Alex und ich brüteten den ganzen nächsten Tag mit unseren Gitarren über diversen Zetteln. Erst saßen wir auf meinem Hotelzimmer, dann zogen wir am späten Nachmittag um. Draußen war es zu kalt, um sich irgendwo hinzusetzen und so landeten wir in der relativ leeren Hotelbar in den oberen Stockwerken des Hotels. Die Aussicht war bei Weitem nicht so atemberauben wie in Berlin, aber trotzdem war es ein schöner Platz. Wir hockten auf zwei alten, großen Sofas und außer uns waren nur 2 weitere Gäste hier, die am Tresen saßen und der Barkeeper spülte geschäftig Gläser oder versuchte irgendwie beschäftigt zu wirken. Alex wollte den Abend mit Mina verbringen, was ich verstand und so verabschiedete er sich gegen halb 10 von mir und verschwand auf sein Zimmer, während ich noch oben sitzen blieb und alles nochmal durchging. Ich war noch nicht müde und niemand wartete auf mich, Mina war tagsüber mit der Band in der Stadt unterwegs und abends essen gewesen, während Alex und ich nicht mal die Nase aus dem Fenster gehalten und nur nebenbei was gegessen hatten.
Ich bestellte mir ein Glas Wein und obwohl dieBarr am Abend doch noch etwas voller geworden war, hatte sich mittlerweile der letzte Gast verabschiedet.
„Halte ich sie hier von irgendetwas auf?", hatte ich den Barkeeper gefragt, aber der hatte nur gelacht, meinte, dass ihm die Musik gefiel und seine Schicht erst um 12 endete.
Ich nippte also an meinem Wein und arbeitete weiter an den Songs, während er entspannt am Tresen lehnte und auf seinem Handy herum tippte. Als ich kurz aufsah und überlegte noch ein Glas zu bestellen, lehnte Samu grinsend im Türrahmen und umklammerte den Hals seiner Gitarre.
„The suspect always returns to the crime scene." Brummte er und lachte.
Er bestellte einen Tee und setzte sich auf das Sofa mir gegenüber. Neben mir türmten sich noch immer die Papiere und ich legte den Kugelschreiber weg und sah zu ihm rüber.
„Was machst du hier?"
„Same as you. I don't know. I like bars. Especially when sie sind empty. It gives me a special feeling of loneliness, if I'm on places, which are usually crowded or used to be fun places. Und es ist calm. Nicht so bad lights, like in die hotel room. Es ist eine bisschen nicer here. And there are drinks." Lachte er und nickte dem Barmann zu, der einen weißen Becher und eine alte silberfarbene Kanne und etwas Zucker und Honig auf den Tisch zwischen uns stellte.
„Bist du krank?" fragte ich und deutete auf den Tee.
„No. Not really. Aber meine throat ist nicht so gut und some guys von die orchestra are sick. I used to act like eine hypochondriac, wenn people sind sick around me. Especially on tour, weil ich habe immer Angst, dass ich werde krank. I wash my hands a hundred times a day. I'm losing my mind." Lachte er gespielt irre.
