Wir arbeiteten den ganzen Tag über Stationen ab, die man als Schule sehen muss. Wir waren am Markusplatz, sind mit Gondeln gefahren usw.
Es war jetzt abends und wir haben von den Lehrern die Erlaubnis bekommen feiern zu gehen. Es ist ja nicht so, dass wir das ohne Erlaubnis nicht getan hätten.
Im Bad zog ich mir das weiße Kleid, das mir am Vortag Colton gekauft hatte, an und schminkte mich dezent. Meine Haare ließ ich als leichte Wellen über meine Schultern fallen.
Ich ging aus dem Bad heraus und fand die Jungs mal wieder Oberkörperfrei vor.
"Wie langsam seid ihr denn?", fragte ich lachend und ging zu den Tüten. Ich holte mir etwas höhere Schuhe raus und schlüpfte hinein.
"Sorry Prinzessin.", lachte Colton und umarmte mich von hinten. "Hast du mit Maria heute Mittag geredet?", wollte er leise wissen. Ich schüttelte den Kopf.
"Seid ihr fertig mit kuscheln? Ich will feiern und heiße Italienerinnen aufreißen!", rief Zayn und streckte die Hand in die Luft.
Kichernd löste ich mich von Colton's Griff und ging an Zayn vorbei zur Tür.
"Dann lasst uns feiern gehen." Damit öffnete ich die Tür und betrat den Gang. Die Jungs folgten mir heraus und wir gingen zu dritt nebeneinander her. Bis wir unten in der Lobby waren, waren auch Cora, Kralica, Justin, Liam und Kyle zu uns gestoßen.
Wir gingen in eine kleine Disco, die ich von früher noch kannte. Sie sah von außen aus wie eine Bar für ältere, doch von innen entpuppte sie sich als eine hervorragende Disco für Leute in unserem Alter.
Ich setzte mich an die Bar und bestellte mir etwas zu trinken. Die Musik war laut und der Bass strömte durch meinen Körper.
"Willst du tanzen?", fragte mich eine raue Stimme. Ich drehte mich um und entdeckte Derek. "Gerne.", sagte ich grinsend.
Hand in Hand gingen wir auf die Tanzfläche. Es waren ziemlich viele Leute in der kleinen Disco, wodurch wir eng aneinander gepresst wurde.
Ich legte meine Hände hinter seinen Nacken und er legte seine auf meine Hüften. Meine Hüften ließ ich langsam zur Musik von der einen auf die andere Seite schwingen und drückte mich noch enger an ihn. Ich fuhr mir mit den Händen durch die Haare und legte meinen Kopf in den Nacken.
Ich schaute zu Derek und lächelte als ich seinen Blick sah. Er klebte förmlich an mir. Das war mein Zeichen, meine Hüften noch mehr schwingen zu lassen.
Sein Blick wanderte von meinen Hüften, zu meinen Brüsten, zu meinen Lippen, zu meinen Augen und wieder zu meinen Lippen. Bevor ich überhaupt reagierten konnte, lagen seine Lippen auf meinen und küssten mich stürmisch.
Es war kein gefühlvoller Kuss, er war voller Verlangen und Gier.
Ich drückte ihn von mir und schaute ihn unglaubwürdig an.
"Was soll das? Was fällt dir ein mich einfach zu küssen!", schrie ich über die Musik hinweg.
"Tu nicht so, als würde es dir nicht gefallen.", meinte er grinsend und drückte seine Lippen wieder gegen meine. Seine Hand wanderte von meinen Hüften, hinunter unter mein Kleid.
"Lass mich in Ruhe.", schrie ich.
Ich ging einen Schritt zurück, doch er zog mich wieder zu sich und küsste mich erneut. Ich versuchte ihn wieder von mir zu drücken, doch er war zu stark.
Jemand riss mich von ihm und egal wer es war, ich war ihm so dankbar.
"Sie sagte du sollst sie in Ruhe lassen.", hörte ich Colton und Zayn schreien.
"Was wollt ihr? Geht mir aus dem Weg. Ich muss zu meinem Mädchen.", meinte Derek monoton und versuchte sich an den beiden vorbei zu drücken, doch sie hielten ihn an den Armen und schupsten ihn zurück.
"Lass deine dreckigen Pfoten von Sabrina. Ist das klar?", schrie Colton aggressiv, was mich zum zusammenzucken brachte.
