JEONGGUK;
,,Wir sehen uns dann um dreizehn Uhr. Ich schicke dir die Adresse", verabschiedet mich Namjoon und lächelt sanft. ,,Bis morgen", hauche ich ihm zu und laufe glücklich zum Firmenwagen, der eigentlich seit einigen Stunden wieder vor dem Juwelier stehen sollte.
Anfangs wollte ich noch die Nacht über bei Namjoon bleiben, aber erstens hätte er es aufgrund seiner Arbeit im Endeffekt ohnehin nicht zugelassen und zweitens sollte ich wohl nicht noch mehr überstürzen, denn zugegebenermaßen geht es doch ziemlich schnell. Immerhin wollte ich noch wenigstens etwas auf zurückhaltend und unschuldig tun. Den Wein dürfte ich beim Autofahren nicht allzu sehr spüren, da ich wirklich nur ein paar Mal daran genippt habe.
Namjoon hingegen habe ich vorsichtshalber die Weinflasche weggenommen, da er nach kurzer Zeit doch schon einiges intus hatte. Vermutlich muss er das auch, um den Kopf ein bisschen freizukriegen.
Erst als ich im Wagen sitze und vom Grundstück herunter gefahren bin, merke ich, was da eigentlich gerade gelaufen ist. Ich habe es tatsächlich irgendwie geschafft, jemanden um den Finger zu wickeln, der offenbar bereit dazu ist, mir das zu geben, was ich will. Und dann bin ich noch seine Begleitung auf der Hochzeit seiner Schwester. Oh Gott, ich werde seine Familie kennenlernen!
Wie zur Hölle ist das überhaupt passiert? Namjoon scheint mir trotz seines Status' sehr naiv zu sein. Ich könnte praktisch jeder sein und er lässt mich einfach so in sein Haus, ihn gar küssen!
Er muss auf sehr viel Nähe und Liebe angewiesen sein, als dass er so schnell jemanden an sich heranlässt. Vermutlich macht ihn sein Arbeitsleben so einsam, dass er sich nach jeglichem sozialen Kontakt sehnt, besonders nach solch einem intimen Kontakt.
Dafür bin ich genau die richtige Person. Es tut mir zwar leid, dass ich ihm nicht vollends das geben kann, was er braucht, aber dafür wird er mir sicherlich eine Menge von dem geben, was ich benötige. Eigentlich hat er jemanden wie mich nicht verdient, der nur auf das Finanzielle aus ist, aber ich kann jetzt auch nicht einknicken.
Einen besseren Mann oder eine bessere Frau hätte ich gar nicht treffen können und ehrlich gesagt kommt mir das Ganze wirklich suspekt vor, dass sich jemand wie er so früh auf mich anlässt; und dass ich mich überhaupt ohne Weiteres auf einen Mann einlasse.
Ja, es gab auch die einen oder anderen Jungen, mit dem ich etwas hatte, aber mit Namjoon muss ich doch etwas Zeit verbringen. Meine Gedanken überschlagen sich.
Es ist fast so, als würde er genau wissen, was ich vorhabe, ohne irgendwelche versehentlichen Anzeichen dafür zu geben. Wenn es nicht das ist, muss er wirklich auf extremen emotionalen und sexuellen Entzug sein. Dabei ist er so unfassbar attraktiv, dass er sich in zwei Sekunden jemanden angeln könnte. On top ist er auch noch so charmant.
Wenn er angeblich keine Zeit für jegliche Beziehungen, ob romantisch oder platonisch, hat, wieso lässt er sich dann ausgerechnet auf mich ein? Er kennt mich doch kaum.
Sein Verhalten kommt mir plötzlich so suspekt vor, dass ich die halbe Nacht kein Auge zu kriege. Beinahe habe ich Angst, dass er von allem eine Ahnung hat und nur so tut, als wüsste er von nichts.
Immerhin haben wir uns erst vor einer Woche kennengelernt und schon küssen wir uns so innig, als ob unser Leben davon abhänge.
Natürlich gab es diese gewisse Spannung zwischen uns, die ich vorher auch noch nie gespürt habe, aber reicht das? Zwar hat es bei all meinen vorherigen ,,Beziehungen" viel weniger gebraucht, um so weit, noch wesentlich weiter zu kommen, allerdings ist dies eine komplett andere Situation.
Wir haben beide gemerkt, wie wir übereinander denken, aber ist das der sagenhafte Funke gewesen, der vorhin das Feuer in uns entfacht hat?
Vielleicht bin ich auch nur zu paranoid und ich sollte mich auf unser Treffen freuen, welches bereits in einigen Stunden stattfindet. Nach wie vor könnte ich Jimin dafür die Füße küssen, dass meine Mittagspause mit seiner übereinstimmt - aber diesen Gedanken sollte ich lieber nicht in die Realität umsetzen.
Stattdessen sollte ich mich auf meine Arbeit konzentrieren, damit er mich im schlimmsten Fall nicht noch feuert. ,,Hey Jeongguk, ich habe zu Hause noch ein paar Magazine und Bücher herausgekramt, in denen ich mir Notizen gemacht habe. Die kannst du gerne nutzen, um dich etwas schlauer zu machen", bietet mir der Kleinere an, was ich dankend entgegennehme.
