Arias Sicht
"Sie sind.. Also du bist.. Alecs Schwester?", stammle ich entsetzt. Ich bin nicht sicher, ob Alec überhaupt mal eine Schwester erwähnt hat..
"Ja, das bin ich. Er hat erwähnt, dass er das Geld für unseren Dad hier her hat und.. Also er weiß nicht dass ich hier bin und er soll es auch nicht wissen, nur wir stecken in Schwierigkeiten und ich weiß nicht was ich noch tun soll also habe ich bei meine Putzfirma diese Adresse herausgefunden und mich hier reingeschlichen und es.. es tut mir so Leid..", Alecs Schwester ist gerade dabei zu hyperventilieren. "Setz dich erstmal", sage ich freundlich und lächle sie aufmunternd an.
Marija setzt sich auf meine Couch und ich reiche ihr ein Taschentuch. "Danke..", murmelt sie und wischt sich die Tränen aus ihrem Gesicht.
"Okay, dann erzähl mir mal genau was los ist", sage ich und setze mich gegenüber von ihr auf meine weiße Dekotruhe. "Vor ein paar Tagen kam Alec total schlimm zugerichtet nach Hause und meinte, er hat Probleme bei seinem Job.."
"Seinem Job als Drogendealer?", unterbreche ich sie und es tut mir im nächsten Moment Leid, das so offen angesprochen zu haben. Es ist sicher nicht leicht, so ein Leben zu führen.
Marija nickt langsam und erzählt dann weiter: "Er schuldet seinem Boss, warum auch immer, 3000$.. Und er meinte, er treibt das Geld auf, doch er ist völlig fertig.. Das alles setzt ihm sehr zu, weißt du. Und dass er dich auch nicht sehen kann, ist für ihn noch viel schlimmer."
"Moment, was..?", ich unterbreche sie erneut. "Tut mir Leid", füge ich hinzu. "Nur.. Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass ich ihm fehle..?"
Marija lächelt mich an. "Natürlich fehlst du ihm. Er redet zwar nicht darüber, aber ich kenne meinen Bruder und du hast es ihm ganz schön angetan."
Ich kann nicht anders als beginnen zu lächeln. Verlegen streiche ich mir durch meine Haare.
"Okay, wieviel Geld braucht ihr?", frage ich. "Ich.. Also wir..", Marija stottert wieder. Die Sache, dass sie mich bestehlen wollte, scheint ihr wohl sehr unangenehm zu sein. Sie hat auch so ein gutes Herz wie Alec, das merke ich jetzt schon.
"Hey.", ich setze mich neben sie auf die Couch. "Wieviel?"
"3000$.."
Ich stehe auf und gehe in meinen begehbaren Kleiderschrank. Ich suche mir eine meiner Louis Vuitton Taschen heraus, in der sich mein Haupt- Portemonnaie befindet.
Ich gehe zurück in mein richtiges Zimmer, wo Marija immer noch meine Welt bestaunt.
Ich öffne mein Portemonnaie, hole 3000$ in bar heraus und reiche sie mit einem Lächeln der verdutzten Marija.
"Oh mein Gott..", sie starrt die Geldscheine in ihrer Hand an. Auf einmal springt sie auf und fällt mir um den Hals. "Danke", quietscht sie in mein Ohr.
Sie lässt mich los. "Du sollst nur nicht denken, dass wir irgendwelche Schmarotzer sind die dir dein Geld wegnehmen wollen. Ich arbeite hart für mein Geld und ich schaffe es auch mich, meinen Bruder und meine Schwestern zu ernähren. Nur.. Unser Leben ist nicht einfach. Nicht jeder hat es so einfach.."
Mein eben noch echtes Lächeln verschwindet aus meinem Gesicht. Stattdessen setze ich das Fake-Lächeln auf, dass ich in letzter Zeit viel zu oft habe.
"Ja, klar ich verstehs."
Marija lächelt mich noch einmal dankbar an. "Ich.. Ich geh dann.", sie umarmt mich nochmal. "Vielen Dank." Ein letztes Lächeln und dann geht sie zur Tür. "Grüß Alec von mir", rufe ich ihr zu, als sie in den Flur hinausgeht. Eifrig nickt sie und dann ist sie auch schon wieder verschwunden.
Ich lasse mich auf mein Bett fallen. Was war das denn? Ich wusste nichtmal, dass Alec überhaupt eine Schwester hat, beziehungsweise sogar mehrere. Und ich wusste nicht, dass er mich vermisst..
Nur was ich weiß ist, dass er und seine Familie mich für ach so perfekt halten. Immer noch. Selbst nach allem was Alec weiß und gesehen hat. In gewisser Weise enttäuscht mich das.
"Aria? Hallo?"
Auf einmal fällt mir mein Handy auf, das die ganze Zeit auf meinem Bett gelegen hat. "Tjara, tut mir Leid, du weißt gar nicht was gerade passiert ist.."
