Ich betrat nach Sophia das Klassenzimmer und fühlte mich unter den Blicken meiner zukünftigen Klassenkameraden wie auf dem Präsentierteller.
Ich versuchte Blickkontakt so weit wie möglich zu vermeiden und über nichts zu stolpern. Das wäre echt der Gipfel der Peinlichkeit gewesen.
Ein leises Gemurmel erfüllte den Raum. Nichts anderes hätte mich nervöser machen können als ich es sowieso schon war.
Ich war nicht nur die Neue, ich hatte von all den Schatten-Sachen und so fast überhaupt keine Ahnung.
Ich hoffte nur, dass ich mich nicht allzusehr blamieren würde.
Verunsichert, was ich machen sollte, blickte ich den Lehrer an. Doch es war Sophia, die die Initiative ergriff. "Das ist eine neue Schülerin, Herr Ubauner. Frau Herlend hat sie bereits in den Grundlagen unterwiesen und jetzt soll sie am regulären Unterricht teilnehmen."
Der Lehrer nickte mir zu. "Herzlich Willkommen in meinem Geschichtsunterricht. Ich bin Lukas Ubauner. Wie heißt du?"
"Felicia," erwiederte ich so leise, dass Herr Ubauner noch einmal nachfragen musste, weil er mich nicht verstanden hatte. Ich ärgerte mich über meine Schüchternheit, hob den Kopf und wiederholte meinen Namen lauter. Meine Stimme klang dünn und verletzlich in dem großen Raum.
Ich versuchte meine Nervosität zu überspielen, indem ich mich betont locker umsah. Höchstwahrscheinlich gelang mir das aber nicht und ich sah aus wie der letzte Idiot. Also richtete meinen Blick schnell wieder auf den Lehrer und versuchte die Blicke der anderen, die auf meinem Rücken brannten, so gut wie möglich zu ignorieren.
So viel Platz hätten wir in meiner alten Schule nicht gehabt, stellte ich mit leichter Bewunderung fest. Es gab hier sogar Beamer, was man in diesem Haus eigentlich eher nicht vermutete. Der altmodische Schein schien in diesem Fall zu trügen.
Einen kurzen Moment lang stellte ich mir vor wie es wäre, hier zur Schule zu gehen. Wie ich jeden Tag hierher kam und diese Schule halbes Zuhause für mich wurde.
Doch gleich überkamen mich Schuldgefühle. Ich hatte doch standhaft bleiben wollen, mich nicht einfach hierauf einlassen und zu gutgläubig zu sein. Es fiel mir doch weitaus schwerer als ich angenommen hatte. Vielleicht war ich einfach zu naiv.
Herr Ubauner riss mich aus meinen Gedanken.
"Und dein Nachname?"
Die Klasse hatte das Geschehen aufmerksam beobachtet, doch ich spürte, wie sie bei dieser Frage besonders aufhorchte. Erklären könnte ich mir das allerdings nicht. Bemüht, meine Stimme nicht allzu piepsig klingen zu lassen antwortete ich:
"Scherklint."
Herr Ubauners Blick hob sich von der Klassenliste und er sah mich irritiert und verblüfft an. Das Getuschel wurde stärker.
"Es gibt keine Scherklints," hörte ich jemanden so laut sagen, dass ich ihn verstehen konnte.
Was sollte das denn heißen? Ich keine Ahnung, was ich jetzt wieder falsch gemacht hatte und fühlte mich vorne äußerst unwohl. Für meinen Nachnamen konnte ich nichts, den hatte ich von meinem Vater.
"Ruhe bitte." Die Aufmerksamkeit des Lehrers wandte sich glücklicherweise wieder der Klasse zu. Der Lautstärkepegel sank merklich, doch die Gespräche wurden im Flüsterton weitergeführt. Jedoch so leise, dass ich nichts mehr verstehen konnte.
Herr Ubauner gab mir einen Platz neben Sophia. Ich wertete das als positiv. Ich wusste noch nicht ganz, was ich von ihr halten sollte aber das beruhte wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit. Ich für meinen Teil hielt sie für nett und vielleicht würde das mit uns ja mal was werden.
Herr Ubauner fuhr mit seinem Unterricht fort.
Zunächst konnte ich mich kaum auf das konzentrieren, was er sagte. Immer noch meinte ich, Blicke auf meinem Rücken zu spüren und fühlte mich regelrecht von ihnen durchbohrt.
