Stegi's Sicht:
Die restliche Woche verging langsamer als gedacht. Tim blieb die ganze Woche über bei mir. Er begleitete mich jeden Morgen bis zur Uni und holte mich anschließend wieder ab. Es war niedlich wie er sich um mich sorgte, genauso sehr hatte ich allerdings Angst davor er könnte in die Sache mit rein gezogen werden und ebenfalls verletzt werden. Komischerweise wurden wir jedoch die komplette Woche in Ruhe gelassen und nahezu ignoriert. Ein paar Mal sind uns ein paar der Jungs begegnet, doch sie schienen uns komplett auszublenden. Sollte mir ja recht sein, ich befürchtete nur, dass dies nicht lange anhalten würde, dass sie wahrscheinlich sogar den nächsten großen 'Anschlag' planen würden.
Als der heißersehnte Freitag dann endlich da war und mich der Professor ins Wochenende entließ, freute ich mich umso mehr auf Tim, der bereits vor dem Unigelände auf mich wartete. Er winkte mir aus der Ferne, mit einem Schlüssel in der Hand, entgegen und erklärte mir anschließend, dass er sich bereits um den Mietwagen gekümmert habe und wir jetzt nur noch unsere Sachen packen müssen.
Wir fuhren also mit unserem Mietwagen zuerst zu meiner Wohnung, wo ich dann alles was ich brauchen würde schnell in eine Tasche stopfte, und anschließend zu Tims. Ich wartete im Auto und nach nur ein paar kurzen Minuten kam er mit einer gut gefüllten Sporttasche zurück. Es konnte endlich losgehen.
Noch nie zuvor hatte ich mich so auf einen Ausflug gefreut, wobei wir früher mit der Familie auch nur sehr selten Ausflüge machten oder gar verreist sind. Es kam höchstens zwei oder drei Mal vor, dass wir unser Zuhause verließen und das hing meistens mit Verwandtschaft im Ausland zusammen.
Wie ein kleines Kind quengelte ich ständig und fragte mindestens alle zehn Minuten wo wir uns befanden und wie lange wir noch im Auto sitzen müssten.
"Tiiiim, wie lange denn noch?"
"Gleich hast du's geschafft, kleiner. Noch ungefähr 15 Minuten."
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus und meine Zähne kamen zum Vorschein. Tim enting das, sowie mein hibbeliges Verhalten, nicht.
"Freust du dich so sehr oder musst du mal?" , lachte er und deutete auf mein Bein, das ständig auf und ab wippte.
"Ehrlich gesagt beides." , gab ich zu. "Ich kann einfach nicht glauben, dass ich einfach eine Woche die Uni schwänzen werde und mit dir hier sein kann."
Tim nahm eine Hand vom Lenkrad und griff nach meiner. Ich vertraute ihm, also beschwerte ich mich nicht.
"Das wird eine wundervolle Woche, mein Kleiner."
Ich schloss meine Augen und versuchte mich die letzten paar Minuten noch zusammenzureißen.
Ich öffnete sie erst wieder, als ich merkte wie Tim den Wagen abbremste und wir letztendlich zum Stillstand kamen.
"Wir sind da." , bestätigte Tim meine Vermutung und ich befreite mich sofort von meinem Gurt und riss die Autotüre auf.
Die Landschaft war überwältigend. Wie auf der Broschüre stand die kleine Holzhütte inmitten eines wunderschönen, abgelegenen Wäldchens. Die Bäume läuchteten grün in der Sonne und ein kühles, für die Jahreszeit allerdings angenehmes Lüftchen wehte uns um die Nase. Es war traumhaft. Für einen kurzen Moment driftete ich ab und stellte mir vor wie es wäre hier zu wohnen. Die Kinder die um das Haus herum toben und sich vor dem Haus eine kleine Hütte aus Ästen und Blättern bauen und ihre Umwelt entdecken. Ich und Tim würden am Fenster stehen, ihnen zusehen und wissen, dass wir alles richtig gemacht haben. Er würde von hinten seine Arme um mich schlingen, seinen Kopf auf meiner Schulter ablegen, wie er es schon ein paar Mal gemacht hatte. Eine wunderschöne Vorstellung.
Tim hiefte bereits unsere Taschen aus dem Auto, als ich wieder vollständig in der Realität ankam. Er lächelte mich warm an als er bemerkte wie ich ihn beobachtete.
"Du kannst mir gerne helfen und deine Tasche selbst rein tragen." , motzte er gespielt und drückte sie mir in die Hand.
Er schloss den Mietwagen ab und ging dann voraus, auf das Holzhäuschen zu. Sie hatte drei grün umrandete Fenster und eine etwas steile Treppe führte zur ebenfalls grünen Haustür. Mit Mühe schleppte ich meine Tasche die Stufen nach oben, wo Tim bereits in seiner Sporttasche nach dem Schlüssel kramte. Er hatte ihn extra in einem Seitenfach verstaut und so relativ schnell gefunden. Er schloss auf und direkt stieg mir ein Duft nach Holz in die Nase. Der Duft war intensiv, aber nicht unangenehm. Es roch nach Gemütlichkeit, nach einem Zuhause.