Irgendwie war das komisch diese Dinge aus seinem Mund zu hören. Noch nie hatte er sowas erwähnt und noch nie hatte ich ihn irgendwie krank gesehen oder wusste davon, dass ihn sowas beschäftigte. Dieser Mensch, den ich so gut kannte und der mir so nahe gestanden hatte, erzählte mir plötzlich Dinge von sich, die ich hätte wissen müssen. Aber woher? Ich hatte nie die Gelegenheit gehabt ihn so zu erleben. Ich erinnerte mich an das erste Konzert in Helsinki im letzten Jahr. Erst war er aufgeregt und hibbelig gewesen wie ein kleiner Junge und je näher der Abend rückte, desto ruhiger und in sich gekehrter war er gewesen und je ruhiger er wurde, desto aufgeregter wurde er. Jetzt wirkte das alles, als würde er diese Tour nur nebenbei spielen. Als ginge es eigentlich darum 100 Leute durch die Lande zu treiben und die Konzerte seien nur zum Spaß. Außer mit einem kleinen oder etwas größeren Kater, hatte ich Samu nie körperlich schwächeln sehen. Vielleicht mal etwas gestresst oder müde. Einen Waschzwang hatte er auch nie an den Tag gelegt. Er wirkte wie ausgewechselt, aber eigentlich war das einfach nur eine Seite an ihm, die ich nicht kannte und nie kennengelernt hatte. Ohne, dass es wirklich jemand mitbekam, war er einer von wenigen Strippenziehern und erledigte viele Dinge allein. So kannte ich ihn. Er war sich nicht zu schade selbst auf dem Boden herumzukriechen oder lief durch die halbe Halle und suchte jemanden, der bei irgendetwas helfen konnte. Er war wirklich bemüht sich um alles um ihn herum zu kümmern und jedem gerecht zu werden. Es schien ihm wirklich unheimlich wichtig zu sein, dass sich jeder auf dieser Tour wohl fühlte. Er unterhielt sich mit den Leuten, war eigentlich immer freundlich - obwohl ständig jemand etwas von ihm wollte -, lachte viel und wirkte ihm Ganzen total entspannt. Trotzdem fand er auch immer wieder Zeit für sich und die wollte ich ihm nicht stehlen. Er hatte genug um die Ohren.
Ich legte meine Gitarre zur Seite und fing an die Zettel zusammen zu räumen.
„Bist DU krank? Cold? Diarrhea? Flu?"
„Nein." Lachte ich und schob die Zettel in meinen Block zurück.
„Dann du musst nicht gehen."
„Ich dachte du willst vielleicht ein wenig allein sein. Du hast ständig so viele Leute um dich. Ich kann fast nicht nachvollziehen, dass du noch keine Axt ausgepackt hast."
Samu lachte kehlig.
„Alle sind sehr nice here. I know this will kill me, wenn ich bin wieder zu Hause und es ist so calm. But these days, I don't feel, dass ich muss sein alone. Being surrounded by so many people doesn't feel like stress to me. Not now. Wenn ich bin in meine Bett in Helsinki, I will recognize, dass ich war unter Strom half of the day and I will miss it like hell and will fall asleep with the TV on." Lachte er. „Stay! I mean, here we are. Two musicians, two guitars."
Samu zog die Augenbrauen hoch und grinste breit. Ich sah ihn etwas fragend an.
„Ist das dein Ernst?"
„Sure! Why not."
Er blickte zur Bar rüber und rief:
„Bitte noch eine drink for die lady here. Sie ist eine bisschen shy without drinking."
Der Barkeeper lachte und wartete gar nicht ab, ob ich dem zustimmte, sondern kam rüber und füllte das Weinglas bis zum Anschlag voll. „Mit Berg" hätte Alex gesagt.
„Stop!" lachte ich und Samu applaudierte dem grinsenden Kellner, der sich wieder hinter seinen Tresen verzog.
„Dafür will ich jetzt aber auch was hören." Forderte er und stellte die Flasche zurück in den Weinkühler.
„Wenn sie hat das getrunken you'll get a lapdance. I promise!"
„Von dir oder von ihr?" fragte der Mann gespielt ängstlich.
Samu sah wieder zu ihm rüber, wackelte mit den Augenbrauen und meinte mit tiefer Stimme:
„It's up to you."
Dann prustete er aber los und krümmte sich vor Lachen und auch der dunkelhaarige Barkeeper lachte laut mit.
„Sie ist nicht so good mit die lapdance ding. So you better choose wisely." Fügte er hinzu und auch ich musste lachen, warf aber gespielt empört eine Erdnuss nach ihm.
„Hey! Was soll das denn heißen?"