"Sonst was?" "Sonst bekommst du es mit uns zutun!", wurde nun auf Zayn aggressiv. Ich stand nur hinter den zwei und konnte mich nicht rühren.
"Warum beschütz ihr sie überhaupt? Sie knutscht doch mit jedem rum und fickt bestimmt auch jeden. Sie ist eine Schlampe!"
Tränen brannten in meinen Augen und ich hielt mir geschockt die Hände vor dem Mund. Ich dachte Derek wäre mein Freund und dann nennt er mich eine Schlampe?
Ich konnte durch meinen dichten Tränenschleier kaum was sehen, nur dass Zayn auf Derek lag und auf ihn einschlug. Colton drehte sich zu mir und zog mich aus der Disco heraus.
"Beruhig dich Sabrina." Er nahm mich in den Arm und tröstete mich. "Denkst du... Denkst auch, dass ich eine Schlampe bin?", fragte ich ihn schluchzend und schaute in seine Augen.
"Nein.", sagte er und schaute mir dabei auch in die Augen. Seine Augen zeigten, dass er die Wahrheit sprach.
Colton's Sicht:
"Ich muss hier weg.", murmelte sie und nahm meine Hand. Hand in Hand gingen wir durch mehrere kleinen Straßen.
Sabrina zog mich in einen Hinterhof, eine Treppe hinauf und durch ein verlassenes Haus.
Auf dem Dach setzte sie sich an die Kante und ließ ihre Beine an der Hausmauer hinunter hängen.
"Wow.", sagte ich leise, nachdem ich mich neben sie gesetzt hatte.
"Woher kennst du diesen Ort?", fragte ich sie und genoss den Ausblick.
"Ein halbes Jahr nach Graces Tod bin ich für ein Jahr hierher. Ich brauchte Abstand von allem und von jedem. Ich konnte meiner Mutter nicht mehr in die Augen sehen. Ich habe mich für ihren Tod auf einer Weise schuldig gefühlt. Und in dem Jahr, in dem ich hier war und es mir richtig beschissen ging, bin ich hierher. Eine Freundin aus der Schule hatte es mir gezeigt. Ich war ziemlich oft hier oben. Manchmal habe ich hier sogar geschlafen. Von hier kann man die ganze Stadt sehen. Man hört die Menschen um sich herum, wenn sich Paare streiten, trennen, wieder zueinander finden oder dem anderen seine Gefühle gesteht. Man kann hier oben alles spüren. Alle Emotionen. Ich hatte eine Zeit lang eine Decke hier versteckt und habe mich dann in die Mitte gelegt und in den Himmel geschaut. Ich habe mir vorgestellt, dass einer der Sterne Grace ist und sie auf mich hinunterschaut. Und ich war glücklich."
"Erzähl mir etwas über dich Sabrina. Etwas, was niemand weiß.", sagte ich und schaute sie an. Ich war sofort in ihren Augen gefangen, aber fühlte mich dennoch frei.
"Mein eigentlicher Name ist Aurora Sabrina, aber mich nennt niemand Aurora, nur Grace hat mich so genannt. Als sie starb ist meine Welt zusammengebrochen und ich habe angefangen zu trinken, zu rauchen und zu feiern. Mein bester Freund hat es aber dann geschafft, dass ich wieder damit aufhöre. Ich hatte frühe manchmal Albträume und seitdem meine Schwester Tod ist, habe ich schlimmere und sie wurden immer mehr, weshalb ich auch in Behandlung war und Tabletten bekommen habe. Mein Vater war nur kurz zu Graces Beerdigung da und hat nichts gesagt, obwohl sie es sich so sehr gewünscht hätte. Sie hatte damals einen Abschiedsbrief geschrieben, in dem zwar nicht stand, warum sie es tat, aber dass sie uns alle liebt und dass sie sich gewünscht hätte, dass Dad da wäre und er an ihrer Beerdigung etwas auf der Gitarre für sie spielen sollte. So wie er es früher immer tat, doch er tat nichts. Er stand ganz hinten im Raum und war als erster weg.
