasse. Sie geben mir Informationen und ich lasse sie am Leben - ganz zum Unwohlsein meiner Klienten, die diese Männer eigentlich tot sehen wollen."
"Wenn sie dir Informationen für ihr Leben geben, was ist dann schief gelaufen?" Meine Stimme zitterte. Ihre braunen Augen wurden von dunklen Ringen begleiten, die auf ihrer blassen Haut mir entgegen strahlten.
Sie hatte viel Blut verloren, dass konnte selbst Harlow nicht leugnen. Es lag schließlich schon ungemein viel auf dem Boden.
Sie senkte ihren Kopf und rümpfte leicht ihre Nase, als wäre es ihr peinlich. "Sein Boss hatte von unseren kleinen Deal Wind bekommen und sich entschieden mir falsche Informationen zu geben um mich in die Falle zu locken." Kurz grinste sie. "Zwölf Leichen ließ ich zurück, während ich nur mit einer Stichwunde zurückgelassen wurde."
Plötzlich hing ihr Kopf wieder oben und sah selbstbewusst zu mir, als wäre es das leichteste der Welt.
Vielleicht bildete ich mir das ein, aber ich hätte schwören können, dass sie wieder etwas an Farbe gewann.
Aber von unbeschwert wechselt ihr Ausdruck schnell. Harlow sah mich ernst an rückte zu mir. Ihr Körper drängte mich zum Ende der Couch.
"Nun verrate mir," Begann sie und sofort konnte ich ahnen, was sie mich fragen wollte. "Warum hast du den gesamten Tag über nichts gegessen?" Kurz fiel ihr Blick zu den riesigen Fenstern, durch denen es sich so anfühlte, als könnte ich den Mond mit meinen bloßen Händen berühren.
Ich schluckte, wollte ihren Blick meiden, aber als ich auch nur meinen Kopf zu Seite richten wollte, konnte ich ihre Finger unter meinen Kinn spüren. Harlow wollte mich dazu zwingen, dass ich ihr in die Augen sah.
"Ich weiss es nicht." Meine ehrliche Antwort. Ich hatte wirklich keine Ahnung, der bloße Gedanken ans essen wollte mich zum brechen bringen.
Sie rollte unbefriedigt ihre Augen, aber schien ein gewisses Verständnis in ihren Blick zu legen. Sie war selbst an diesen Punkt, dass hatte sie selbst gesagt.
Sie seufzte. "Komm mit." Forderte sie mich auf.