Als sich die meisten meiner neuen Mitschüler sich wieder dem Unterricht zuwandten, konnte ich mich endlich wieder ein wenig entspannen und meine Gedanken auf den Unterricht lenken. Es schien in diesem Fach wohl mehr Frontalunterricht zu geben, aber das war mir sowieso lieber. Alles außer Gruppenpuzzle!
Herr Ubauner sprach anscheinend gerade von den Anfängen der Geschichte der Umbrae. Ich horchte auf, denn darüber hatte Frau Herlend mir auch schon etwas erzählt.
"Von den Umbrae wird vor 200 Jahren das erste Mal berichtet. Verlässliche Quellen über sie, die wir im Geschichtsunterricht auswerten können, gibt es aus dieser Zeit kaum. Wir stützen uns hier auf mündliche oder später verfasste Berichte.
Zu diesem Zeitpunkt taucht eine kleine Gruppe von Menschen auf, die einen Schatten besitzen. Auf sie gehen die meisten Erkenntnisse zurück, die wir im Zusammenhang von Schatten und Umbrae bekommen haben. Ihr großes Ziel war schon damals der Kampf gegen Nocturna, was ihr heute vor allem Finsternis nennt. Diesem Ziel haben sich seitdem alle Umbrae verschrieben und ihr werdet es auch tun. Wenn eure Ausbildung hier beendet ist, versteht sich," sagte Herr Ubauner mit einem Zwinkern.
Das musste Frau Herlend also mit der Sache gemeint haben, wofür die Umbrae kämpften.
Ich hatte nicht vor, mich irgendeiner Sache zu verschreiben, nur weil meine verrückten Vorfahren das anscheinend getan hatten. Und jetzt wusste ich auch wieder, worüber ich mit Frau Herlend sprechen wollte. Wir waren in unserem Gespräch vorhin irgendwie vom Thema abgewichen und hatten nur noch über meinen Stundenplan geredet. Ich würde das nachholen müssen, denn an meinem Entschluss, nicht zu kämpfen, hatte sich nichts geändert.
"Die Gruppe von Umbrae blieb erst zusammen, um ihre Kräfte zu trainieren und verteilten sich nach und nach über die ganze Welt," fuhr Herr Ubauner fort. "Nach und nach entstanden viele Familien, in denen dieses Gen weitervererbt wurde von denen heute die Meisten noch existieren. Wer kennt die ersten drei Umbrae?"
Suchend sah Herr Ubauner sich um. Viele Schüler hoben die Hand; es schien wohl keine schwere Frage, sondern eher eine Wiederholung zu sein.
Ich hatte natürlich keinen blassen Schimmer, aber wen überraschte das schon? Mich jedenfalls nicht mehr.
"Das waren Denwosenk, Handseik und Engelbert," antwortete ein Schüler.
Ich riss die Augen auf, als mein Gehirn den Inhalt seiner Worte richtig erfasste. Diese Nachricht kam zu plötzlich und war zu bedeutend als dass ich es einfach hätte wegstecken können. Sie überforderte mich vollkommen und meine aus dem Fugen geratene Welt stand mal wieder Kopf.
Engelbert.
Ich wiederholte den Namen ungläubig in Gedanken.
Engelbert.
Engelbert war der Mädchenname meiner Mutter. Und der Name meines Onkels. Es sah so aus, als ob ich direkt von einem der Mitbegründer der Umbrae abstammen würde.
Sooo meine Lieben,
als allererstes erst Mal eine Entschuldigung dafür, dass es letzte Woche kein Kapitel gab. :(
Das war, weil ich mir, als ich angefangen habe dieses Buch zu schreiben, einen ungefähren Plan zurechtgelegt habe wie die Geschichte am Ende aussehen soll. Das Ende steht schon und beim Anfang war ich jetzt eben zu dem Punkt gekommen, an dem ich mir noch nicht genau überlegt hatte, wie es weitergeht ;) und das hab ich jetzt nachgeholt.
Und zum Ende des Kapitels (bevor ihr auf falsche Ideen kommt):
Ich habe NICHT vor, das ganze zu einer Klischee-Geschichte zu machen, ich will in meiner Geschichte so wenig Klischees wie möglich vorkommen lassen, weil es mich nervt, wenn ich immer nur Geschichten nach gleichem Muster lese.
Falls ihr Verbesserungen/Lob/Fragen habt schreibt mir einfach. :)
Eure Eule 1805