Snowdrift, Kanada 20.10 Sa
Ich ruhe mich den ganzen Tag aus, obwohl ich so lange geschlafen habe bin ich immer noch erschöpft. Kal bringt mich zum Gästezimmer, als er wieder gehen will, halte ich ihn zurück.
"Warte." Er sieht mich fragend an.
"Wieso tust du das alles? Ich meine, ich bin dir ja dankbar, aber ich wüsste gerne, warum?"
Kal seufzt. "Zahra, dass ist schwierig zu erklären. Vielleicht verstehst dus, wenn ich sage, Wilk und ich sind seit unserer Geburt beste Freunde. Und ich gkaube du weißt garnicht wie viel Schwierigkeiten und Probleme es gibt, wenn irgendjemand heraus findet, dass er dich gebissen hat. Ich muss ihm helfen, alleine schaft das keiner."
Er streicht mir beruhigend über den Arm. "Und jetzt ruh dich aus. Morgen kannst du wieder nach Hause."
Als ich am nächsten Tag aufwache ist es noch dunkel. Ich habe leichte Kopfweh, aber ansonsten geht es mir gut. Ich stehe auf und ziehe die Klamotten an, die Luise mir geliehen hat. Ihr Pullover ist ein bisschen zu groß, ich krempel die Ärmel um.
Ich laufe so leise es geht die Treppen runter in die Küche. Es scheinen alle zu schlafen. Vorsichtig tapse ich zum Waschbecken und forme mit den Händen eine Schale um zu trinken.
"Wir haben auch Gläser." Eine tiefe Stimme lässt mich herum fahren. In der Tür steht Wilk. Ich zucke zusammen und mache den Wasserhahn aus, der sich donnernd ins Becken ergießt. Das Geräusch kommt mir plötzlich unnatürlich laut vor.
"Ähm...Hallo." stammle ich ertappt.
"Du musst keine Angst haben, ich beiße nicht. Nicht nochmal." Auch wenn es ein Scherz sein soll schwingt ein Hauch Trauer, aber auch Arroganz mit. Ihm scheint es zu gefallen, dass ich in seiner Nähe unsicher bin.
"Kann....kann ich dich mal etwas fragen?" Mein Herz stolpert in meiner Brust herum, als wäre es betrunken.
Wilk zögert. "Bitte." Murmel ich.
"Aber vielleicht antworte ich nicht." Stellt er klar und ich atme unbewusst auf.
"Alos, wo, ähm, hast du mich gebissen?" Krächze ich.
Es ist einen Augenblick still. Dann kommt Wilk mit schnellen Schritten auf mich zu. Ich weiche zurück und pralle gegen die Spüle. Wilk greift nach meinem Arm und streicht über die Unterseite. Ich zucke zusammen und sehe genauer hin.
Knapp hinter meinem Handgelenk befinden sich zwei kleine Einkerbungen, wie die Abdrücke zweier sehr spitzen Zähne.
Kein Blut, keine Rötung. Die kleinen Kerben sehen aus, als wären sie dort schon mein Lebenlang.
Ich registriere, dass Wilk meinen Arm immer noch festhält. Seine Hand liegt warm auf meiner Haut, der Daumem ruht direkt zwischen den Abdrücken seiner Zähne.
Ich versuche ganz ruhig zu halten um diese Wärme bei mir zu halten, die etwas komisches in mir auzulösen scheint. Erst nach ein paar sekunden realisiere ich, dass es Glückshormone sind. In diesem kleinem Moment bin ich Glücklich. Ich atme und muss von dem Gefühl fast auflachen. Ich schließe die Augen, solange habe ich dieses Gefühl nicht mehr gespürt. Mir treten Tränen in die Augen. Ich bin glücklich, nur durch eine Berühung und es ist kein großes Gefühl.
Aber für mich ist es das. Ich habe vergessen wie sich das anfühlt und es ist wunderschön.
Wilk lässt mich wieder los und das Gefühl verschwindet sofort wieder. Ich fühle mich wahnsinnig leer an.
