Hinter Henry befand sich ein grosser Raum mit einer Front aus aneinandergereihten, schmalen, hohen Fenstern. Tageslicht durchflutete auch diesen Raum und machte ihn freundlich und heimelig. Vor noch nicht einmal einer Woche hätte Adara nie im Leben daran geglaubt, dass es an Land so schön sein konnte. Sie hätte die aussage unterschrieben, dass es hier nur Fischfressende Unmenschen gab, die Meerjungfrauen in kleine Happen verpackt auf jedem Wochenmarkt verkauften - was zu ihrem Glück ja nicht stimmte. Nein, mit Tom schien sie einen Glückstreffer gelandet zu haben. Dieser brachte sie ans eine Ende eines langen Esstisches, um den noch zwölf weitere Stühle gestellt waren, die jedoch niemand benutzte. "Geht's so?", fragte Tom plötzlich und Adara nickte stumm. Er selbst nahm entgegen all ihren Erwartungen nicht am anderen Tischende platz, sondern zog einen Stuhl zu ihr heran. Sie war es nicht gewohnt, dass man sich an einem herrschaftlichen Tisch wie diesem so nahe zu ihr heran setzte und das verwirrte sie auch irgendwie. Ihr Vater hatte immer am Tischende gesessen und sie und ihre Geschwister meist irgendwo mittendrin, während das Essen auf grossen Platten aufgetragen worden war. Hier allerdings saßen nur sie und Tom, der sie aufmunternd anlächelte. Aber weshalb besass er einen solchen Tisch, wenn er die Tischregeln nicht einhielt? Oder gab es die hier überhaupt nicht? "An was denkst du, Fé?", fragte er nach einer Weile. Henry hatte sich hinter sie gestellt und schien geduldig darauf zu warten, dass man etwas von ihm verlangte. Das verwirrte Adara noch mehr, schliesslich war sie es doch gewohnt, eine solche Sonderbehandlung zu geniessen mit Benimmregeln und Festgelagen und Personal, das ihr ganz und gar zur Verfügung stand, egal wohin sie ging. Und trotzdem fühlte es sich unendlich merkwürdig an, nun ihre alten Gewohnheiten an einem ihr so fremden Ort wiederzufinden. Und zudem hatte Tom ihr doch ausdrücklich gesagt, keinem Adelsgeschlecht anzugehören. Was sollte dann all dies? "Nichts", flüsterte sie und log ihm dabei ins Gesicht. "Es ist sehr schön hier", fügte sie etwas lauter hinzu und benutzte den Moment, um sich von ihm abzuwenden. Aber Tom störte das nicht. Er machte einfach weiter wie gehabt und folgte Araras Blick durch eines der Fenster nach draussen. Dort lagen friedliche, saftig grüne Wiesen und Blumenbeete in allen nur erdenklichen Farben. In einem Jahr hatte sich wirklich überhaupt nichts verändert. Auf einmal ging eine Tür am anderen Ende des Raumes auf und der Geruch frischen Essens strömte zu ihnen herein, noch bevor Giuseppes raumeinnehmende Stimme erklang. "Ciao, mi Amici! Buon giorno, Bon Giorno! Tute mir leide wegen Gesterne, eh. Plötzliche so viele Paparazzi in di Ristorante, kann gute verstehene, dass sind gegangene. Sinde so lästige! Aber Giuseppe iste ehrliche Mensche. Bringt euche Essene zu Hause! Eh?", rief er schon von Weitem und balancierte dabei zwei dampfende Teller in seinen Händen. Adara, die mit dem Rücken zum Italiener sass, drehte sich auf ihrem Stuhl um und stiess dabei beinahe mit Tom zusammen, der ebenfalls zum Neuankömmling herumfuhr. "Der Herr bestand darauf, Ihr Essen persönlich zu liefern und meinte, er habe noch eine Rechnung mit Ihnen offen, Master Thomas", erklärte Henry so zugeknöpft wie immer. "Giuseppe! Wie schön dich zu sehen, mein Freund. Entschuldige, dass wir gestern einfach verschwunden sind, aber du kennst das ja", meinte Tom und stand auf, merkte dann aber, dass er dem Koch noch nicht einmal die Hand schütteln konnte, da dieser ja die zwei grossen Porzellanteller hielt. Giuseppe schnalzte verächtlich mit der Zunge. "Iste nicht deine Schulde, Tommy. Kanne gute verstehene, weisste du. Jetzt setzte dich hin und esse, ist die bestellte Pasta und bestellte iste bestellte und Giuseppe macke dich essene. Basta. Wünschene gute Appetite!" Bei diesen Worten grinste er so breit, dass die weissen Zahnreihen zu beiden Seiten unter seinem grauen Schnauzbart hervortraten und auch Adara ein zwar schüchternes, aber ehrliches Lächeln entlockten. Auch Tom lächelte gutmütig und fasste den Koch freundschaftlich am Arm, als dieser sie serviert hatte. "Danke, alter Freund!", meinte er und Adara erblickte in seinen Augen ein Funkeln, das sie am liebsten niemals wieder hätte verschwinden lassen.
