Es sind nur Bruchteile von Sekunden. Aber es kommt mit vor als würden wir uns allein mit unseren Blicken Stunden lang unterhalten.
Josh sieht mich vorwurfsvoll an und das obwohl er nicht ansatzweise das Recht dazu hat.
Außerdem sind seine Lippen fest aufeinander gepresst und in seinen Augen schwingt etwas mit, das aussieht als wäre er verletzt.
Verletzt, dass ich einen anderen Küsse, jemand der natürliches Haar und unberührte Haut hat. Jemanden der noch mehr strahlt als er.
Aber ich kann auf seine Gefühle nicht anders reagieren als ihn wütend anzusehen und ein: "verschwinde hier.", hervor zu pressen.
Der Schmerz steht ihm wie ins Gesicht geschrieben, aber ich ignoriere es.
Wie kann er sich nur einbilden, ich würde für immer Single und introvertiert bleiben.
Er hat Angel und mir noch dazu klar zu verstehen gegeben, dass das zwischen uns aus ist.
Ich habe ihm mehr als nur ein Zeichen gegeben.
Und erst jetzt wo ich endlich für ein paar Minuten nicht an Joshua gedacht habe, taucht er auf und zerstört alles.
Wie sollte ich jetzt also noch glücklich sein, dass er so verletzt ausgesehen hat.
Wie könnte ich nur?
Ich sehe Calvin wieder tief in die Augen, nachdem Josh uns den Rücken zu gewendet hat. Aber die Luft ist raus. Calvin sieht mich fast angeekelt an.
"Tut mir leid." Sagt er und streicht mir verabschiedend über die Wange.
Als ich ihn verwirrt ansehe, stoppt er seine Bewegung und Sagt,: "nimm es nicht persönlich, aber ich will dir keinen Stress mit deinem Freund machen. Egal was es ist, du solltest es so schnell wie möglich klären."
"Aber er ist nicht mein Freund." Antworte ich verdutzt.
"Dann solltest du das noch dringender klären." Mit diesen Worten lässt Calvin mich zurück. Er mischt sich unter die Menge und es ist, als wäre er nie da gewesenen. Nur der Geschmack seiner Lippen bleibt zurück.
-
Meine Atmung ist gleichmäßig und ruhig. Meine Wut auf Josh ist beinah wie weggeblasen.
Und die Stimmen dringen nur noch ganz leicht zu mir herüber.
Ich liege mit ausgestreckten Armen und Beinen auf einem großen Feld, gleich vor unserer Pension. Eigentlich wollte ich schon längst im Bett liegen, um diesen nerven aufreibenden Tag hinter mir zu lassen, aber ich kann meinen Schlüssel nicht finden.
Statt dessen habe ich mein Verhalten Josh gegenüber reflektiert und mir ist klar geworden, dass Josh zwar kein Recht dazu hatte, mich so herum zu wirbeln, aber er schlicht und einfach genau so verwirrt sein muss was seine Gefühle betrifft, wie ich es bin.
Ich werde also den ersten Schritt machen müssen und ihn, wenn das hier vorbei ist wirklich ein für alle mal loslassen. Egal wie weh es tut, es ist das beste.
Wie ich hier also so liege, habe ich gefühlt alle meine bestehenden Probleme aus der Welt geschafft und habe mich gerade damit abgefunden, dass ich die Nacht auf dem Feld verbringen werde. Doch plötzlich merke Ich, wie die Luft wärmer wird und die Stille sich mit Fußschritten mischt.
Zu erst zögere ich, mich auf zusetzten, aber als ich merke das die Schritte näher kommen, lehne ich mich auf meinen Ellenbogen und blicke in die Dunkelheit.
Wie aus dem Nichts steht plötzlich der Mann mit den lila Haaren vor mir. Und augenblicklich gewinnt das Chaos wieder in dem Kampf um meine Gedanken.
"Josh?" Ich kann es immer noch nicht ganz begreifen.
"Ja, ich bin's." Ohne einen weiteren Kommentar lässt er sich neben mich ins Gras fallen.
Verwundert blicke ich an ihm auf. Er trägt immer noch das schwarze hautenge Tshirt von der Party und ich kann seinen Schweiß riechen.
Es ist ein angenehmer Geruch, der mich einhüllt wie eine flauschige Decke.
"Ich kann dich aus meinem Fenster sehen." Brummt er schließlich, nachdem ihm das Schweigen zu anstrengend geworden ist.
Ich warte auf die eigentliche Aussage seines Satzes. Aber es kommt keine.
