𝐂𝐥𝐚𝐢𝐫𝐞 𝐂𝐥𝐞𝐦𝐨𝐧𝐭𝐞
„Oui Monsieur, ist alles gut gelaufen? Wer ist diese Dame neben mir wenn ich fragen darf?", oh nein mit diesem Satz hat er mich höchst persönlich ins Grab befördert.
„Welche Dame?", ertönt seine dunkle Stimme aus dem Lautsprecher.
Plötzlich wird es ganz still. Der Mann neben mir ohne Name starrt mir mit seinem Killerblick in die Seele. Wahrscheinlich ist er auch ein Mörder.
Dieser Gedanke lässt mir einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen. Wenn er ein Mörder ist... könnte er mich jede Sekunde hier und jetzt umbringen.
Will ich sterben? Früher habe ich es mir oft gewünscht zu sterben.
Aber nein, ich lasse mir mein Leben von solch einem Nichtsnutz nicht nehmen. Das habe ich nicht vor.
„ANTWORTE MIR VERDAMMT NOCHMAL, WENN ICH MIR DIR REDE DU BASTARD!",
schreit er jetzt durch den Lautsprecher.
Ich zucke leicht zusammen.
„Ja...ja entschuldigen sie mich, ich sollte meine Witze viel-...vielleicht in anderen Momenten machen.", erklärt er ihm unsicher.
Er lügt. Warum lügt er?
„Okay, das Problem ist entfernt. Jedoch konnten wir die Leiche nicht rechtzeitig wegschaffen, da die Polizei und eine nette junge Dame da zwischen gefunkt haben. Aber sonst ist alles gut gelaufen.", er spielt wohl auf mich an. Ich war wohl wirklich ein bisschen zu nett zu ihm wenn man da drüber nachdenkt.
„Hör verdammt nochmal auf mich anzulügen, denkst du ich bin dumm? Wenn das nochmal passiert endest du so wie Luiza! Schaff das Mädchen von hier weg und komme dann zu dem vereinbarten Treffpunkt.",dann legte er auf.
Stille. Todes Stille.
Ich muss hier weg. Raus aus diesem Auto. Raus aus dieser Stadt. Was dachte ich mir eigentlich bei all dem hier? Dachte ich wirklich ich könnte helfen? Die wahre Liebe finden? Eine Sache kann ich jetzt jedenfalls sagen: heute werde ich sowas von meinen Tot finden, wenn ich hier nicht entkomme.
Auf einen mal biegt der Wagen ab und hält an. Wieder eine dunkle Gasse. Es fühlt sich schon fast so an als gäbe es auf der Welt nur Gassen. Gassen, Gassen, Gassen. Egal wo man hinschaut. Er steigt aus und läuft schnell und aggressiv zu meiner Tür, um mich herauszuzerren.
Es fühlt sich an als wäre ich in einer ganz anderen Simulation. Ich kann mich nicht bewegen. Egal wie sehr ich es versuche, es klappt nicht. Mein Blickfeld ist verschwommen und ich kann kaum etwas erkennen. 'Beweg dich! Bewege dich doch!', schreie ich meinen Körper innerlich laut an. Schließlich bewegt er sich, aber nur nicht so, wich ich es wollte. Er bewegt sich, weil er losgelassen wird. Und ich falle. Ich falle so tief in mich hinein, dass es sich anfühlt als könnte ich nie wieder aufstehen. Mein Körper ist so taub, ich spüre nur einen dumpfen Schmerz an meiner Oberlippe.
Es ist wie ich es gesagt habe: 'Wenn man einmal fällt ist es schwer seine Flügel wieder zu entfalten und hinauf zu fliegen'.
Ich muss meine Flügel entfalten und wieder hinauf fliegen! Ich muss meinen Körper unter Kontrolle kriegen. Also atme ich tief ein und wieder aus. Ich spüre wie sehr mein Herz rast, aber allmählich beruhigt es sich, nachdem ich diese Übung nochmals wiederholte. Ein und wieder aus. Meine Sicht wird langsam wieder klar.
Ich liege auf dem kalten steinharten Boden. Nicht gerade bequem. Mein ganzer Körper schmerzt. Ich spüre wie jemand schweres auf mir drauf liegt. Es ist er. Er umklammert beide meiner Handgelenke und drückt sie jeweils fest neben meinen Kopf auf den Boden. Auch sie schmerzen.
Ich habe das alles nicht verdient. Ich habe es einfach nicht verdient. Ich weiß, wie ich mich wehren kann. Ich habe es lange Zeit gelernt. Trotz der Schmerzen, reiße ich ruckartig und entschlossen meinen Ellenbogen nach innen zu ihm hoch. Und befreie dann meine linke Hand. Mit dieser umgreife ich seinen Hals und er lässt vor Schock meine rechte Hand los. Damit hat er jetzt nicht gerechnet. Mit viel Schwung nehme ich jetzt meine Beine und schupse ihn mit diesen auf seinem gutem Stück positioniert von mir weg.