Ein halbes Jahr später bin ich hier her, ich habe es nicht mehr ausgehalten. Das erste Viertel Jahr hatte ich mit niemandem geredet, nur mit Maria. Sie war für mich da, hat mir zugehört und war eigentlich die Einzige, die mich nicht mit diesem Blick angeschaut hat, dieser "es tut mir leid, aber ich weiß nicht was ich sagen soll"-Blick, ich hasse diesen Blick, oder mich wie Glas behandelt hat. Grace, Maria und ich waren früher unzertrennlich und es war so, als wäre sie unsere Schwerter, deswegen hat es ihr genauso wehgetan, als Grace gestorben ist und war, neben meiner Mutter, die Einzige die wusste, wie es mir wirklich ging.
Ich habe sie so sehr geliebt, wie man einen Menschen nur lieben kann. Ich habe sie mehr als mich selber geliebt oder als irgendeinen Menschen auf der Welt. Mit ihrem Tod hat sie meine Liebe mit sich genommen. Ich kann und will nicht mehr lieben können, weil ich nicht mehr verletzt werden will.
Ich habe hier oben angefangen zu zeichnen. Ich habe ganz laut Musik gehört, mich in die Ecke gesetzte und den Ausblick gezeichnet. Ich wollte die schönen Dinge einfangen, Sie behalten."
"Du hast schon viel zu viel für deine 17 Jahre durchgemacht.", murmelte ich. Ich habe währendem sie geredet hat nicht einmal den Blick von ihr angewendet, ich wollte ihre Emotionen sehen und spüren, nicht nur ahnen. Sie setzte sich wieder aufrecht hin und laut aus atmete.
"Jeder muss mit etwas kämpfen und ich mit Albträumen aus meiner Vergangenheit.", meinte sie dann und schaute in die Ferne.
"Hast du oft Albträume?" "Früher hatte ich sehr viele, aber seitdem ich die Tabletten habe, geht es. Das Schlimme sind nicht die Träume an sich, das Schlimme ist, dass ich aus ihnen die aufwachen kann. Am Anfang hatte mein bester Freund immer bei uns geschlafen, damit er mich wecken konnte, wenn ich wieder einen Albtraum hatte."
"Genug von mir.", sagte sie nach einer kleinen Stille. "Erzähl mir etwas über dich. Ich weiß eigentlich nichts über dich.", meinte sie lächelnd.
"Über mich gibt es nichts zu erzählen.", meinte ich schulterzuckend. "Doch. Erzähl mir, warum du so bist wie du bist." "Wie bin ich?" "Meistens ein Arschloch.", kicherte das Mädchen neben mir.
"Danke. Das liegt wahrscheinlich an meinem Vater. Egal was ich mache, es ist immer falsch. Ich kann in der Schule so gut sein wie ich will, es ist nicht gut genug. Wenn ich etwas richtig mache, sucht er irgendetwas anderes, was er bemängeln kann. Es hat mir irgendwann gereicht und ich wollte ihm nichts mehr beweisen. Ich wollte ihm nur noch zeigen, was er mit seinem Tun bei mir anrichten. Somit habe ich angefangen früh morgens mit irgendwelche Weibern nach Hause zu gehen. Ich bin fast täglich betrunken gewesen und habe bei Kämpfen mitgemacht, nur damit sein Ruf zerstört wird. Irgendwann hat er mich ins Internat gesteckt, um 'vernünftig' zu werden. Das Schlimmste ist aber, dass ich meine Geschwister nicht sprechen darf. Ich sehe sie nur in den Ferien."
"Wenn du könntest, würdest du dein damaliges Verhalten ändern?" "Nein, ich glaube nicht. Ja klar, ich würde dann meine Geschwister täglich sehen, aber mein Vater würde mich weiter schikanieren und er würde einen anderen Grund finden, warum ich keinen Kontakt mehr zu meinen Geschwistern haben dürfte.", sagte ich wahrheitsgetreu.
Wir lauschten den Geräuschen der Stadt und genossen den Ausblick, der uns geboten wurde. Ließen die letzte Stunde ausklingen und die gefallenen Worte in uns einsickern.
"Colton?", brach das schöne Mädchen neben mir die Stille.
"Hmh?", fragte ich lächelnd und schaute sie an.
"Sind wir Freunde?"
Ich nickte und sie lächelte mich an.
"Colton?", fragte sie wieder.
"Sabrina.", sagte ich lachend.
"Du hast ein schönes Lächeln. Ich habe dieses Lächeln noch nie gesehen. Es ist wunderschön. Du solltest es öfters zeigen.", meinte sie leise und schaute mir dabei intensiv in die Augen.
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Kann aus Hass wirklich Freundschaft werden? Was denkt ihr?