"Iste gut gewesene?", fragte Giuseppe, als er die leeren Teller kaum zwanzig Minuten später wieder abräumte. "Es war köstlich", antwortete Tom auf der Stelle und Fé beeilte sich, beteuernd zu nicken. "Das Beste, das ich bisher...", doch dann brach sie abrupt ab. Schon wieder bemerkte sie ihren Fauxpas zu spät. Sie hätte sich ohrfeigen können. Wenn sie so weitermachte, konnte sie es sich auch auf die Stirn schreiben, dass sie in Wirklichkeit eine Meerjungfrau war. "Das Beste, das ich seit langem gegessen habe, Giuseppe", korrigierte sie sich schliesslich und schenkte dem Italiener ein strahlendes Lächeln, das ihn tatsächlich von ihrer Wortwahl ablenkte. Vielleicht war es aber auch seiner fehlenden Sprachkenntnis zu verdanken, dass er es nicht bemerkt hatte. Jedenfalls strahlte er weiter wie zuvor und machte dabei jedem Seepferdchen Konkurrenz. "Kanne ich euch zu eine Tiramisù verführene?", fragte er kokett und zückte zwei kleine Teller mit einer akkurat angerichteten Nachspeise in abwechselnd weiss und brauner Farbe. Adara besah es sich interessiert, Tom lachte auf. "Du weisst einfach, wie man die Leute verwöhnt", fügte er schmunzelnd hinzu und liess sich einen Löffel reichen. Auch Adara bekam einen Löffel und machte sich wie in Zeitlupe daran, das Tiramisù anzuschneiden. Es war köstlich. Cremig und massig und luftig saftig zugleich, dass es sie dazu veranlasste, die Augen zu schliessen, während die verschiedenen Geschmacksrichtungen in ihrem Mund zu explodieren schienen. "Fé schmeckt es wohl auch ganz gut", hörte sie Tom plötzlich sagen und als sie die Augen wieder öffnete, sah Tom, Giuseppe und Henry, die sie interessiert anschauten und sie errötete leicht, was alle bis auf Henry zum lachen brachte. Henry bedachte sie nur mit dem üblichen, etwas skeptischen und kalten Blick, den sie nicht mochte. "Wie viel schulde ich dir, mein Freund?", fragte Tom plötzlich an Giuseppe gewandt, der sofort abwehrend die Hände hob und lächelte. "Amico, man sprechene nicht über Gelde. Schicke dir Rechnunge, si?", erwiderte er in seiner überschwänglichen Art und nahm dann die leeren Teller mit. "Dann lass mich dich wenigstens bis zur Tür begleiten", bot Tom an und stand ebenfalls auf. Und weil Adara nichts mit sich anzufangen wusste und nicht alleine mit Henry im Raum bleiben wollte, erhob auch sie sie und folgte den beiden Männern, die schon wieder in der Eingangshalle standen. Kaum öffnete Tom jedoch die Haustür für Giuseppe, der vollbeladen und Geschirr und Essensreste balancierend dastand, brauste ein Blitzlichtgewitter über die drei herein, sodass Tom nur noch die Tür zuschlagen konnte. "Verdammt, was soll das schon wieder!", fluchte er und schlug mit der geschlossenen Faust gegen die Massive Tür. Adara machte einen Schritt auf ihn zu und fasste ihn am Arm, hielt ihn davon ab, noch einmal zuzuschlagen. "Nicht, du verletzt dich nur noch selbst", meinte sie beschwichtigend und schaute ihm tief in die Augen. "Wartene, i mackene das!", verkündete Giuseppe auf einmal hinter dem Stapel Geschirr und trat einen Schritte auf die Eingangstür zu. Tom und Fé schauten ihn nur ungläubig an. "Mackene auf die Tür, Tommy!", verlangte er und Tom leistetet seiner Forderung zögerlich folge. "Attenzione! Macke Platze! Mavafanguli di Paparazzi, Vai via! Lasciaci soll!", rief er den Reportern zu, während er sich wie ein Schneepflug souverän einen Weg durch die Massen bahnte. Auch einige Schimpfwörter fielen