Als ich das nächste mal meine Augen öffne, finde ich mich in einem dunklen Raum wieder und ich brauche einen Moment, um zu realisieren, dass dies nicht mein Zimmer ist und ich keine Ahnung habe, in wessen Bett ich gerade liege. Panik macht sich in mir breit, während ich mich blitzschnell aufrichte und im spärlich beleuchteten Zimmer umsehe.
Oh mein Gott.
Gerade, als ich glaube, ich würde an Ort und Stelle zusammenklappen, erkenne ich eine Gestalt auf dem Balkon und muss schwer schlucken. Das... ist das Derek?
Ich sehe die Person, die ganz klar männlich ist, zwar nur von hinten, doch ich habe ganz einfach dieses Gefühl, dass mir sagt, dass es Derek ist. Und als sich die Person im nächsten Moment zur Seite dreht und mir ihr Seitenprofil zuwendet, bin ich mir ganz sicher. Mit einer Zigarette in der Hand steht Derek da, mitten in der Nacht. Der Mond und die Sterne sind die einzigen Lichtquellen, und doch erscheint es mir, als würde ich ihn in seiner vollen Pracht dort stehen sehen.
Ein komisches Gefühl übermannt mich, doch es hält nur für einen Moment an, denn als ich mir meiner Lage bewusst werde und so langsam aus meiner Traumwelt drifte, schrecke ich mit einem mal hoch und durchbreche die Stille. »Was... was mache ich hier? Scheiße, was ist passiert?«
Derek dreht sich langsam um und als sein Blick den meinen trifft, setzt mein Herzschlag für einen Moment aus. Ich fühle mich ganz komisch in meiner Haut und als ich ihn genauer betrachte, fällt mir sofort sein Gesichtsausdruck auf, der neben der eisernen Kälte, die er sonst auch immer ausstrahlt, noch einen Blick auf etwas anderes freigibt...
»Du bist auch mal wach, ein Wunder. Ich habe fast angefangen, mir Sorgen zu machen.«, entgegnet Derek, nachdem er sich räuspert und einen weiteren Zug von seiner Zigarette nimmt, dabei jedoch stets den Blick auf mich gerichtet hält.
Ganz plötzlich fühle ich mich anders, denn bisher habe ich glatt vergessen, was zwischen Derek und mir vorgefallen ist und das ich mich eigentlich nicht wohl in seiner Nähe fühlen darf. Schließlich kam seine Nachricht, dass ich mich von ihm fern halten soll, klar und deutlich bei mir an.
Und doch ist er derjenige, der mich hier hergeholt hat.
Warte mal... Er hat mich aufgefangen.
Kurz nachdem ich gefallen bin.
Er ist es gewesen.
Schon wieder.
Ich schlucke schwer und das entgeht Derek nicht, der seine Zigarette im selben Augenblick ausdrückt, ehe er langsam ins Zimmer tritt. Die Luft um mich herum wird ganz dünn und lädt sich auf. So fühlt es sich zumindest an, und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, dass mein Herzschlag und mein Puls immer schneller werden und mir keine Möglichkeit lassen, einen klaren Gedanken zu fassen.
Komm zu dir!
Ich reiße mich zusammen und schwinge die Decke zur Seite, ehe ich mich endgültig aufrichte und langsam aus Derek's Bett steige. Dabei spüre ich, wie Derek jede meiner Bewegungen beobachtet. Und das macht mich gegen meinen Willen nervös.
»Du hast mich schon wieder aufgefangen. Das ist echt.... komisch.«, bemerke ich, ohne Derek anzusehen, und starre stattdessen auf den Fußboden, denn die ganze Situation ist ziemlich absurd, wenn man genauer darüber nachdenkt.
Derek schnaubt. »Ich an deiner Stelle würde mir mehr Sorgen über etwas ganz anderes machen. Vera... du bist jetzt schon das zweite mal aus dem nichts zusammengeklappt. Das ist nicht normal. Passiert dir das öfter? Dass du einfach so dein Bewusstsein verlierst?« Während Derek spricht, baut sich etwas hinter seiner Stimme auf, und ich komm nicht drumherum, zu glauben, es sei Sorge.
Sorge um mein Wohlergehen.
Sorge um mich...
Ich räuspere mich leise und suche nach meiner Stimme, während ich meine Finger in die Bettdecke kralle. »Ich... – nein, bisher ist es nur zweimal passiert.«, antworte ich wahrheitsgemäß.
»Wieso? Warst du schon beim Arzt deshalb?«, hakt Derek weiter nach, doch schüttle nur den Kopf.
