K A P I T E L ❤ 02
3
Erica war noch immer sauer. Sie hielt am Straßenrand, fuhr das Fenster herunter und rief: "Steig ein Mom."
Dass ich neben ihr stand ignorierte sie vollkommen.
"Ich steh im Halteverbot", rief sie hinterher. Sie stand nicht im Halteverbot.
"Nun steig doch kurz aus, Erica!", rief Mutter kopfschüttelnd.
"Passt schon. Schön dass du da warst", sagte ich lediglich und drückte meine Mutter kurz an mich. Erica hatte definitiv kein Interesse mit mir zu sprechen und wenn ich ehrlich war, hatte ich gerade so oder so keine Lust mir ihre übliche Leier anzuhören. Ich öffnete die Beifahrertür, doch Mutter schien kein großes Interesse daran zu haben einzusteigen.
"Ihr könnt euch wenigstens kurz begrüßen!", sagte sie. "Ihr benehmt euch wie undankbare Teenager. Ich dachte diese Zeiten sind vorbei."
"Mutter, ich habs eilig", kam es aus dem Auto zurück.
"Du siehst, sie will mich nicht sprechen", sagte ich nur. Doch Mutter zog nur die Augenbrauen hoch. Ihre Lippen hatte sie zu einer geraden Linie gepresst.
"Hallo Erica, schön das du Mom mitnimmst."
"Hallo Ellis." Erica wich meinem Blick aus und starrte nach vorne.
Ich schnaufte und schaute meine Mutter an. Demonstrativ zuckte ich die Schultern und hob meine Hände an. Dann nickte ich in Richtung Auto. Mutter stieg schweigend ein. Ich hatte nicht einmal Zeit gehabt, die Tür richtig zu schließen, da trat Erica aufs Gaspedal.
"Du versaust alles. Einfach alles!", rief sie mir noch aus dem Fenster zu.
Eine Weile stand ich dort, schaute auf die Rücklichter des Wagens, die sich immer weiter entfernten. Ich fragte mich zum ersten Mal, an welcher Stelle ich etwas anderes hätte tun können. Hatten sie alles Ernstes erwartet, dass ich ihr von der Affäre erzähle?
"Hallo Erica, ja ich rufe nur an, weil ich gerade Sex in meinem Hotelzimmer in Oslo mit Elliot Price hatte. Ich weiß nicht in welche Richtung es sich entwickelt, aber hey, nur dass du bescheid weißt", sagte ich und wand mich von der Straße ab. Was genau hatte sie erwartet? Ich holte meinen Schlüssel hervor und lief auf den Eingang des Wohngebäudes zu. Einen kurzen Moment hielt ich inne. Schaute noch einmal in Richtung Straße. Was war ihr Problem? Es begann mich zu ärgern.
Ich schnaufte, nahm mein Handy aus der hinteren Hosentasche und starrte eine Weile auf den dunklen Bildschirm. Vielleicht konnte mir wer anderes Antworten geben. Dann entsperrte ich es, rief meine Kontakte auf und scrollte hinunter zum Buchstaben W.
Schnaufend rief ich William an.
Ich lehnte mich an die Tür, schloss die Augen und wartete.
Nach dem gefühlt zwanzigsten Piepton ging er ran. Die Hoffnung hatte ich schon aufgegeben. War kurz davor aufzulegen. Mein Herz begann wild zu klopfen. Nervös strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und starrte hinab auf meine Finger.
"Ellis."
Ich ließ mich auf die oberste Stufe nieder. Warum tat ich mir das an?
"William, ich möchte eine ehrliche Antwort von dir", begann ich. "An welcher Stelle hättest du von mir erwartet, dass ich dir erzähle, dass Elliot und ich eine Affäre miteinander haben?"
Gott, das konnte ja heiter werden.
William lachte kurz auf. Dann war es still. Ich starrte auf die Straße hinaus, das Telefon ans Ohr gepresst.
"Du kannst nachvollziehen, dass Elliot und ich das nicht unbedingt öffentlich mitteilen wollten, oder?"
"Warum hast du mir nicht erzählt, dass du gerade jemanden triffst? Du musst mir ja nicht gleich sagen, dass es Jonas Bruder ist, den du vögelst."
"Ich wusste nicht, dass ihr euch kennt, bevor ich ihn auf der Silvesterparty gesehen habe."