dabei. Das Blitzlichtgewitter hörte damit jedoch nicht auf. Selbst durch die geschlossene Tür hindurch konnte man drinnen die gerufenen Fragen hören. "Ich habe die Polizei informiert, Master Thomas", teilte Henry ihnen nach einer Weile ruhig mit. "Sehr gut", erwiderte Tom zynisch. "Perfekt. Und schon wieder sind wir belagert wie der Buckingham Palace in Person! Genial!", zischte er und presste seine Stirn gegen das kühle Holz der Tür. Fés Hand ruhte noch immer auf seinem Arm und er macht nicht die leisesten Anstalten, sie von dort zu entfernen. Erst als Henry sich erneut räusperte, hob er den Kopf und gleichzeitig liess Fé ihre Hand sinken. Auch als Tom nach ihr suchte, sie wieder zurückholen wollte, bekam er sie nicht zu fassen. "Master Thomas, noch ein Wort", meinte Henry etwas gedämpfter, so als hätte er keine guten Neuigkeiten zu berichten. Und somit hatte er auch sofort Toms gesamte Aufmerksamkeit, der sich jetzt auch zum Butler umdrehte und ihn verwirrt musterte. "Was ist, Henry?", fragte er besorgt und seine Augenbrauen rutschten gefährlich nahe zusammen. "Habt Ihr schon in die Zeitung geblickt, Master Thomas?", stellte Henry die Gegenfrage und hielt sogleich eine Ausgabe des Tagesblattes in die Höhe. Auf der Titelseite war ein grosses Foto abgedruckt und darauf war keine geringere zu sehen als Fé höchstpersönlich. Tom stöhnte. "Das darf doch alles nicht wahr sein." Fé hingegen wurde bei diesem Anblick schwindlig. Sie bekam auf einmal kaum mehr Luft und trat erschrocken einen Schritt zurück, bis sie die kalte Hausmauer in ihrem Rücken spürte. "Master Thomas, ich weiss, dass Ihr viel von Giuseppe haltet, aber möchtet Ihr die Möglichkeit nicht wenigstens in Betracht ziehen, dass...", fragte er behutsam und sah seinen Arbeitgeber durchdringend an. "Was wollen Sie damit sagen, Henry? Dass Giuseppe uns an die Presse verkauft hat? Niemals. Ich kenne ihn schon viel zu lange", erwiderte Tom trocken und auf eine Art und Weise, die keinen Widerspruch duldete. Henry jedoch gab sein Bestes, um Tom die Sachlage klarzumachen. "Aber wer könnte es sonst gewesen sein? Ich war es nicht, Ihr wart es nicht und eure Freundin...", er machte eine bedeutungsvolle Pause und schaute zu Adara hinüber, die wie ein Häufchen Elend an die Wand gelehnt dastand und überhaupt nichts mehr von diesem Gespräch mitbekam. "Und Fé schon gar nicht, schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Henry", bellte ihn Tom an. "Jawohl, Sir", erwiderte der Butler mit gesenktem Blick. "Und geben Sie das her!", schoss Tom noch nach und entrisse Henry die Zeitung. Von draussen wurde Blaulicht erkennbar und bald ebbten die Blitzlichter ab. "Fé, wie geht es dir?", fragte Tom nach einer Weile, als er sich einigermassen wieder gefangen hatte. "Es tut mir leid, ich wollte mit Sicherheit nicht, dass so etwas passiert, ich... es...", stammelte er, suchte offensichtlich nach den geeigneten Worten, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, doch in seinem Innern herrschte wohl ebenso sehr das Chaos wie auch in Adara. "Ist schon gut", hauchte sie aber nur, doch er überhörte sie. "Das wird jetzt immer so weitergehen. Sie werden uns überallhin folgen und uns bedrängen", schnaubte er und schleuderte das Tagesblatt wütend in eine Ecke. "Komm mit, ich muss weg von hier", raunte er ihr zu und nahm sie an der Hand, so wie man ein kleines Kind mit sich zog, um es nicht aus den Augen zu verlieren. Adara liess es zu.
