Astrids Sicht
"Er hat so viele..." , ich warf meine Axt mit Wucht gegen den Baum, "... Gesichter!" Das Training war schon früher beendet worden, weil die ganze Truppe heute irgendwie nicht gut drauf war und kaum etwas gelang. Mittlerweile war es bereits Abend geworden und Heidrun hatte mich endlich dazugebracht meine Enttäuschung und Wut in meine Axt zu stecken und in Bäume zu schmettern. Mit jedem Wurf ließ ich etwas ab, was mich bedrückte und Heidrun sagte dann etwas zustimmendes oder nickte einfach nur verständnisvoll.
"Ich hab keine Ahnung, wie ich...", ich pfefferte eine andere Axt in eine Eiche, "... so weit gehen konnte..." Heidrun nickte; "Lass uns aufhören, die Sonne geht unter, sonst finden wir die Äxte nicht wieder..." "Hast Recht." Heidrun und ich sammelten unsere Äxte ein und grade als die Sonne untergegangen war, kamen wir an meiner Hütte an. Ich fütterte Sturmpfeil und wünschte ihr eine gute Nacht, während Heidrun schon ins Haus gegangen war und uns was zu essen auf den Tisch gestellt hatte. Wir aßen wortlos, denn wir hatten derzeitig nur ein Gesprächathema und ich wollte nicht den Tisch zerstören, also ließ ich es bleiben, über Hicks zu reden. Als wir damit fertig waren, zogen wir uns soweit aus, dass man bequem schlafen konnte und legten uns in mein Bett, das ja, wie gestern bereits gemerkt, groß genug für uns zwei war. Nach 5 Minuten brach Heidrun die Stille... "Wie weit seid ihr denn genau...", sie war ehrlich interessiert, was ihr peinlich zu sein schien. Ich verstand sie, mir wäre es auch peinlich gewesen in dieser Situation.
"Naja...", ich zwirbelte die Bettdecke zwischen den Fingern, "... soweit, dass wir es beinahe getan hätten..."
"Was hat euch gehindert?"
"Das Resultat", antwortete ich knapp. "Das... Kind?" Ich nickte: "Ich bin froh, dass uns etwas aufgehalten hat..."
"Wie war das so...?", fragte Heidrun, immer noch interessiert, wenn auch peinlich berührt. "Was meinst du?", fragte ich zurück.
"Naja... nackt mit einem Jungen, der nicht grade hässlich ist, im Bett... und den du reinzufällig auch noch liebst... oder?" Ich gab keine Antwort. Es entstand eine kleine Pause. "Selbst wenn...", murmelte ich dann, "... er liebt mich ja nicht..." "Doch, das tut er..." Von da an wurde das Gespräch noch sehr interessant.
Hicks Sicht
Der Tag war schnell vergangen. Viel zu schnell. Eher gesagt übermäßig schnell. So schnell, dass es bereits Abend war und ich auf Astrids Übungsplatz auf sie und Heidrun wartete. Sie kamen dann schließlich auch. Astrid, starr wie ein Zinnsoldat und Heidrun, die Astrid aber nur auf fünf Metern Nähe zu mir schob und sich dann zum Gehen wandte. Sie formte ein lautloses "versaus nicht" und ich nickte unmerklich.
Astrid stand herum und blickte überall hin, nur nicht zu mir. "Wie geht's dir so?", fragte ich vorsichtig. Astrid zuckte nur mit den Schultern. "Wollen wir?", fragte ich noch vorsichtiger. Astrid zuckte wieder mit den Schultern. Ohnezahn lächelte er freundlich zu und Astrid lächelte das erste Mal an diesem Abend, wenn auch nur kurz. Ich hielt ihr meine Hand hin. Astrid zögerte, legte ihre dann aber in meine und ich umschloss ihre Hand. Sie war kalt und ich spürte, dass sie zitterte. "Ist dir kalt?", fragte ich besorgt. Sie schüttelte den Kopf. Ihr war kalt. Eindeutig. Sie musste sich sehr zurückhalten, nicht mit den Zähnen zu klappern. Ich zog sie ein wenig zu mir und schaute sie fragend an. Sie zögerte kurz und nickte dann. Ich legte vorsichtig meine Arme um sie und sie vergrub ihren Kopf an meiner Schulter. Ich spürte noch mehr wie sie zitterte und begann ihre Arme zu reiben. Ohnezahn stupste mich an und knurrte seinen Sattel an. "Du hast recht, Ohnezahn... heute wird es nichts mit Fliegen, es ist zu kalt da oben. Was meinst du Astrid... Wär es nicht besser, wenn wir dich in meiner Hütte aufwärmen würden?" Ich spürte ihr Nicken an meiner Schulter und wir flogen das kurze Stück auf Ohnezahn zu meiner Hütte. Dort stieß Ohnezahn die Tür auf und entzündete sofort ein Feuer im Ofen. Astrid ging zu ihm und murmelte etwas. Dann ließ sich Ohnezahn vor dem Ofen nieder und Astid lehnte sich an ihn.