Samu ignorierte den ersten Nussangriff. Beim Zweiten versuchte er die Nuss mit dem Mund zu fangen und beim Dritten gelang es ihm, wobei wir noch mehr anfingen zu lachen und er sich rückwärts in die Polster fallen ließ. Der Barmann schüttelte lachend den Kopf, während Samu noch immer, nach Luft ringend, laut lachte und ich über meinen Knien hing und das Gefühl hatte mein Kopf hätte 100 Grad.
„Sorry." Lachte er nun leiser, setzte sich wieder auf, hustete und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „That was too easy."
Ich sah auf und wischte mir eine Lachträne beiseite.
„Sorry!" sagte er wieder, räusperte sich und setzte sich gespielt ordentlich hin. „Back to business. What do you have? Eine neue song oder es ist noch immer die same we sang in the bus?"
„Nein." Meinte ich heiser und balancierte das viel zu volle Weinglas an meine Lippen. „Es ist was anderes. Aber wieso kommt du immer und spionierst bei uns? Was hast du denn? Quid pro quo."
„Meine ideas waren nicht so gut during the tour. I just used it to calm down a little, when es ist late oder ich kann nicht schlafen."
"Du hast in Berlin was gespielt. Ich erinnere mich daran. Das war nicht nur Geklimpere."
„Aber das war nicht good."
Ich zog meine Gitarre auf den Schoß und spielte die Akkordreihenfolge, die er immer wieder wiederholt hatte, bevor ich mich zu Wort gemeldet hatte und summte leise die Melodie, die irgendwie hängengeblieben war. Wir mussten beide grinsen, als ich demonstrativ am Ende ein E anschlug.
„Warum du weißt noch?", fragte er ertappt und schüttelte ungläubig den Kopf. „That is shit."
„Wenn ich es mir gemerkt habe, kann es nicht so schlecht gewesen sein."
„Ich habe es recorded mit meine mobile, aber I used to stop at the same line again and again und dann ich habe gedacht ich versuche nochmal nach der Tour. Vielleicht ich bin nicht in die right mood for this."
„Es klingt ein wenig melancholisch." Meinte ich und sah zu ihm rüber.
Samu nickte.
„Ja. Deswegen ich sage, dass ich bin nicht in die right mood. I felt really happy during the tour. Ich bin nicht sad. Maybe I do have tiny moments wo ich bin eine bisschen melancholic... maybe I was in Berlin that night."
Wieder spielte ich die Akkorde an und summte die Melodie, die Samu damals in Berlin vor sich her gesungen hatte, sponn etwas dazu und fing von vorn an, bis ich eine Idee hatte, wie es weitergehen könnte. Ich versuchte 2 oder 3 andere Akkorde und hängte sie hinten dran. Samu fischte sein Handy aus der Hosentasche und legte es auf den Tisch zwischen uns.
„Do that again!" meinte er leise, starrte auf die Tischplatte und hörte konzentriert zu.
„I like that." Sagte er, als ich es wiederholt hatte, grinste und startete die Aufnahmefunktion nochmal.
„Again!"
Samu stieg mit ein und summte leise, während er auf meine Gitarre schielte.
Er summte etwas weiter und schlug einen anderen Akkord an.
„No." Er sah kurz auf, grinste und fing nochmal von vorn an. Dann stoppte er die Aufnahme.
„Kann ich haben eine Stift und eine piece von die paper?"
„Klar." Meinte ich und reichte ihm meinen Block und den Kuli rüber.
Samu kritzelte darauf herum, spielte nochmal von vorn und notierte noch etwas.