Er führte sie in den oberen Stock, vorbei an Henry, der die Zeitung wieder aufhob und als sie sein Ziel erreicht hatten, schloss er hinter ihnen die Zimmertür. Erst da realisierte Adara, dass sie sich in einer Art Bibliothek befanden. Regal um Regal, allesamt bis obenhin gefüllt mit Büchern stellten die Wände zu. in der Mitte des Raumes stand ein wuchtiger Tisch aus dunklem Holz. "Entschuldige bitte, dass ich dich gerade so entführt habe, Fé", murmelte Tom, als er um den Schreibtisch herumging und sich in den breiten Lehnstuhl aus schwarzem Leder setzte. "Wo sind wir hier, Tom?", brachte Adara aber nur hervor. "Im Arbeitszimmer meines Vaters. Er war Anwalt. Und ein Liebhaber der geschriebenen Künste", meinte er und tippte mit rasender Geschwindigkeit die Schlagworte "Tom Right" in den Computer. Einen Augenblick später fluchte er leise. "Was ist los?", hakte Fé vorsichtig nach und kam nun ebenfalls um den monumentalen Holztisch herum. Auf dem Bildschirm vor ihnen flackerte ihr Gesicht in allen Grössen und Positionen. "Über einhunderttausend Treffer", keuchte Tom verzweifelt und schlug sich die Hände vors Gesicht. "Ich gratuliere, Fé, du bist jetzt offiziell eine Internet-Berühmtheit", erklärte er und tätschelte ihr resignierend die Schulter. Einen Moment später entschuldigte er sich wieder bei ihr und beteuerte, dass er das alles nicht gewollt hatte.
"Ich weiss das doch, Tom", versicherte sie ihm, wandte ihren Blick jedoch nicht vom Bildschirm des PCs ab. "Nun ja, jetzt kann man sowieso nicht mehr viel daran ändern, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Was können wir jetzt noch tun, ausser warten und Tee trinken?", fragte sie und schien dabei weit weg zu sein mit ihren Gedanken. "Eben nichts", erwiderte Tom trocken und schnaubte verächtlich. "Diese Presseleute sind wie Parasiten. Kaum wirst du einen los, kommen zehn neue dazu. Es ist unerträglich."
Fé wandte sich zu ihm um, schaute ihn eindringlich an und nickte dann ganz langsam. Ihr Blick hatte etwas an sich, das ihn zu bannen vermochte, seine Gedanken ordnete und ihn beruhigte, vor allem das. Er wusste nicht, wie sie es immer wieder schaffte, dass er so ruhig wurde, aber er war ihr dankbar dafür. "Wie kannst du dabei nur so ruhig bleiben?", fragte er sie nach einer halben Ewigkeit, in der sie sich nur angestarrt hatten. "Ich? Ich weiss es nicht. Vielleicht, weil es mich nicht wirklich interessiert, oder weil ich nicht genau weiss, was das alles zu bedeuten hat. Vielleicht aber auch, weil ein Teil in mir drin noch immer das Gefühl hat zu träumen und jeden Moment wieder aufzuwachen, sicher und heil zu Hause", antwortete sie ihm hauchend, biss sich dann aber abrupt auf die Lippen. Schon wieder war es geschehen. Sie sprach in Toms Anwesenheit Dinge aus, die sie sich ansonsten noch nicht einmal selbst zugestanden hätte. Wieso nur passierte ihr das auf einmal? Hatte er ihr irgendein Mittel verabreicht, das sie automatisch und immer die Wahrheit sagen liess, egal, was sie versuchte? Aber die Menschen beherrschten jene Art der Magie gar nicht, wie hätte er da denn anstellen sollen? Ausserdem würde er sie doch niemals hintergehen, er war viel zu lieb dafür. Und erst da bemerkte sie, dass er sie mit hochgezogener Augenbraue musterte. "Und? Was glaubst du? Wer hat uns verraten?", fragte er nach einer Weile. Adara überlegte. "Ich weiss es nicht, Tom. Giuseppe scheint mir viel zu lieb und zu anständig dafür, andererseits hast du selbst gesagt, dass sein Geschäft den Trubel gut vertragen könnte", meinte sie nachdenklich. "Ausserdem ist es schon etwas verdächtig, dass immer dann Paparazzi auftauchen, wenn Giuseppe in der Nähe ist", ergänzte Tom zustimmend. "Aber das eine muss mit dem andern ja nichts zu tun haben", warf Adara dann ein und so zerbrachen sie sich noch lange den Kopf darüber, ob Giuseppe oder Maria oder am Ende vielleicht sogar Henry die Presse informiert hatte. "Warte, hatte nicht einer der Männer im Lokal gemeint, eine ältere Frau hätte ihm dem Tipp gesteckt?", gab Adara schliesslich zu bedenken und Tom nickte abwesend. "Das macht all unsere Theorien zunichte", seufzte er und kratzte sich am Kinn.