,,Noch mehr?", seufze ich, als er mir Genanntes aushändigt, wobei er lediglich schmunzelt. ,,Danke Jihyun, ich werde das Material gleich heute Abend durchgehen", versichere ich ihm nun wieder ernst und widme mich dann wieder dem Kassieren. Beraten darf ich immerhin noch nicht, dafür fehlt mir bisher das dafür ausreichende Wissen, um die Kunden zufrieden zu stellen.
Kurz darauf werde ich von ihm allerdings ins Lager gerufen und habe schon die Befürchtung, ich hätte irgendeinen großen Fehler gemacht. Bei diesen horrenden Summen kann das immerhin schnell ganz fatal werden.
Als Jimin jedoch in mein Blickfeld gelangt, sieht er überhaupt nicht so aus, als würde ich gleich Ärger bekommen. ,,Ja, Chef?", spreche ich ihn an, was ihn zum Grinsen bringt. ,,Du musst mich so nicht nennen, ich bin nur zwei Jahre älter als du", erklärt er mir, weswegen ich meine Augen ein Stück weit aufreiße.
,,Was echt? Und Jihyun?", frage ich ihn ein wenig schockiert, was ihn offensichtlich amüsiert. ,,Der ist genau so alt wie du, aber das tut jetzt nichts zur Sache", beendet er schnell die Ablenkung des Themas und kommt auf das zu sprechen, wofür er mich herbeigerufen hat.
Dazu holt er einen kleinen Stapel an Papieren heraus, der für mich nach sehr guten Nachrichten aussieht. ,,Wir sind echt dankbar, dass du einfach so um die Ecke gekommen bist und uns ausgeholfen hast. Deshalb würde ich dir gerne den Arbeitsvertrag geben, um dir eine Festanstellung zu geben", erklärt er mir und bringt mich damit zum Strahlen.
Stürmisch umarme ich ihn einfach, ohne groß zu überlegen und drücke ihn dabei fest. ,,Danke, Jimin! Du rettest mich!", rufe ich glücklich und spüre, wie er lachend meinen Überfall erwidert.
,,Wir haben dir zu danken", beschwichtigt er und drückt mich dann sachte von sich. ,,Und deshalb würden wir dich gern zum Abendessen einladen", meint er daraufhin, dessen Angebot ich mit Freude annehme.
Egal, was mein Plan ist und wofür ich diesen Job in erster Linie haben wollte, ich habe die beiden Park Brüder bereits jetzt schon wirklich gern und ich denke, sie könnten enge Freunde von mir werden, während ich hier in Gangnam bin.
Aber zuerst will ich unbedingt diesen Vertrag unterschreiben, was auch immer darin stehen mag. ,,Ich habe dir die Stellen, an denen du unterzeichnen musst, markiert. Lies ihn dir einfach durch und gib mir Bescheid, falls dir irgendwas daran nicht passen sollte", erklärt mir der Ältere und lächelt mich dann lieb an.
,,Dankeschön", hauche ich noch ein letztes Mal, bevor ich mit dem Vertrag in der Hand in Richtung Verkaufsbereich gehe, mir den Kugelschreiber nehme und auf allen Linien unterschreibe, die mit einem Textmarker markiert worden sind.
Hinter mir merke ich die Präsenz beider Brüder, da momentan ohnehin nicht viel los ist. ,,Ähm Jeongguk, willst du dir das nicht vorher lieber durchlesen?", fragt mich der Älteste etwas perplex, doch da drehe ich mich schon zu ihm um und halte ihm den Stapel bedruckter Papiere hin.
,,Ich vertraue dir, Jimin. Ich muss mir das nicht durchlesen. Die Arbeit macht mir Spaß, ich habe die besten Kollegen Schrägstrich Chefs, die ich mir je hätte wünschen können und ich weiß, dass ich bezahlt werde. Deshalb sehe ich kein Problem darin, das Ganze jetzt schon zu unterschreiben", erkläre ich den beiden und tue so, als ob es selbstverständlich wäre.
Jihyun grinst mich breit an und klopft mir glücklich auf die Schulter. ,,Super, willkommen an Bord Kollege!", meint er nur und wuschelt mir dann neckend durch die Haare.
,,Hey!", beschwere ich mich, muss dabei jedoch lachen. Als ich meinen Blick Jimin zuwende, sieht er mich nicht allzu erfreut an. Habe ich irgendwas falsch gemacht?
Fragend sehen Jihyun und ich ihn an, bevor er sich auch schon lautstark beschwert. ,,Ernsthaft? Ich habe den ganzen Abend daran gesessen, diesen Arbeitsvertrag umzuschreiben und zu erneuern und du liest ihn dir nicht mal durch?", ruft er empört und reißt mir die Papiere aus der Hand.
,,Och Jiminie!", schmollen sein Bruder und ich belustigt und wiederholen uns so oft, dass er irgendwann selbst lachen muss. ,,Ihr seid so bescheuert", meint er schmollend und schüttelt amüsiert den Kopf, bevor er uns auffordert, wieder an die Arbeit zu gehen und uns zusammenzureißen, nicht dass uns noch die steinreichen Säcke erwischen, wie wir dabei Spaß haben.
Scheint ja ein Fremdwort für die zu sein, wenn man darauf schon Acht geben muss, damit man bloß nicht unseriös herüberkommt.
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