Ich saß ein wenig in Gedanken auf dem Sofa und beobachtete ihn. Ich konnte nicht zählen, wie oft ich ihn nachts ihm Wohnzimmer gefunden hatte, weil er an etwas arbeitete oder sich, wie damals, auf eine Tour vorbereitete. Ihn wirklich konzentriert dabei zu sehen, wie er einen Song schrieb war mir vollkommen neu. In unserer gemeinsamen Zeit war irgendwie nur einer zur Zeit wirklich kreativ gewesen und ich hatte die meiste Zeit mit dem Schreiben verbracht, als Samu in Barcelona gedreht hatte. Ich war einsam gewesen in meinem neuen Zuhause und solange das Studio nicht fertig gewesen war, hatte ich keine andere Aufgabe gefunden und dieses emotionale Loch hatte wenigstens für eine Sache gut sein sollen. Ich hatte Samu vermisst, Alex hatte mir gefehlt, die Sonne, LA und das Gefühl irgendwo zu Hause zu sein oder eine Bezugsperson zu haben. Finnland hatte sich noch immer irgendwie fremd angefühlt und außerdem war es, zu dem Zeitpunkt, kalt und dunkel gewesen. Samu konnte gar nichts daran ändern, so gern er es getan hätte, aber es war keine Zeit dagewesen und das es mir nicht gut ging, hatte ihn nur weiter belastet. Die Zeit war wirklich selten auf unserer Seite gewesen und so hatten wir solche Momente eigentlich nie miteinander geteilt. Als Samu und ich uns in Berlin vor anderthalb Jahren wiedergesehen hatten, steckte er in der Produktion für „The Voice of Germany". Kurz darauf mussten wir unseren Urlaub verkürzen, weil er nach Spanien flog, um die nächste Fernsehshow zu drehen. Wenn er zu Hause war, sah ich ihn höchstens nachts mal mit der Gitarre. Von neuen Songs hatte er nie was erzählt und ich hatte auch nie wirklich etwas davon gehört oder mitbekommen. Vielleicht hatte ich ihn gar nicht mehr als Musiker wahrgenommen. Ihn da auf einer Bühne stehen zu sehen, macht für mich noch lange keinen Musiker aus. Ich kannte massenweise Musiker, die auch welche waren, aber nie eine Bühne betreten hatten. Die dafür brannten, was sie taten und deren Welt nichts anderes bewegte. So wie es auch bei mir oder Alex war. Aber ich hatte genauso viele Leute getroffen, die sich für Musiker hielten, weil sie wussten wie man in ein Mikrofon sang und dabei gut aussah, aber deswegen noch lange keine waren. In meinem Gedächtnis waren nur wenige musikalische Erinnerungen von Samu. Die prägnanteste war die Darbietung von „Hollywood Hills" auf meiner alten Terrasse in LA. Obwohl wir uns so nahe gestanden und zusammen unter dem gleichen Dach gelebt hatten, hatten wir das, was uns vielleicht mal zusammengebracht hatte oder auch unsere größte Gemeinsamkeit war, niemals miteinander geteilt.
Ihn jetzt hier sitzen zu sehen, vertieft über seinem Zettel, auf einem Fuß sitzend, immer wieder mit geschlossenen Augen... diesen Samu kannte ich nicht. Der war mir vollkommen fremd. Ihm musste es doch eigentlich ähnlich gehen, aber er wirkte so vertieft, als würde er solche Gedanken nicht haben und schien auf das wesentliche konzentriert.
Ich schämte mich fast bei dem Gedanken, dass wir anscheinend so sehr mit uns und unseren vielen Dramen und eigenen Baustellen beschäftigt gewesen waren, dass wir eins total außer Acht gelassen hatten. Das war zwar nicht unbedingt die Wurzel allen Übels, aber was die Musik anging, hatte jeder irgendwie sein eigenes Süppchen gekocht.
Samu spielte wieder alles durch und ich klimperte dazu eine Melodie. Immer wieder lächelte er zu mir rüber, biss sich auf die Lippe, kniff die Augen zu und nickte unermüdlich. Anscheinend gefiel es ihm, was hier entstand. Wieder schrieb er etwas auf und spielte von vorn.
Der Barkeeper war längst in Vergessenheit geraten, als dieser bei uns auftauchte, eine neue Kanne Tee auf dem Tisch platzierte und andeutete mir den Wein nochmal nachzuschenken.
„Nein, Danke", lachte ich, „ich glaube ich nehme auch was davon."