~~~
".. Und dann ist sie wieder gegangen. Ich meine, das ist doch.. Total verrückt. Sie meint er vermisst mich. Alec. Ein Junge aus einer ganz anderen Welt.. Das ist so krass.." Ich bin fertig mit dem schildern der Geschichte und warte gespannt auf Tjaras Reaktion.
"Das ist es in der Tat..", antwortet Tjara kühl. "Alles klar?", frage ich. Man merkt sofort an ihrer Stimme, wenn etwas mit ihr nicht stimmt.
Tjara seufzt. Ich bringe sie oft zum seufzen. "Du siehst nur die Tatsache, dass du ihm fehlst. Dir fällt gar nicht auf, wie sehr seine Familie dich ausnutzt! Klar, 12.000$ sind für dich Taschengeld, aber für sie ist das mega viel. Und seine Schwester wollte dich bestehlen, ich meine.. Wie kannst du nur so blind sein? Er hat dich ausgenutzt und jetzt tut seine Schwester dasselbe! Du bist nur deren Bank, Aria."
Ich schweige. Klar, irgendwie habe ich an sowas auch schon gedacht aber das kam mir dann wieder absurd vor. Oder?
"Glaubst du das wirklich?"
"Ja."
~~~
Alecs Sicht
"Wieso kommt Marija nicht zur Pancake-Party, Alec?", fragt Kyra leckt sich ihre mit Marmeladen beschmierten Finger ableckt. "Sie muss arbeiten, du Dummi", kichert Ramina und macht sich ebenfalls an der Marmelade zu schaffen.
"Raminchen, so ein Wort will ich nicht noch mal hören", sage ich mahnend und meine kleinen Schwestern grinsen mich breit an. "Das ist voll harmlos! In der Schule sagen die viiiel schlimmeres!"
"Das eignet ihr euch aber hoffentlich nicht an, sonst gibt es keine Pancakes für euch", entgegne ich streng. "Neeein!", beschweren die beiden sich lauthals.
"Dann wisst ihr ja, was ihr zu tun habt", lache ich zwinkernd und gebe den beiden jeweils einen Pancake.
Mir geht es mittlerweile schon etwas besser und auf das Krankenhaus konnte ich zum Glück verzichten. Nur arbeiten geht nicht so ganz, also mache ich lieber meinen Schwestern Pancakes bevor es mit mir zu Ende geht.
Auf einmal kommt Marija in die Küche. "Mariii!", rufen meine Schwestern im Chor und Marija grinst die beiden breit an. "Na, wie geht es meinen Süßen?"
"Woher kommt deine gute Laune?", stichle ich und bekomme dafür von ihr einen Schlag auf den Oberarm. "Sag du mal gar nichts, du mit deiner Frauenschürze", stichelt sie zurück und deutet auf meine pinke, viel zu kleine Schürze mit Herzchenmuster, die mir von meinen Schwestern zum Geburtstag geschenkt wurde.
"Also, wieso bist du Miesepeter gut drauf? Das passiert nur alle Jahrzehnte mal."
Marija kramt in ihrer Tasche und zieht einen Bündel Geldscheine heraus und reicht ihn mir.
"Woher hast du das?!", frage ich völlig baff. "Ich war bei Aria!", ruft sie begeistert.
Meine Gesichtszüge entgleisen. "Du warst WO?"
"Ich war bei deiner Loverin. Sie hat es mir einfach gegeben. Ich meine, so krass war das jetzt auch nicht. Hast du mal gesehen wie es bei ihr aussieht? Mit den 3000$ hätte sie sich sonst wahrscheinlich ihren mit Diamanten besetzten Arsch abgewischt.
Mannoman, ich hätte auch gerne so ein einfaches Leben wie sie."
Ich schaffe es nicht zu antworten.
"Marija hat ein verbotenes Wort gesagt", kichert Ramina, doch ich kann da gerade gar nicht drauf achten.
"Marija das ist nicht dein Ernst.", sage ich mit aufeinander gepressten Kiefern.
Marija runzelt die Stirn. "Was hast du denn Alec? Ich habe gerade ein verdammtes Leben gerettet.", entgegnet sie leicht gekrängt.
"Weißt du eigentlich in was für eine Lage du mich bringst?! Aria muss doch denken, dass wir sie nur für eine verdammte Geldquelle halten!"
"Ja und? Alec wach auf, mehr wird sie auch nicht sein! Ich habe mich über sie informiert. Sie ist millionenschwer und vor allem ist sie verlobt. Du bist nicht ihre Liga."
"Trotzdem soll sie mich nicht für ein dummes Arschloch halten, dass sie nur ausnutzt!", brülle ich zurück.
"Alec hat auch ein böses Wort gesagt", flüstert Kyra Ramina zu.
"Wieso schreist du mich jetzt an?! Ich habe wenigstens etwas getan, im Gegensatz zu dir! Ich muss nämlich immer die Situationen ausbügeln, die du vermasselst!", schreit Marija völlig in Rage zurück.