Triumphierend stehe ich verkrampft vor Schmerz auf, während er nun zusammen gerollt mit beiden Händen schützen zwischen seinen beiden Beinen auf dem Boden liegt. Ich gehe auf ihn zu und er krabbelt von mir, wie eine kleines verängstigtes Baby in die Ecke weg. Mit einem schmerzerfüllten Gesicht drückt er sich an die Wand und zieht sich langsam hoch. Ich komme immer weiter auf ihm zu und bleibe schließlich vor ihm stehen. Ich mustere ihn für etwa zehn Sekunden, warte bis er halbwegs auf den Beinen steht und dann hole ich aus. Ich ziele genau auf den Solarplexus und schlage hartnäckig zu. Er fängt an zu japsen. Sein ganzer Körper krümmt sich und er fällt auf die Knie. Jetzt umfasst er mit beiden Armen seinen Oberkörper, als könnte er den Schmerz dadurch lindern. Das japsen verwandelt sich jetzt in ein Würgen und er übergibt sich mehrmals.
So wie die Frau vorhin kurz bevor sie starb. Auf einem Mal packt mich mal wieder die Realisation und ich merke was ich gerade eigentlich getan habe. Ein zu harter Schlag auf den Solarplexus ist gleich der Tot. Und ich habe sehr stark zugeschlagen.
Ich schaue dem Schauspiel von Leben und Tot weitere paar Sekunden zu, bis er fertig damit war sein inneres aus seinem Körper zu entleeren und sein Körper vor Erschöpfung auf den Boden fällt.
Dabei höre ich, wie sein Kopf laut knackst, als er auf den gepflasterten Untergrund aufprallt. Wenn mein Schlag auf den Solarplexus ihn jetzt nicht getötet hätte, dann auf jeden Fall dieser Aufprall auf den Kopf. Jetzt gibt er nur noch ein leises Wimmern von sich, aber dieses hört auf als Blut aus seinem Mund läuft und seine Augen nur noch starr auf eine Stelle blicken. Sein Körper hat aufgehört sich zu bewegen.
Er ist tot. So schnell zieht das Leben an einem vorbei und wenn man nicht aufpasst, glatt sein eigenes. Fast wäre mir mein Leben weggenommen worden, aber ich habe mich verteidigt. Leben gegen Leben.
Meine Hände und Beine fangen auf einem Mal an zu zittern und mir wird ganz heiß. 'ICH HABE JEMANDEN UMGEBRACHT. ICH!' , schreien meine Gedanken vor sich hin. Immer und immer wieder. Umgebracht. Getötet. Erst jetzt spüre ich, wie nass meine Augen doch sind. Wie meine Tränen laufen. Ich habe von jemandem das Leben beendet. Dabei wollte ich vor kurzem noch jemandem helfen. Doch dabei ist auch sie gestorben.
Man könnte meinen ich bin ein Magnet, der den Tot anzieht.
Erst jetzt packt mich die Panik um meine Zukunft.
Was mache ich denn jetzt bloß! Wie soll ich damit für den Rest meines Lebens leben können?! Vielleicht hätte ich einfach nichts machen sollen, hätte ihn einfach machen lassen sollen. Dann wäre ich jetzt keine Mör-... dieses Wort. Ich will nicht an dieses Wort denken, will es aus meinem Gedächtnis streichen lassen. Will es einfach nie wieder hören.
Ich bin feige. Nicht nur naiv sondern auch noch feige. Was kommt bloß noch alles dazu?
Ich muss einfach hier weg...
'Du verpisst dich immer wenn dir etwas zu anstrengend wird. Feigling.'
Ich kann mich einfach nicht bewegen. Vielleicht will ich es auch nicht, aber ich kann es auch einfach nicht.
Es ertönen wieder Sirenen. Schon das zweite mal an diesem Tag, nur weiß ich jetzt, dass ich nicht wegrennen werde. Ich werde bleiben. Ich habe es einfach nicht verdient jetzt noch zu versuchen so weiterzuleben, wie ich es davor tat. Ich will es auch nicht. Will und kann es einfach nicht.
Ich höre Schritte. Sie werden immer lauter, desto näher sie kommen. Trotzdem bleibe ich einfach wie angewurzelt auf der Stelle stehen.
„Sie schon wieder! Wie sagt man immer so schön:
'Man sieht sich immer zweimal im Leben'. Ich muss sagen, ich hätte nicht gedacht, dass wir uns heute nochmal sehen. Aber dieses Mal haben wir sie wirklich geschnappt, also versuchen sie sich erst gar nicht zu wehren!", ich hörte garnicht richtig was diese Person noch alles sagte, weil ich so in Gedanken versunken war. Aber als er mir die Handschellen anlegte, wusste ich dass ich verhaftet wurde.
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