Er stellte einen zweiten Becher auf den Tisch und verschwand wieder hinter seinem Tresen und wurde von uns vollends ausgeblendet, während wir schon dabei waren Worte für die erste Strophe zu finden. Erst, als der Mann um Mitternacht in seinen wohlverdienten Feierabend gehen wollte, fiel uns auf, wie spät es war und wir früh aufbrechen mussten, um nach München zu fahren.
„We should really go to sleep." brummte Samu etwas heiser.
"Und du solltest jetzt die Klappe halten." Meinte ich und sah ihn etwas überrascht an. „Du musst morgen singen. Am Ende bin ich Schuld, wenn du dich anhörst wie Joe Cocker."
Er lachte und stellte die Gitarre neben sich.
„Was worth it und Joe Cocker doesn't sound so bad." Meinte er nur und nickte lächelnd.
„Lass uns gehen." Sagte ich leise, schob meine Unterlagen zusammen und überließ Samu seine.
Als wir nebeneinander im Fahrstuhl standen, sprachen wir nicht. Jeder grinste vor sich hin. Ich fühlte irgendwie Zufriedenheit und Samu ging es anscheinend nicht viel anders. Wahrscheinlich hatte keiner von uns beiden gedacht, dass das funktionieren konnte oder wir überhaupt in der Lage waren zusammen an einem Song zu arbeiten. Wir hatten es ja auch noch nie ausprobiert und schienen beide überrascht, wie gut wir hier harmonierten und uns ergänzten.
„Sagst du Alex?", fragte er und grinste mich durch die verspiegelte Tür an.
„Was?"
„That you cheated on him." flüsterte er gespielt und zwinkerte.
„Er muss nicht alles wissen." Grinste ich verschwörerisch.
„Did you like it?"
Ich nickte.
"Hab ich eine good job gemacht?"
„Ja. Sehr gut."
„We should..." er schnalzte zweimal mit der Zunge. ..."you know."
„Was?" ich sah ihn von der Seite an.
„We should do that again."
"Also hattest du auch deinen Spaß?"
„Oh yes."
Die Fahrstuhltür ging auf und ich trat in den Flur. Samu folgte mir, blieb aber vor dem Lift stehen.
„Dann sollten wir das wiederholen." Meinte ich, als ich mich zu ihm umdrehte und die Tür sich hinter ihm wieder schloss.
„I would love to." Sagte er ruhig und lächelte.
„Wo musst du lang?", fragte ich und sah den Gang suchend entlang.
„Up." Er deutete mit dem Finger nach oben.
„Ich muss hier runter." Ich zeigte in den Flur und Samu nickte.
"Also, bis morgen. Danke, das war wirklich schön."
Samu grinste und noch bevor ich mich zum Gehen umdrehen konnte, fühlte ich seinen Gitarrenhals an meinem Rücken und er zog mich in einer Umarmung.
„Thank you." Murmelte er und drückte mich fest an sich. Ich schlang einen Arm um seine Taille und lehnte mich gegen ihn.
„Das war wirklich schön." Sagte er leise. Ich machte Anstalten mich aus der Schraubzange zu befreien, aber Samu dachte gar nicht daran mich loszulassen. Das war das erste Mal, dass wir uns wirklich berührten und es fühlte sich vertraut an. Seine Nähe, sein Geruch. Das war mir nicht fremd. Stieß aber in meinen Kopf Erinnerungen los, die ich schon längst vergessen hatte. Nicht vergessen, aber jetzt waren sie präsenter, als die Monate zuvor. Etwas was ich lange von mir geschoben hatte. Ich stand da wie eine Puppe und starrte an die Decke.
„Es ist komisch, dass wir das vorher nie zusammen gemacht haben, oder?" sagte ich zum Strahler an der Decke.
„Ja. Ich habe das gedacht auch." brummte er und hielt mich noch immer fest. Ich fühlte seine Hand an meinem Schulterblatt und der Gitarrenhals drückte noch immer wegen meine Wirbelsäule. Ich hielte mein Instrument noch immer fest umschlossen und sah weiter die Lampe an. Samu drückte mich noch mal an sich und als er seine Nase in meinen Haaren vergrub und ich merkte, wie ruhig er atmete, schloss ich die Augen und lehnte die Stirn an seine Schulter.
