Kapitel 6
Ein lautes Geräusch, das aus dem hinteren Teil meines Zimmers kam weckte mich. Erschrocken schaute ich auf, versuchte meinen gesamten Körper so schnell wie möglich unter die Bettdecke zu bekommen. Ich hatte bis jetzt ganz gut geschlafen, aber ich hatte etwas sehr verrücktes geträumt, und nun musste ich feststellen, dass ich vergessen hatte mein Fenster zu schließen. Wie blöd! Draußen regnete es so stark, als würde die Welt untergehen. Gut nur, dass ich Regen liebte!
Der Geruch von Kühle, Frische und Regen stieg mir in die Nase, und ich merkte, dass ich mich noch immer unter der Bettdecke versteckte, obwohl keine Gefahr drohte. Ein bisschen ärgerte es mich, warum hatte ich das Fenster nicht zugemacht? Ich schüttelte den Kopf über mich selber, aber es half nichts. Ich stand auf, legte meine Hand auf das Fenster und atmete noch einmal ein.
Dieses Gefühl tat echt gut. Es war so schön unerwartet, einfach mal mitten in der Nacht aufzuwachen, ganz ungeplant vor dem Fenster stehen und sich Gedanken machen um... die Uhrzeit. Ich drehte mich wieder um, sah auf meinen Wecker neben meinem Bett. Die Zeiger leuchteten durch das Dunkel, und ich versuchte circa zu erkennen, was sie anzeigten. 6:00 Uhr. Ich hatte noch eine halbe Stunde, dann musste ich aufstehen.
Seufzend machte ich das Fenster zu, schlurfte zu meinem Bett und kuschelte mich wieder in meine weichen Kissen. In der Hoffnung, noch ein bisschen Schlaf zu finden, presste ich die Augen fest aufeinander und vergrub mein Gesicht in dem Tempel meiner liebsten Träume. Tief atmete ich den Geruch von meinem Bettzeug ein. Der Geruch war mir noch viel lieber als der von Regen. Manchmal, wenn ich in der Schule saß und total müde war, stellte ich mir diesen Geruch vor, und wenn ich das halbwegs gut hinbekam, konnte ich schon fast den weichen Stoff unter meinen Fingern spüren, und wie bequem ich mich in meine Decke wickelte. Ein kleiner privater Ort, an dem ich alleine sein konnte, ein bisschen nachdenken konnte UND schlafen konnte. Sehr wichtig. Mein Schlaf war mir heilig. Ich war zwar nicht so die Langschläferin, ich legte viel mehr Wert wie tief ich schlief oder ob ich gute Träume hatte, aber manchmal schaffte ich es schon länger zu schlafen. Das war zugegebener Maßen auch sehr angenehm.
*****
„Biep, biep...Biep,biep...", dröhnte mein Wecker in voller Lautstärke in mein Ohr. Entnervt haute ich auf ihn drauf, drehte mich um und vergrub meinen Kopf unter allem was mir in die Finger kam. Meinetwegen würde ich in die Schule gehen, mich durchquälen und dann wieder nach Hause kommen, aber AUFSTEHEN?! Es war einfach nur nervig. Natürlich war ich froh, dass ich meinen Wecker hatte, sonst würde meine Mom höchstpersönlich kommen und mich aus dem Bett schmeißen. Da war mir mein Wecker noch lieber. In der Früh waren wir alle mehr so... still.
Wir gafften uns immer zwischen Teetassen und Müsliverpackungen an, keine redete ein Wort, außer einem Stöhnen, Gähnen oder entnervten Grollen gab es keinen Mucks. Manchmal rang sich jemand durch einen guten Morgen zu wünschen. Wenn man dann von so einer begeisterten Mutter aufgeweckt wurde, konnte es sein, dass sie nicht so viel Rücksicht nahm auf Lautstärkegrenze oder Kältegrenze. Laut war mein Wecker auch, aber wenigstens zog er mir nicht die Decke von den Füßen. Ohne meine Decke ging GAR nichts.
„Biep, biep...", ertönte es wieder. Ich hoffte, dass er diesmal ein einziges Mal von alleine aufhörte, aber er blieb standhaft. „Biep, biep.... BIEP, BIEP, BIEP, BIEP!" Ich unterdrückte meine Wut diesmal nicht, brachte ein „Halt doch den megamistiges Maul, du dummer Wecker!", zwischen meinen Zähnen durch, nahm ihn in die Hand und schaltete ihn endgültig aus. Hasserfüllt warfen mein Wecker und ich uns Blicke zu, dann stellte ich ihn kraftvoll und wütend ab und verließ mein Zimmer hoheitsvoll um ins Bad zu gehen.
