Ich sehe, wie sie mich ziehen. Jetzt befinde ich mich in der Arena. Hinter mir stirbt ein Mädchen. Jemand ziehlt mit einem Pfeil auf mich. Es ist mein Vater. Er lässt los. Der Pfeil kommt auf mich zu. Noch ein paar Zentimeter und ich bin tot-
Schreiend werde ich wach.Schon wieder ein Albtraum. Heute ist Tag der Ernte. Zitternd setze ich mich auf. Tränen fließen mir über die Wangen. Meine Schwester kommt zu mir und versucht mich zu beruhigen. "Hey, Prim. Es war nur ein Traum. Du musst dich nicht fürchten", flüstert Katniss. "Sie haben mich gezogen! Ich musste in die Arena! Ich habe unseren Vater gesehen, er-" "Es war nur ein Traum. Dir passiert nichts. Es ist dein erstes Mal. Dein Name ist nur auf einem Zettel. Sie werden dich nicht ziehen." Meine Schwester nimmt mich in den Arm. 'Ich werde nicht gezogen! Mein Name ist nur einer von vielen. Sehr vielen', versuche ich mir einzureden. Meine Schwester löst sich von mir und zieht sich ihre Jacke an. "Wohin gehst du?", frage ich sie. "Jagen." "Heute? Es ist Tag der Ernte." "Das heißt nicht, dass wir nichts zu Essen brauchen, oder?" "Nein", stimme ich ihr zu. Sie drückt mir einen Kuss auf den Scheitel und geht. Ich stehe auf und gehe in die Küche. Meine Mutter hat schon etwas Wasser auf dem Herd stehen, mit dem ich mich waschen soll. Ich nehme das Wasser vom Herd, ziehe mein Nachthemd aus und wasche meinen Körper mit einem alten Lappen. Als ich mich fertig gewaschen habe, nehme ich mir alte Erntekleidung von Katniss, die meine Mutter für mich rausgelegt hat. Ein Rock und eine Bluse. Ich ziehe die Sachen an, doch sie sind zu groß. Meine Mutter kommt zu mir und steckt die Kleidung mit Nadeln fest. Leider rutscht die Bluse hinten immer noch aus dem Rock. Meine Mutter flicht mein Haar zu zwei Zöpfen.
Nach einer Zeit kommt meine Schwester nach Hause und nimmt ein Bad. Als sie fertig gewaschen und angezogen ist, sehe ich, dass sie ein sehr hübsches blaues Kleid mit passenden Schuhen anhat und unsere Mutter hat ihr die Haare aufwändig hochgesteckt. "Du siehst schön aus", sage ich mit gedämpfter Stimme. "Gar nicht wie ich selbst", murmelt sie. Sie nimmt mich in den Arm und plötzlich mache ich mir große Sorgen um sie, dass sie gezogen wird. Sie hat so viele Zettel mit ihrem Namen mehr als ich in der großen Glaskugel. Sie hat sich so oft für Tesserasteine eintragen lassen. Dadurch bekommt man eine Jahresration Öl und Getreide für eine Person und hat dadurch einen Zettel mehr mit seinem Namen drauf in der Lostrommel. Der Blick meiner Schwester fällt auf meinen Rücken. Sie grinst. " Schwänzchen rein, kleine Ente", sagt sie. "Quak",mache ich leise und kichere. "Selber Quak. Lass uns etwas essen",sagt sie. Wir haben beide keinen großen Hunger, doch wir essen doch etwas Brot und trinken Milch von meiner Ziege Lady, die Katniss mir mal zum Geburtstag geschenkt hat. Später machen wir uns auf den Weg zum Platz. Jeder muss zur Ernte kommen. Auf den Dächern der Läden, die um den Platz herum stehen, sind Kamerateams. Ich trage mich ein und gehe nach hinten auf den Platz, wo die jüngsten,wie ich, hinmüssen. Vor dem Gerichtsgebäude ist eine Bühne aufgebaut, auf der drei Stühle, sowie zwei Glaskugeln voll mit Zetteln, eine für die Mädchen und eine für die Jungen. Auf den Stühlen sitzen der Bürgermeister, Haymitch Abernathy, Mentor der Tribute aus Distrikt zwölf, unserem Distrikt, der meistens betrunken ist und Effie Trinket aus dem Kapitol. Sie trägt eine rosa Perücke und ein knallgrünes Kleid. Der Bürgermeister beginnt seine Rede zu erzählen, wie einst das Land Panem erstand, aus der Asche Nordamerikas. Er erzählt von Katastrophen und Kriegen und wie dann mit einem von dreizehn Distrikten umgebenen Kapitol Panem entstand. Dann erzählt er von Aufständen gegen das Kapitol, wie zwölf Distrikte besiegt wurden und der dreizehnte ausgelöscht. Dann kamen neue Gesetze, als Erinnerung daran, dass sich die dunklen Tage nie wiederholen dürfen. Sie brachten die Hungerspiele. Jeder der zwölf Distrikte muss als Strafe, für die Aufstände gegen das Kapitol, ein Mädchen und einen Jungen als Tribute darbringen, die dann ins Kapitol und weiter in eine Arena gebracht werden, wo sich die 24 Tribute bis auf den Tod bekämpfen müssen, bis nur noch einer,als Sieger, übrig bleibt, der dann mit Geld überhäuft wird. Die Hungerspiele werden im Fernsehen übertragen. Jeder muss sie sich ansehen und wie ein Fest feiern.
"Fröhliche Hungerspiele! Und möge das Glück stets mit euch sein!", sagt Effie Trinket feierlich, "Ladies First!" Mein Herz rast, als sie zu der Kugel mit den Mädchennamen geht. Effie Trinket greift in die Kugel, wühlt dort etwas herum und zieht einen Namen aus der Kugel. Die Menge ist stumm. Ich zittere nervös. Effie streicht über den Zettel und liest mit klarer Stimme den Namen vor:
"Primrose Everdeen!"