„Schlaf gut." Sagte ich leise.
„Du auch." Kam es zurück und er ließ mich langsam los, lächelte und drückte den Knopf des Fahrstuhls, während ich den Gang zu meinem Zimmer runterging.
Ich hätte nicht gedacht, dass die kleine Geste so viel in meinem Kopf lostreten konnte. Samu war kein Thema mehr und ich hatte mein Leben neu geordnet und war froh gewesen, dass wir anscheinend einen Weg fanden, wie wir wirklich gut miteinander klarkamen. Zumindest über diesen kurzen Zeitraum in dieser eigenartigen Umgebung dieser Tour. Trotzdem waren all die Erinnerungen und Gefühle, die damit verbunden waren nun wieder in meinem Kopf und das war das Letzte, was ich wollte. Das war nur eine Umarmung gewesen, aber sie war ehrlich und ich wusste, dass ihm das etwas bedeutete. Das war kein kumpeliges High Five oder ein freundschaftlicher Schlag auf die Schulter. Keine Händedruck und auch nicht einfach nur eine Umarmung gewesen. Es hatte sich intim und vertraut angefühlt und genau das war auch das, was er rüberbringen wollte. Ich kannte ihn. So war er schon immer gewesen. Jedenfalls bis er aus Barcelona zurückgekommen war. Er ließ sich von einem Gefühl leiten und dachte nicht nach, was das auslöste oder bewirken konnte. Samu tat es einfach, weil es das war, was er in dem Moment wollte. Wahrscheinlich hatte ihn dieses ganze Drumherum der Tour und dieser Abend, an dem wir unsere Talent miteinander geteilt hatten, irgendwie emotional werden lassen. Das Dumme war nur, ich fühlte mich mittlerweile genauso.
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Ich klopfte an Sophias Tür, aber sie öffnete nicht. Auf meine Nachricht hatte sich nicht geantwortet und sie auch noch nicht gelesen. Eigentlich wollte ich sie nur kurz bitten in ihre Tasche zu gucken, ob sie vielleicht versehentlich ein paar Dinge eingesteckt hatte oder ob die noch im Bus lagen, aber sie war nicht da. Ich fuhr nach oben, weil ich sie noch in der Bar vermutete, wo ich sie hatte sitzen lassen. Als ich in der Tür stehen blieb, traute ich meinen Augen nicht. Da saßen Sophia und Samu mit ihren Gitarren. Hochkonzentriert. Es wurde gelacht und gesprochen. Als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Am Tresen lehnte ein grinsender Barmann, der auf seinem Handy tippte und aufmerksam lauschte. Ich hatte die beiden noch nie so gesehen, trotzdem wirkte es so, wie man es sich wahrscheinlich immer zwischen ihnen vorgestellt hatte. So kannte ich Sophia nur, wenn wir zusammen waren. Samu spielte etwas, Sophia kommentierte, machte einen Vorschlag und stieg mit ein. Ich wusste, dass die beiden sich wieder verstanden, aber dass sie in so trauter Zweisamkeit zusammensaßen war mir neu. Wieder lachten sie und Samu kritzelte was auf seinen Block.
Mina kam den Gang runter und lächelte.
„Hast du Samu gesehen? Ich glaube, dass er das Ding als Letztes hatte. Ich dachte vielleicht ist er hier oben. Er schleicht sich öfters in irgendeine Hotelbar." Lachte sie, schlängelte sich an mir vorbei und wollte die Lounge betreten, als ich sie am Arm festhielt.
„Wenn du da jetzt reingehst, muss ich dich leider töten."
Heimkehr
By Sunset82
Samu & Sophia Teil 3. Fortsetzung von "Von der Muse geküsst" und "Klimawandel". Inklusive der beiden OS in me... More