Es war viel Zeit vergangen seit dem Schulbeginn und es war viel passiert. Mathe hatte mir bis jetzt keine schweren Probleme bereitet und darüber war ich sehr froh, doch mich beschäftigte etwas anderes. Besser gesagt, jemand anderes. Miss Brown war mir immer sympathischer geworden nach dem Vorfall in der Bibliothek. Sehr sympathischer. Es war ziemlich merkwürdig, doch plötzlich fühlte ich mich in ihrer Gegenwart ziemlich unsicher und ertappte mich auch öfter, wie ich sie ansah. Ich wusste nicht, was mit mir los war, ich fühlte mich wie ausgewechselt. Plötzlich war ich auch aufgeregt, wenn sie hinter mir stand und beobachtete, ob ich die Rechnungen richtig ausrechnete und wenn sie mir etwas erklärte, fingen meine Beine plötzlich an zu zittern. Ich hatte keine Ahnung, was vorging und deshalb dachte ich einfach, dass ich ziemlich viel Sympathie für Miss Brown empfand, was auch verständlich war: Sie war eine der nettesten und hilfsbereitesten Lehrerinnen an unserer Schule. Mit dieser Begründung gab ich mich eine Zeit lang zufrieden, doch dann fing plötzlich mein gesamter Körper an zu kribbeln, als Miss Brown's meerblaue Augen einmal in meine sahen und plötzlich wollte ich öfter in ihrer Nähe sein. Ich ertappte mich, wie ich einmal auf ihre Lippen gesehen hatte und das war leider nicht unbemerkt geblieben. Miss Brown hatte mich dabei ertappt und mich fragend angesehen, ich war rot angelaufen und hätte am liebsten im Boden versinken wollen. Diese Momente, in denen mein Verstand komplett verrückt spielte, wiederholten sich aber öfter und plötzlich begann ich zu zweifeln, dass da nur Sympathie hinter meinem Verhalten steckte. Ich hatte unendlich viele Tage nachdenklich verbracht, was mit mir los war und ich kam zu einem absurden Ergebnis: Empfand ich etwas für Miss Brown? Es klang verrückt, ich hatte noch nie auf Frauen gestanden und Miss Brown war nicht nur eine Frau, nein, sie war älter als ich und außerdem eine Lehrerin, die ich auch noch im Unterricht hatte! Es klang alles komplett verrückt: Ich konnte mich doch nicht in meine Lehrerin verliebt haben... So beschloss ich, es nur für eine Phase zu halten, die wegen der Pubertät entstanden war. Ich war 17 und da war das ziemlich einleuchtend, doch ich hatte mich getäuscht. Es ging alles weiter: Immer mehr bewunderte ich Miss Brown und konnte mich kaum noch in ihrem Unterricht konzentrieren, da meine Gefühle total verrückt spielten. Ich wusste mir gar nicht mehr zu helfen, denn Miss Brown war plötzlich gefühlt überall. Ich kämpfte Tag für Tag mit mir selbst, versuchte in ihrem Unterricht meine Gefühle zu verdrängen, doch es half alles nichts. Ich hatte mich wirklich in Miss Brown verschossen. Ich redete mit niemandem darüber, da ich mir selbst etwas verrückt vorkam und vor allem würde mich jeder für verrückt halten, wenn ich ihnen erzählte, dass ich meine Mathelehrerin attraktiv fand, oder? Ich zog mich immer mehr zurück, vermied es, mit Miss Brown zu sprechen, auch wenn alles in mir danach schrie, dass ich es doch tun sollte. Ich hatte lange Zeit mit mir selbst gekämpft, zu akzeptieren, dass ich auch Frauen attraktiv fand und versuchte still schweigend damit klarzukommen, in Miss Brown verliebt zu sein...
***
Ich ließ meine Tasche achtlos auf den Holzboden meines Zimmers fallen und kramte meinen Laptop hervor. Meine Aufgaben konnte ich später auch noch erledigen...Ich steckte die Kopfhörer an und surfte im Internet, während ich Musik hörte. Gedankenverloren las ich einen Blog und scrollte weiter, doch nach einiger Zeit, hatte ich keine Lust mehr und verräumte den Laptop und die Kopfhörer wieder. Ich starrte an die Zimmerdecke. Wie sollte ich dieses Schuljahr bloß überleben? Wer hätte denken können, dass ausgerechnet ich mich in eine verbotene Person so sehr verlieben würde? Ich seufzte.
Plötzlich vibrierte mein Handy und ich zuckte zusammen, da ich so sehr in Gedanken vertieft gewesen war. Träge fischte ich es aus meiner Hosentasche und blickte auf das Display. Ich hatte eine neue Nachricht bei Facebook. Neugierig klickte ich sie an.
JonasBäcker18: Hey Aly. Lange nicht mehr gehört, tut mir leid, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe. Wie geht es dir so?
Ich starrte die Nachricht einen Moment ungläubig an. Jonas. Der Jonas, mit dem der Kontakt eigentlich abgebrochen war und den ich in einem Club in Kroatien kennengelernt hatte, schrieb mir wieder? Sollte ich ihm antworten? Nach langem Hin und Her Überlegen, tippte ich schließlich eine Nachricht.
Ich: Hey...Schön von dir wieder zu hören, dachte nicht mehr, dass wir uns noch einmal schreiben.
Ich wartete einige Zeit ab, dann schien er plötzlich online zu sein, denn er schrieb etwas. Kurz darauf erschien die Nachricht auf meinem Display.
JonasBäcker18: Ja, das tut mir auch sehr leid. Ich hatte sehr viel Stress in der vergangenen Zeit. Wir sind nach Dänemark umgezogen. Ich will es wieder gut machen, dass wir so lange nicht mehr geschrieben haben. Hoffe du hältst mich jetzt nicht für einen totalen Idioten :'D
Ich überlegte. Ich musste zugeben, dass es mir eigentlich immer Spaß gemacht hatte, mit ihm zu schreiben. Sollte ich weiter darauf eingehen?
Ich: Na schön, ich muss zugeben, dass ich vermisst habe, mit dir zu schreiben. Was denkst du denn? - Natürlich bist du der größte Idiot, den ich kenne :D Was meinst du mit wieder gut machen?
JonasBäcker18: Haha, das habe ich vermisst. Naja, ich verbringe bald ein paar Tage in deiner Stadt und da könnten wir uns ja vielleicht treffen, wenn du willst :-)
Ich: Okay, warum nicht? :)
JonasBäcker18: Cool. Ich schreib' dir dann noch alles genau, muss aber jetzt los. Danke Aly, bis später.
Ich: Okay.
Ich legte mein Handy zur Seite und dachte nach. Hatte ich es ihm zu einfach gemacht? Immerhin hatte er sich Monate lang nicht gemeldet...Ich schob den Gedanken schnell beiseite, Es war vielleicht gar nicht so schlecht, dass er sich wieder gemeldet hatte.