Der Innenraum der Hütte war überwältigend. Das kleine Hexenhäuschen, das von draußen noch so winzig wirkte versteckte drei Zimmer in sich und wirkte dabei überhaupt nicht eng. Wir standen in einem kurzen Hausflur, der an das Wohnzimmer, das aus einem Kamin, einer Couch sowie einem Sessel und ein paar Dekorationen bestand, angrenzte. Direkt neben dem Wohnzimmer stand die Tür zum Schlafzimmer weit offen. Ich konnte aus der Ferne nur ein, ebenfalls hölzernes, Doppelbett erspähen, was aber auch wirklich ausreichte. Rechts vom Wonzimmer stand eine weitere Tür offen die an einen sehr kleinen Raum anschloss, die Küche. In ihr befand sich ein etwas älterer Herd, eine Mikrowelle, sowie ein Spühlbecken, mehr nicht.
Wir schienen beide überwältigt zu sein denn für einen kurzen Augenblick sprach keiner von uns beiden. Tim bewegte sich dann weiter in Richtung Schlafzimmer und legte dort seine Sporttasche ab. Ich folgte ihm und tat es ihm gleich. Ich legte mich aufs Bett, schloss meine Augen und säufzte. Es war zu schön hier. Ich erahnte, dass sich Tim zu mir gelegt hatte, als die Matraze neben mir leicht nachgab. Meine Vermutung bestätigte sich als ich ein Paar große Hände an meiner Hüfte spürte die sich mich zu sich zogen. Ich spürte Tims Nähe, seine Gegenwart und direkt fing mein Bauch wieder an zu kribbeln.
"Das ist so kitschig." , bemerkte ich, als ich meine Augen öffnete und direkt in seine blickte.
"Gibs zu, das gefällt dir doch."
"Ja, doch, daran könnte ich mich gewöhnen. Ist ja aber auch nicht sonderlich schwer - soziemlich alles ist besser als Uni."
Ehe ich mich versah saß Tim auf mir und hielt meine Hände über meinen Kopf sodass ich mich nicht wehren konnte. Sein starker Griff und sein fieses Grinsen verpassten mir eine Gänsehaut.
"Wie war das?" , lachte er und beugte sich zu mir runter um mich zu küssen. Ich erwiderte ihn.
Ich wollte es mir zwar nicht eingestehen, aber es gefiel mir. Es gefiel mir wie Tim auf mir saß, die Kontrolle über mich, meine Gefühle und meinen Körper, hatte. Es gefiel mir wie er mich angrinste, so schmutzig, als könnte man an diesem Grinsen direkt festmachen woran er dachte und welche Fantasien er gerade hatte. Ich fing an zu schwitzen, fühlte mich zwar nicht unwohl, spürte aber, dass ich noch nicht bereit hierfür war. Tim schien bemerkt zu haben, dass mir nicht ganz wohl dabei war und ließ von mir ab. Er rutschte wieder auf seine Seite des Bettes und küsste mich sanft auf die Wange, ehe er sich vom Bett erhob. Es machte mich traurig, dass ich ihm nicht geben konnte was er sich wünschte, dass ich unsere Beziehung nicht vollkommen machen konnte, aber wir müssten uns wohl einfach noch ein wenig gedulden.
Er stand am Fenster und starrte mit kritischem Blick nach draußen. Seine Mimik wurde düsterer. Es war offensichtlich, dass ihn etwas bedrückte.
"Tim?"
Ich erhob mich nun auch aus dem Bett und stellte mich hinter ihn. Die Arme legte ich um seinen Bauch.
"Was ist los?"
"Nichts." , brummte er und nahm meine Hände von seinem Körper.
Hatte ich etwas falsch gemacht?
"Rede doch mit mir. Dich bedrückt doch etwas?"
"Vielleicht war das 'ne scheiß Idee."
"Was?"
Er drehte sich zu mir um, schaute mir aber nicht ins Gesicht.
"Hier her zu kommen, das mit uns, einfach alles."
Was? Was sagte er da? Seine Worte fühlten sich an wie der Tritt in die Magengrube. Es schmerzte und heiße Tränen bahnten sich ihren Weg von meinen Augen über die Wangen bis zu meinem Hals.
"Was sagst du da, Tim? Was ist passiert?" Er schaute mich immer noch nicht an, war zu feige, was mich wütend machte. "Sprich mit mir!" , brüllte ich, worauf er zuerst den Raum und anschließend das Haus verließ. Ich blieb zurück und sank auf den Boden. Ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf und schluchzte laut. Es würde mich ja sowieso niemand hören.
Was sollte das? War nicht gerade noch alles perfekt? Hatte ich etwas falsches gesagt oder getan? Was konnte ihn in der kurzen Zeit umgestimmt haben?
Ich schlug mir die Hände über den Kopf und weinte.
Sekunden, Minuten, wenn nicht Stunden.
Von Tim keine Spur.