"Und jetzt? Soll ich mich ein paar Meter weiter Weg legen?"
Josh grinst, aber sieht mich immer noch nicht an. Er wirkt so fremd und doch so vertraut. Ich habe das Gefühl, ihm in all den Monaten verlernt zu haben und doch bin ich mir sicher, dass er gleich seinen Kopf zu mir drehen wird und mich breit anlächeln.
Und tatsächlich, er wendet sich mir zu und lässt seine weißen Zähne aufblitzen. "Ich hab mir gedacht, vielleicht brauchst du Hilfe. So allein hier draußen..."
"Ich war nicht allein, bis du meine Bekanntschaft verjagen musstest."
Entgegne ich protzig.
Joshs Miene verzieht sich deutlich.
"Der war nichts für dich."
Wütend über seine Aussage, setze ich mich auf, "woher willst du das denn wissen?!"
"Ganz ruhig." Er rupft einen Grashalmen aus und versucht ihn zu verknoten.
"Viel zu jung und unschuldig sah der aus." Ergänzt Josh.
"Ich hab genug von benutzten und unentschlossenen Männern."
Ich mache eine kleine Pause, um Josh zu verstehen zu geben, dass ich von ihm Rede. "Und außerdem, was denkst du, wer du bist, dass du so etwas sagen darfst? Du kennst mich doch überhaupt nicht mehr."
Überraschenderweise scheint Josh das wirklich getroffen zu haben, denn er sieht aus als würde er jeden Moment aufspringen wollen.
"Tyler," er macht eine ausdrucksvolle Pause, "Du hast Recht. Ich kenne dich nicht mehr. Aber du kannst mir schlecht vorwerfen, dass ich nicht das Recht dazu habe. Ich bin doch nicht blind."
"Was meinst Du?" Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
"Ich merke jeden Blick von dir. Ich weiß wie du über Angel denkst. Ich weiß, dass du noch Ge- "
"Hör auf!" Unterbreche ich ihn.
"Geh doch einfach zu deiner Freundin und lass mich, du hast kein Recht auf meinen Gefühlen herum zu reiten."
"Ich habe jedes Recht der Welt. Oder hast du schon vergessen wie du auf meinen herumgeritten bist?"
Verwirrt sehe ich Josh an. Seine Augen sind ganz klein und seine Wangenknochen stehen angespannt heraus.
"Wie bitte?!" Zische ich noch viel angespannter als Josh.
"Jetzt tu doch nicht so unschuldig."
"Du weißt dass ich verlobt gewesen bin, was ich jetzt dank dir nicht mehr bin." Noch bevor ich den Satz ganz zu Ende gesprochen habe, wünsche ich mir meine Worte wieder zurück.
Josh springt auf.
"Josh!" Ich springe ebenfalls auf.
"Warte!"
"Ich hab es nicht so gemeint. Aber du kannst mir nicht vorwerfen, dass ich dich nur benutzt habe." Sage ich, als ich wieder neben ihm stehe.
"Natürlich." Josh sieht mich nicht an. "Ich war deine Affäre. Du konntest ihn nicht verlassen und als alles aufgeflogen ist, hast du nicht mal angerufen. Und jetzt da tust du so, als hätte ICH dich betrogen. Dabei wollte ich einfach nur von vorne anfangen und mich neu verlieben."
Mit offenem Mund starre ich Joshua an. Niemals zu vor habe ich mich so schlecht gefühlt. Wie konnte ich die ganze Zeit lang nicht einmal daran denken, wie es Josh damit gehen muss. Nicht einmal.
Sein Gesichtsausdruck ist kalt und verärgert.
"Was kann ich sagen, damit du verstehst, dass du niemals nur eine 'Affäre' für mich gewesen bist?"
Josh schüttelt den Kopf. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, dass er seinen Kopf schüttelt.
Dann beißt er sich plötzlich ganz fest auf die Unterlippe und wirbelt herum.
Seine Augen blitzen auf, als er mich am Arm packt. Es sind nur Bruchteile von Sekunden, aber in dieser Zeit schießen mir so unendlich viele Dinge durch den Kopf.
Sein Gesicht ist ganz dicht vor meinem und sein Körper ganz fest an meinem. Ich spüre seinen Atem auf meiner Wange kitzeln und sehe wie seine Lippen langsam näher kommen.
Ich habe die Arme immer noch von ihm gestreckt, weil mich die plötzliche Umstellung von Streit auf Kuss so überrascht hat.
So lange habe ich auf diesen Moment gewartet.
Und schließlich merke ich, wie er seine Lippen zärtlich auf meine presst.