Beim Frühstück war es nicht anders als sonst. Nur mein Papa musste heute nicht so früh weg und kam deswegen munter und fröhlich nach unten. Wobei ich bemerken muss, mein Papa ist der, der in der Früh noch am meisten Lebenszeichen von sich gibt.
Er strahlte in die Runde, die verschlafen und mit zerknautschten Gesichtern zurückstarrte, und grüßt uns alle mit ermutigender Stimme: „Guten Morgen! NA? Gut geschlafen?" Dann lachte er uns aus, ging in die Küche und holte sich eine Scheibe Brot. Als er sich wieder zu uns umdrehte, war mein Bruder gerade wieder dabei, auf der Küchenbank einzuschlafen, meine Mama schaute Gedankenverloren in ihre Kaffeetasse und ich kaute lustlos auf meinem Honigbrot herum.
Mein Papa lachte wieder und meinte dann: „Also, wenn ich euch so anschaue, dann glaube ich, dass unsere Kinder nach eurer tollen Mutter kommen!" Dabei grinste er wie ein kleiner Bub und hob dann seine Augenbrauen in die Höhe, starrte mich an und machte die nächste Grimasse. Ich schmunzelte und lachte auch ein bisschen, ich geb's zu. Er war ja schon sehr komisch. Halt mein Papi.
Um aus meiner starren-und-nichts-tun-Trance aufzuwachen, zwang ich mich bei meinem Brot weiter zu essen, schob es mir Bissen für Bissen weiter in mich hinein, nur damit ich endlich damit fertig wurde. Als ich das auch war, starrte ich unglücklich meinen Tee an, den ich noch immer nicht angerührt hatte. Mann, essen und trinken in der Früh erforderte einfach zu viel Kraft.
Zurück in meinem Zimmer beschloss ich, heute mal ein bisschen weniger aufwendig in die Schule zu gehen. Ich wollte mir im Moment nicht so wirklich Gedanken darum machen, was ich anziehen wollte. Entschlossen griff ich einfach nach einer Jeans und meinen superbequemen braunen Pullover. Er war einfach so flauschig, und dieses Gefühl brauchte ich eben gerade sehr. Ich schlüpfte hinein, machte mir meinen üblichen Zopf und putzte mir zum Schluss noch einmal die Zähne. Währenddessen versuchte ich mich zu erinnern, welcher Tag heute war, damit ich meine Schultasche richtig packen konnte.
Es war definitiv Donnerstag... oder Mittwoch. Einer von beiden. Supersicher. Fix fertig machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer, auf dem mir Felix begegnete. Missmutig schaute er mich an. „Bad frei?", waren die ersten Wörter die er heute rausbrachte. Ein wirklicher Satz war das ja nicht, eher eine Frage, so kurz gestellt wie nur möglich, um keinen Aufwand betreiben zu müssen. Ich antwortete genauso knapp: „Bad frei.", nickte ich und verschwand in meinem Zimmer.
Ich sah auf meinem Kalender. Mittwoch. Zufrieden mit meiner so früh erbrachten Leistung lächelte ich über mich selbst und stopfte ein Buch nach dem anderen in meinen Rucksack. Ich schaute mich noch ein letztes Mal um, ob ich womöglich meinen Taschenrechner vergessen hatte, oder mein Handy. Ich hatte jedoch alles bei mir, bedeckte meine Lippen noch schnell mit meinem allerliebsten Labello, Honey & Milk, und sauste kurz darauf die Treppen hinunter.
Wie vielleicht bemerkt, liebte ich Honig, verehrte ihn geradezu. Er roch gut, schmeckte gut, war gesund und natürlich. Über das Thema, dass ich >Honig< und >gesund< in einem Satz verwendete, diskutierte ich zwar des Öfteren mit Chloe, aber nichts und niemand konnte mich da umstimmen.
*****
Zehn Minuten vor dem Läuten kam ich vor der Schule an, erspähte meine Gruppe und überquerte den Hof um zu ihnen zu kommen. Überall standen kleine Grüppchen, und ich musste mich durch mehrere mitten durch, da man ihnen einfach nicht mehr ausweichen konnte. Ein paar Typen gafften mich nur doof an und einer versuchte sogar mich einfach nicht durchzulassen.
Das Problem bei dieser miesen Schule: Die Unterstufe war NICHT GETRENNT von der Oberstufe. Das hieß, überall wuselten sich kleine Kinder durch, mit Rucksäcken, die doppelt so groß waren wie sie selber. Wenn man nicht aufpasste, übersah man eines und rannte frontal in eines hinein. Nicht so schlimm für den Größeren, aber für die Kleinen konnte das sehr schmerzhaft sein. Da sprach eigene Erfahrung, ich war auch mal so mini gewesen als ich hier her kam.
