Der Himmel weint im kalten London. Und ich weine gleich mit, wenn ich innerhalb einer Stunde meine Wohnung immer noch nicht gefunden habe.
Es ist Oktober und selbst für britische Verhältnisse ziemlich kalt. Obwohl mich meine Mutter vor der Abreise mehrmals vorgewarnt hat, doch eine dickere Jacke mitzunehmen, stehe ich hier nun, in meinem dünnen Trenchcoat und begutachte die Google Maps Karte.
Nach weiteren 15 Minuten des verwirrten Umherirrens überwand ich meine Schüchternheit und beschloss jemanden anzusprechen.
"Ähm, sorry, weißt du zufällig, wo die Bloomsbury Street ist?", nuschel ich ohne die Person richtig zu betrachten. Als Antwort erhielt ich nur ein kurzes und knappes "Ja" und ein belustigtes Gelächter. Ich blicke auf und schaue in die giftgrüne Augen eines jungen Mannes, vielleicht 3 Jahre älter als ich.
Ich lache kurz peinlich auf und blicke ihn weiterhin fragend an, überwältigt von seinem Selbstbewusstsein und Aussehen.
Es ist noch nicht mal ein Gefühl von Überwältigung, einschüchternd beschreibt seine Ausstrahlung eher. Er sieht wie aus einer Paco Rabanne Werbung entsprungen: seine leicht lockigen Haare fielen ihm ins Gesicht und unterstrichen sein kantiges Gesicht perfekt.
Neben ihm sehe ich aus wie ein Sack Kartoffeln. Meine Haare sind braun und meine Augen ziert ein einfacher Blauton. Nichts besonderes.
"Tut mir leid, dumme Fragen erhalten dumme Antworten. Du möchtest bestimmt dahin, oder? Oder ist dein Hobby Fremde zu fragen, welche Straßen Londons sie schon kennen?...
Ok, stumm ist sie jetzt auch schon geworden. Wenn du willst, begleite ich dich dorthin. Muss eh in die Richtung."
"Ähm, ja... ja, das wäre nett." Nett? Gott, Gemma, "nett" ist die kleine Schwester von "scheiße".
Ich lächelte verlegen und streckte ihm meine Hand entgegen. Zuerst blickte er verwirrt und runzelte leicht seine Stirn, doch dann verstand er.
"Hi, ich bin Gemma", sagte ich etwas leise und mit brüchiger Stimme.
Von ihm kam nur ein einfaches: "Nate", als er meine Hand drückte.