"Danach wäre genug Zeit gewesen, mir zu sagen, dass du derzeit anderweitig... bedient bist."
Ich musste mir ein Lachen unterdrücken. "William, du vergisst eins: Ich habe dir niemals Hoffnungen gemacht. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich derzeit kein Interesse habe."
"Das stimmt."
"Warum bist du dann sauer?"
Ich rückte zur Seite, als die ältere Dame aus der 21B mit ihrem Chihuahua an mir vorbei die Stufen hochlief. Einen kurzen Moment blieb der Hund stehen, schnupperte an meinen Sneakern und gab dann ein ohrenbetäubendes Kläffen von sich.
"Nun komm schon, Prinz Willy!"
Ich schloss die Augen. Presste meine Lippen aufeinander. Fragte mich, was zur Hölle ich mir dabei gedacht hatte William anzurufen.
"Wer sagt, dass ich sauer bin?"
Ich zog die Augenbrauen hoch.
"Du bist nicht sauer?"
Ich hörte William laut ausatmen.
"Du hast mir von Anfang an gesagt, dass du dir nur eine Freundschaft vorstellen kannst. Du hast mir nie etwas anderes erzählt. Wir sind dennoch im Bett gelandet. Bereue ich es? Nein, definitiv nicht. Würde ich es nochmal tun, vermutlich schon. Aber jetzt wo ich weiß, dass du und Elliot eine Affäre habt, ist der Zug so oder so abgefahren. Ich habe dir angeboten ein Freund zu sein und das habe ich zu dem Zeitpunkt auch so gemeint. Kratzt es an meinem Ego, dass du mit Price was hast? Ja. Würde ich mir wünschen, ich wäre es anstelle von ihm, vielleicht."
"Ich habe versucht fair zu sein."
"Ich weiß. Was mich an der ganzen Sache eher ärgert, ist dass du mich links liegen lassen hast. Du meldest dich wochenlang nicht. Irgendwann nach drei Wochen schickst du mir eine SMS aus Italien. Du bräuchtest Zeit zum Nachdenken. Worüber? Ich dachte, dass zwischen mir und dir sei geklärt? Wir sind Freunde. Du kommst wieder aus Italien und dein Gesicht ist in allen Klatschzeitungen zu sehen."
Ich fuhr mir durch die Haare. Massierte einen Moment meine Schläfen.
"Hattet ihr je vor, es zu erzählen?"
"Nein."
"Warum nicht?"
"Weil wir keine Beziehung miteinander führen wollten. Es war eine Art Freundschaft mit gewissen Vorzügen. Es hatte niemanden etwas anzugehen."
"Und jetzt?"
"Was jetzt?"
"Was ist es jetzt?"
"Eine offizielle Freundschaft mit Vorzügen."
Williams Lachen erklang auf der anderen Seite der Leitung. Doch klang es anders, als sonst.
"Wir setzten kein Label drauf William. Nenn es wie du willst."
"Was sagt ihr der Presse?"
"Wir sagen der Presse gar nichts."
"Ellis, ich mag dich. Ich mag dich sehr. Ich freu mich, von dir zu hören, auch wenn es mich doch ein wenig ärgert, dass es Elliot ist. So hinter meinem Rücken. Ihr hattet eure Gründe, ich versteh das. Ich weiß nur noch nicht, was ich daraus machen möchte."
"Du hast damals gesagt, du möchtest mein Freund sein. Dann sei mein Freund. Entschuldige, dass ich dich links liegen lassen habe. Ich dachte, ich wäre jetzt die letzte Person, von der du hören willst."
Ich beobachtete wie Pietro am Ende der Straße mit seinem Roller vorfuhr. Wie üblich stellte er ihn neben dem Lokal ab. Dann nahm er seinen Helm ab, fuhr sich durch die Haare und lief auf den Eingang zu.
"Den Abend bei Pietro werde ich nicht vergessen", sagte ich und schmunzelte.
"Den werde ich auch nicht vergessen. Vor allem, das Ende nicht."
"William!"
"Ich brauch ein wenig Zeit, ja?"
Ich stand schweigend von den Stufen auf und lief zum Eingang.
"Nimm dir die Zeit. Bis bald William."
Dann legte ich auf.