So manche Menschen hatten mich um den Haufen gerannt oder mich so kräftig gerempelt dass ich in andere Leute hineinknallte. Jedenfalls hätte ich es viel lieber gehabt, hätten diese Minis eine andere Schule. Leider, und das lässt uns wieder zum Thema bringen ,gab es jetzt nicht NUR mehr Minis. Teilweise waren Zweit- oder Drittklässler um EINIGES größer als ich!
Sehr frustrierend. Und wenn sich dann die kleinen Fieslinge auch noch für besser hielten, sieben Jahre älteren Mädchen hinterher pfiffen und ihnen das Bein stellten, ging mit mir einfach manchmal mein Temperament durch. Der besagte Typ, der sich mir mit einem dämlichen Grinsen vor mich gestellt hatte, um mich aufzuhalten und in seinem Kreis mit seinen Freunden einzuschließen, war aber ein wenig kleiner als ich. Und um vieles jünger.
Ich runzelte meine Stirn und versuchte mich vorbei zu drängen. Als er sich nur in die Richtung bewegte in die ich mich auch bewegte, seufzte ich und versuchte es erst einmal auf nette Weise. „Darf ich, wenn es dir nichts ausmacht, bitte vorbei? Das wäre nett." „Nein", schoss er sofort zurück, nachdem er mich abfällig gemustert hatte. Seine Freunde lachten, da auch sie auf mich aufmerksam geworden waren. Ich nahm meinen rechten Schulterriemen, lagerte mein Gewicht auf das rechte Bein und lächelte ihn zuckersüß an. „Oh, doch!", erwiderte ich und stieß seine Schulter mit meiner Hand nach hinten.
Erstaunt stolperte er einen Schritt nach hinten, und ich versuchte der Situation endlich zu entkommen, aber er fing sich wieder und versuchte sich noch einmal vor mich zu stellen. „Warum so eilig?", grinste er und lachte. Ich verdrehte die Augen und machte noch mal einen Schritt auf ihn zu, um größer zu sein als er, zur Verdeutlichung, dass ich es ernst meinte.
„Las. Mich. Durch", zischte ich und starrte wütend zu ihm herab. Abwehrend hob er die Hände. „Wooooooo, alles okay, puh, nicht gleich so sauer! Was ist denn mit dir? Hast du deine Tage, oder was?" „Geh mir aus dem Weg", sagte ich ganz leise und kam ihm immer näher mit meinem Gesicht. Dann rammte ich mich einfach durch den kleinen Spalt zwischen ihm und seinem Freund und ging erbost und voller Wut zu meinen Freunden, während hinter mir Pfiffe und Lachen tönten.
Total entnervt stellte ich mich in unseren Kreis und begrüßte alle mit einem tonlosen „Hi.". Chloe, Gina, Julien, Jeremy und Paul sahen mich verwundert an und grüßten zurück. „Hey Vivi... wie, ähm, geht's?", fragte Jeremy und schaute mich mit hochgezogenen Brauen an.
Ich seufzte und deutete in die Richtung hinter mir. „Ach, diese Deppen sind einfach so... so furchtbar nervig! Sie sind respektlos und klein und jung und blöd und nervig und... ich mag sie ganz und gar NICHT!", zählte ich auf und ließ ein klein wenig Wut mit meinen Worten raus. Alles war damit aber auch leider noch nicht weg.
Ich wusste ich jammerte hier allen die Ohren unnötig voll, aber wenn ich vor Mathe jetzt nicht irgendwie in ein seelisches Gleichgewicht kam, würde das heute sehr anstrengend werden.
„Achso, ja. So sind diese kleinen Kinder immer.", winkte Gina ab. Ich machte einen typisch kindischen wütenden Laut und verschränkte die Arme. „Ich hasse es." „Was haben sie denn gemacht?", fragte mich Julien, und legte Trost spendend spielend einen Arm um mich. „Waren sie gemein?", scherzte er und tätschelte meinen Kopf. Ich wurschtelte mich von ihm weg, und gab ein lautes „JA!" von mir.
„Sie wollten mich nicht durchlassen, und mich regt das einfach so auf! Ich will, dass die eine andere Schule bekommen. Wäre viel angenehmer. Außerdem, habt ihr gehört? Sie haben mir nachgepfiffen... und die sind sicher drei oder vier Jahre jünger!" Ich stampfte mit dem Fuß auf und schlug den lachenden Julien auf seinen Arm, den er aus Schutz vor sich ausgestreckt hatte, weil er sich vor mir schützenwollte, mit meinen Fäusten.
„Auu! Hilfe, Leute macht doch was!", quietschte er und versuchte sich wie ein kleines Mädchen vor mir in Sicherheit zu bringen. Chloe, Gina und Paul lachten, während Julien zu Jeremy ging, um getröstet zu werden. Sie umarmten sich auf echt schwule Weise, übertrieben dabei gewaltig und wir lachten alle, als Julien sich beleidigt an Jeremy kuschelte.