"Master Thomas, Miss Fé, Sie können nun wieder herauskommen, sie sind schon lange wieder fort", verkündete eine weniger fröhliche Maria, deren Kopf sie durch den Türspalt steckte. "Wissen wir, danke Maria", entgegnete Tom, ohne den Blick von Fé zu wenden. "Oh, ich sehe, ich störe", meinte Maria sogleich und augenblicklich erschien ihr breites Grinsen wieder i ihrem Gesicht. "Was? Nein!", beteuerten Fé und Tom wie aus einem Mund und starrten die Haushälterin erschrocken an. "Nicht? Wie schade. Ich habe mir nur gedacht, was gibt es wohl für einen anderen Grund für zwei so hübsche, junge Leute wie Sie, sich während Stunden in einen abgeschiedenen Raum zurückzuziehen, wenn nicht...", doch weiter kam sie nicht, denn sofort begannen die beiden, sich rechtfertigen zu wollen, was in einem Durcheinander von Wortsalat endete. "Wir sind nicht... Niemals, er... sie... nein, ich kann... das ist doch... aber jetzt wirklich..."
Maria grinste noch immer schelmisch. "Gut, dann tut es mir leid, gestört zu haben", meinte sie schlussendlich nur und verliess den Raum wieder. Toms und Fés Blicke kreuzten sich kurz, doch beide schauten danach wie von der Tarantel gestochen, schnell in andere Richtungen. Tom räusperte sich vernehmlich. "Hat sie ernsthaft gemeint, dass...", fragte Fé bestürzt und puterrot vor Scham, was Tom jedoch nicht sehen konnte. Zum Glück. "Ich weiss nicht, vielleicht wollte sie uns auch einfach auf den Arm nehmen", erwiderte Tom nicht minder rot als Fé, die es ihrerseits ebenfalls nicht sehen konnte. Zu seinem Glück. "Wir könnten auch runter in den Garten, wenn dir das lieber ist", schlug er schliesslich vor und wandte sich erstmals wieder zu ihr um. "Dort sind wir nicht ganz so allein und es wird bestimmt niemand auf seltsame Gedanken kommen", rechtfertigte er sich noch zusätzlich, aber sie hatte es schon verstanden, war sogar recht froh über den Vorschlag und nickte zustimmend, um Tom endlich zum Schweigen zu bringen. Weshalb meinte er nur, sich ihr gegenüber rechtfertige zu müssen? Reichte es denn nicht, wenn er ihr sagte, was er dachte? Musste er es denn auch noch jedes Mal lang und breit erklären, wenn er mit ihr sprach? Oder lag es einfach daran, dass er so gerne mit ihr sprach, dass er am liebsten alles drei- oder viermal sagen wollte, nur um mit ihr eine einigermassen anständige Konversation zu führen? Sie konnte leider mit ihm nicht gerade über viele Dinge sprechen. Entweder hatte sie nämlich keine Ahnung oder aber er. Ihre Gemeinsamkeiten beschränkten sich auf ein paar wenige Punkte, wie ihr schmerzlich bewusst wurde. Seit wann wünschte sie sich, mehr mit Tom gemein zu haben, als sie ohnehin schon hatten? Und weshalb wollte sie unbedingt mehr über seine Welt erfahren? Wieso verspürte sie diesen unbändigen Drang nach Wissen, nur damit sie mit ihm mithalten konnte? Und fürchtete sie am Ende wohl, dass er sie einfach so ersetzen würde, falls sie sich nicht anpassen konnte? Wenn sie immer ein Fremdkörper blieb? Woher all diese Fragen auf einmal kamen, wusste Adara nicht und am liebsten hätte sie sie auch einfach ganz weit von sich geschoben, damit sie nie wieder hätte an sie denken müssen.