"Du machst gar nichts! Wer finanziert dir denn deinen ganzen Scheiss? ICH! Deine Aufgabe ist es Brote zu schmieren und in die Schule zu gehen, doch nicht mal das kriegst du hin! Stattdessen fickst du lieber mit meinem besten Freund!"
Marija blitzt mich wütend an. "Fick dich, Alec. Fick dich."
Mit diesen Worten dreht sie sich um und rennt auf der Küche.
Wütend raufe ich mir durch die Haare. "Alec..?", fragt Kyra kleinlaut. "Was?", keife ich zurück. Ich kann noch sehen wie eine Träne über Kyras Wange läuft, während sie aus der Küche rennt. "Kyra..", sage ich und werfe einen suchenden Blick zu Ramina, die mit einem gequälten Gesichtsausdruck hinter Kyra herläuft.
Ich reiße mir die Schürze runter und gehe müde in mein Zimmer.
~~~
Am nächsten Morgen herrscht zwischen Marija und mir Funkstille, sodass ich mich beeile aus der Wohnung rauszukommen.
Meine erste Haltestelle ist bei Joker, meinem Boss, wo ich die 3000$ abliefern muss. Ich finde es immer noch scheisse, das es mal wieder Arias Geld ist, jedoch brauche ich es, also muss ich damit leben.
Es ist der schönere Teil der Stadt - mit dem Verticken von Drogen und dem Verprügeln von Leuten muss man ein gutes Geschäft machen können.
Ich klingle an der Villa und werde durch eine Kamera identifiziert. "Alec Komarov. Hast du das Geld?", fragt mich eine Computerstimme, noch bevor ich überhaupt das Anwesen betreten habe.
Ich krame in meiner Jackentasche und halte das Bündel Geldscheine in die Kamera.
Ein paar Sekunden später geht die Tür automatisch auf und ich kann eintreten und neben einem protzigen Brunnen im vorderen Hof vorbeigehen.
An der Haustür erwartet mich bereits einer der Schläger mit einem hämischen Grinsen. Er begrüßt mich mit den Worten: "Du kannst ja schon wieder gehen."
Ich ignoriere ihn und werde im Eingangsbereich von einer leichtbekleideten Frau begrüßt. Ich will ihr das Geld übergeben, doch sie sagt nur: "Er will Sie persönlich sehen."
Sie leitet mich ins nächste Zimmer weiter. Wir landen in einem großen Raum im ersten Stock mit einer Glaswand und einem riesigen, vergoldeten Schreibtisch in der Mitte.
Der Schreibtischstuhl ist von mir weggedreht, sodass ich nicht das Gesicht von Joker sehe. Leichtfertig sieht man sein Gesicht auch nicht, das wurde mir oft erzählt. Ich frage mich, wieso er ausgerechnet mich persönlich treffen will. Die 3000$ sind für ihn wahrscheinlich nur Trinkgeld.
Ich entdecke im Regal hinter ihm, das über die ganze Wand geht, nur Geld. Tausende von Scheinen Bargeld. Und vor seinem Schreibtisch hat der Kerl ernsthaft einen lebendigen Tiger liegen. Die Situation ist so ein Klischee, dass es schon wieder lachhaft ist. Der Kerl hat wohl zu viele Hollywoodfilme gesehen und sich jetzt die Rolle eines Bösewichtes aus einem von ihnen rausgesucht.
"Alecsandre Komarov.", sagt er, ohne sich umzudrehen. "Ich habe ihr Geld.", entgegne ich knapp. "Ich weiß, sonst wärst du wohl nicht hier", entgegnet er.
Ich seufze. Langsam verliere ich meine Geduld. "Kann ich Ihnen den Scheiss jetzt geben?"
Der Stuhl dreht sich um. "Beruhig dich, Alec. Ich wollte nur mal denjenigen persönlich treffen, der meinen wertvollen Stoff verliert."
Joker sieht seltsam aus. Naja, er ist nicht hässlich oder hat irgendein besonderes Merkmal, aber er sieht einfach nicht aus wie ein Kerl, der ein riesiges Drogengeschäft leitet. Er ist ein typischer Normalo.
"Ich habe Ihren Stoff nicht verloren..", beginne ich, doch werde abgewürgt. "Machs nicht noch schlimmer, Alec. Gib einfach das Geld."
Er winkt mich zu seinem Schreibtisch heran und ich lege ihm die 3000$ auf den Tisch. Langsam nimmt er sie und zählt sie seelenruhig.
Dann winkt er die leichtbekleidete Frau zu sich, die das Geld nimmt und es zu seinen Regal trägt.
"Kann ich jetzt gehen?"
Joker lässt sich wieder auf seinen Stuhl fallen und nickt. "Ja verzieh dich. Es versteht sich ja von selbst, dass du ganz offiziell nicht mehr für mich arbeitest."
Ohne ein weiteres Wort verlasse ich den Raum.