Dann musste auch Jeremy grinsen und hörte auf, Jul zu trösten. Er lachte und drückte ihn weg. „Mann, bitte nicht zu lange. Ich bin schließlich hetero!", verzog er sein Gesicht und Jul machte ein trauriges Gesicht. Allerdings musste auch er grinsen. „Aber vielleicht locken wir so Mädels an, die unbedingt einen schwulen besten Freund haben wollen! Dann können alles machen was wir wollen, weil sie glauben wir stehen nicht auf weibliche..." Er brach ab. „Wesen?", vervollständigte Chloe und lachte über den Gesichtsausdruck der beiden Jungs.
„Ihr seid so dämlich!", schüttelte ich den Kopf und lachte sie aus. „Außerdem sollte man sich nicht über Frauen und schwule beste Freunde lustig machen. Ihr klingt ja beinahe so, als wäre das was Schlechtes!", setzte Chloe noch dazu. Alle >weiblichen Wesen< in unserer Gruppe nickten und bejahten übertrieben, und die Jungs verdrückten sich so schnell es ging in die Schule.
„Wir müssen uns noch vorbereiten...", meinte Paul und schon flog er förmlich in Richtung Eingang. Die anderen Jul und Jeremy nickten und stammelten auch etwas von „...Wiederholung..." oder „...wir wollen ja nicht zu spät kommen...". Dann waren auch die beiden weg und eilten Paul hinterher.
Wir lachten noch ein bisschen, machten uns dann aber auch auf den Weg, da die Burschen nicht so Unrecht hatten. Wir sollten definiv endlich in die Schule, sonst kamen wir noch zu spät zu Mathe, und das war alles andere als GUT. Wir waren uns einig und betraten unter minimalem Protest das Gebäude.
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Ich spürte ein leichtes Ziehen, und schaute verstohlen zu meiner Sitznachbarin. Chloe zog da eindeutig an meiner Weste. Ich zog die Brauen hoch und schüttelte den Kopf. Konnte sie das nicht später auch noch sagen, was sie auch immer sagen wollte? Ich schüttelte noch einmal den Kopf und konzentrierte mich dann wieder auf mein Buch.
Drei Minuten später spürte ich das Zupfen wieder. Ganz leise seufzend drehte ich mich undeutlich zu ihr und murmelte ein kleines "Was?". Langsam schob sie mir ihr Handy in meine Hand und ich versteckte es schnell hinter dem Buch, das wir gerade in Deutsch lasen. Hinter uns war gerade Janine am lesen, die restliche Klasse war still. Ging um irgendetwas mit Sagen.
Ich starrte auf den Bildschirm und bemerkte, dass er schwarz geworden war. Unauffällig entsperrte ich das Handy wieder und las die Sms durch, die da stand. Sie war von meiner Mama. Wieso hatte meine Mama mir eine Sms geschrieben, an das Handy von Chloe?
Sag Vivi wenn sie zu Hause ist, Spaghetti sind im Kühlschrank. Sind mit Freunden weg, kommen dann aber mit ihnen nach Hause. Wenn sie was für die Schule machen muss, soll sie es machen bevor wir kommen. Lg Isa
Stirnrunzelnd reichte ich das Handy an meine Freundin zurück, flüsterte ein "Danke" und schaute wieder in mein Buch. Anscheinend hatte ich vergessen mein Handy aufzudrehen, da hatte meine Mama einfach eine Sms an Chloe geschrieben. Die beiden kannten sich schon ewig, das machte also nichts. Was mich wunderte war, dass meine Mama nicht einfach einen Zettel auf den Küchentisch gelegt hatte. Nun ja, jetzt wusste ich es immerhin, also war das in Ordnung.
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Yeaaaaah, neues Kapitel fertig!
Ich bin voll happy :-) Ich bin grad voll positiv drauf, am liebsten würde ich einfach nur noch schreiben und schreiben und schreiben... Aber ich muss auch mein Leben außerhalb von Wattpad leben, also Sorry wenn das manchmal nicht so schnell geht!
Aber wenn es euch so gefällt wie mir, macht eure Arbeit und voted, followed...
Und ganz wichtig: Kemmentare! ich freu mich immer riesig wenn ich einen neuen bekomme, und das was ihr schreibt hilft mir, also Hopp Hopp!
Ich bin stolz auf euch und auch auf mich. Hatte eine Mini-Schreibblockade, aber das hat sich nach dem ersten Satz von dem Kapitel sofort geändert, ich sprühe nur so vor Ideen!
Also bleibt dran, bald kommt das nächste!
GreenLola :)