"Wie kann etwas so kleines nur alles kaputt machen?" Sagt er voller Abscheu und seine Augen blitzen kalt und Grausam. Ich wende mich ab. Er macht mich dafür verantwortlich. Für die Probleme, die ich mit mir bringe. Ich würde es ja auch gerne ändern, aber wie denn?
"Ich wünschte ich hätte dich nie gebissen." Wilk dreht sich umd und geht aus der Küche. Sein ganzer Körper zeigt Ablehnung. Mir gegenüber.
Ich bleibe allein in der dunklen Küche zurück und versuche zu vergessen was er gesagt hat. Aber ich kann nicht und muss die ganze Zeit daran denken, dass er sich wünscht ich wäre lieber tot.
Kal fährt mich nach Hause. Wir reden kaum, aber es entsteht kein peinliches Schweigen. Wir beide akzeptieren, dass wir gerade keine Lust zum Reden haben.
Meine Mutter ist in der Arbeit. Kal erklärt mir, dass sie heute Morgen einen Anruf vom Stadtkrankenhaus hat, dass ich heute gebracht werde.
Ich gehe in mein Zimmer und sehe aus dem Fenster. Das Haus ist leer. Seit Wilk mich in der Küche allein gelassen hat fühlt es sich an, als würde etwas mehr fehlen, als vorher.
Meine Mutter kommt nach hause. Ich unterhalte mich mit ihr. Mir geht es wieder besser. Ich gehe ins Bett.
Ich träume von ihm. Wir sind an unserem Lieblingsplatz, eine Grasbewachsene Klippe am See, an dem wir im Sommer immer badeten.
Seine Haare leuchten wie die eines Engels. Ich frage mich ob er jetzt einer ist.
Wir laufen zusammen zum See. In meinem Traum muss ich die Luft nicht anhalten. Das Wasser brennt nicht in Nase und Mund. Alles ist warm und weich. Er lacht. Nimmt meine Hand und beugt sich dann zu mir herunter, sein Duft hüllt mich ein und ich schließe die Augen.
Seine Berührung wird plötzlich wärmer, bis meine Haut glüht. Ich öffne die Augen und starre Wilk in die Augen, der meinem Gesicht immer näher kommt. Seine hellen Augen blicken mich wütend an. Er ist verschwunden.
Ich schrecke auf und sitze atemlos im Bett.
Ich fahre mir durch die Haare. Was passiert hier gerade?
Am nächsten Tag gehe ich wieder zur Schule. Ich habe viel nachzuholen, aber es hält sich in den Grenzen des Möglichen. Als ich nach Hause komme, mache ich über drei Srunden Hausaufgaben, schreibe Einträge und Notitzen ab und versuche sämtliche Formen in den Kopf zu kriegen.
Als endlich das letzte Wort geschrieben ist, bin ich völlig fertig.
Müde schleppe ich mich in die Lüche und mache mir einen Kaffee. Neville kommt und setzt sich auf die Fensterbank. Ich lege ihm ein paar Apfelschalen nach draußen.
Ich trinke meinen Kaffee und beginne einen Brief an meine Großeltern zu schreiben, als es plötzlich an dee Tür klingelt. Ich raffe mich auf und öffne.
Erstaunt starre ich Wilk an, der auf unserer Fußmatte steht.
"Hallo." Bringe ich schließlich heraus. "Was ist los?"
Wilk sieht mich finster an. "Wir müssen Zeit verbringen, schon vergessen?"
"Okay, dann komm rein", ich halte die Tür auf.
"Komm du raus. Ich komm ganz bestimmt nicht zu dir rein." Erwidert Wilk und ich blicke an ihm vorbei auf den Schneestürm der draußen herumpfeift. Wilk steht natürlich nur mit T-shirt und dünner Lederjacke da. Aber er ist ja auch kein Mensch wie ich, der sich dabei eine dicke Erkältung holen kann.
Trotzdem ziehe ich mir meine Stiefel und meinen Roten Mantel an. Als Wilk mich sieht muss er lachen.
"Was?" Frage ich.
"Du sieht echt aus wie Schneewittchen." Sagt er, schafft es aber wie eine Beleidigung klingen zu lassen.
Wilk läuft los und mir bleibt nicht anderes übrig als ihm zu folgen.