»Dann solltest du mal einen aufsuchen. Das ist nichts, dass du auf die leichte Schulter nehmen kannst. Wäre ich heute nicht im richtigen Moment da gewesen und hätte dich gerade noch rechtzeitig aufgefangen...« Seine Stimme bricht ab und er bleibt einen Moment still, ehe er weiterspricht, »Es hätte Gott weiß was passieren können. Ich glaube, du checkst das garnicht.«
»Doch, natürlich.«, erwidere ich und erschaudere, als ich mir ausmale, was hätte sein können. Mal abgesehen von den Verletzungen, die ich mir hätte zufügen können, wenn ich tatsächlich einfach so auf dem harten Asphalt zusammengebrochen wäre, war es stockdunkel draußen und die Straßen waren wie leergefegt....
Ich schüttle mich bei all den Gedanken.
»Danke, dass du mich nicht einfach so daliegen gelassen hast.«, bringe ich leise hervor.
Derek entweicht ein entsetzter Laut. »Ist das dein ernst? Du musst mir doch nicht dafür danken, dass ich dich da nicht mitten in der Nacht liegen gelassen hab. Egal für wie kalt du mich hältst, sowas würde ich keinem Mädchen antun.«
Ich schlucke schwer. »Ja... natürlich. Ich meine nur, du... du sagtest ja, dass ich mich von dir fern halten soll und das du nichts mehr mit mir zutun haben willst, deshalb dachte ich, dass es dich Überwindung gekostet hat, mich trotz dessen hier her zu bringen...«
»Vera«, unterbricht mich Derek bestimmend, und mit einem komischen Unterton in der Stimme. »Hör am besten einfach auf zu reden und leg dich hin. Ich glaube, du brauchst Ruhe.«
Ein Lachen entweicht meiner Kehle, obwohl mir kein bisschen nach Lachen ist und die Situation auch überhaupt nicht dazu passt. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich hier schlafen werde?«, frage ich, an Derek gewandt.
»Was? Willst du etwa um zwei Uhr Morgens nach Hause?«
Meine Augen weiten sich, sobald ich seine Worte realisiere und ich blicke mich panisch im Zimmer um. »Scheisse, mein Vater wird krank vor Sorge sein! Wo...« Ich sehe an mir herunter und merke, dass ich meine Jacke nicht mehr trage. »Wo ist meine Jacke?«
Derek deutet mit einem Kopfnicken in eine Ecke. »Dort drüben.«
Ich sehe ihn für einen Moment an, ehe ich aufspringe und mir mein Handy schnappe, dass in meiner Jackentasche steckt. Sobald ich es entsperre erscheinen auch schon etliche von ungelesenen Nachrichten und dreiundzwanzig verpasste Anrufe von meinem Vater.
Ich verziehe das Gesicht und bin erneut kurz vorm zweiten Zusammenbruch heut Abend.
»Er wird mich umbringen...«, murmle ich verzweifelt vor mich hin, doch anscheinend hört mich Derek, der leise lacht.
»Schreib ihm einfach, dass du bei einer Freundin übernachtest. Er wird es schon überleben.«, bemerkt Derek, und ich befolge seinen Rat letztendlich sogar, denn ich habe keine andere Wahl. Ich kann jetzt schlecht um diese Uhrzeit nach Hause laufen und selbst wenn ich es heil bis dahin schaffen würde, hätte ich keine Erklärung dafür, wieso ich erst so spät Zuhause antanze. Mein Vater würde mich umringen, egal was ich nun tue.
Dann ist die Lösung mit dem Übernachten noch das beste von allem.
So kommt es, dass ich meinem Vater eine Nachricht schreibe und dann schnell mein Handy weglege. Ich will garnicht wissen, wie wütend er morgen sein wird, wenn ich wieder vor der Matte stehe. Doch in diesem Moment verdränge ich die Befürchtungen einfach und konzentriere mich auf das hier und jetzt.
»Tut mir leid, dass ich dir Umstände mache.«, sage ich, während ich mich zurück zu Derek drehe, der sich ebenso in meine Richtung wendet und wieder einmal stockt mir der Atem, als seine Augen den Weg in meine finden und er schwach den Kopf schüttelt.
»Keine Sorge, ich fühle mich besser damit, dass du hier bist, anstatt dort draußen auf der Straße.«, antwortet Derek und ich nicke nur, denn das bin ich auch. »Warte kurz.«
Ich tue, was mir gesagt wird, und sehe Derek dabei zu, wie er auf seinen Schrank zusteuert und mir keine Minute später eine graue Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt zuwirft. Gottseidank funktionieren meine Reflexe und ich fange beides ohne Komplikationen auf.
»Zieh die an, dann wird es nicht so unbequem sein.«, erklärt Derek mit einen Blick auf die Sachen und zeigt dann auf eine Tür am anderen Ende des Zimmers. »Da ist das Bad. Du kannst dich umziehen gehen, wenn du willst.«
Ich nicke nur stumm und laufe auf das Bad zu, um mich drinnen angekommen umzuziehen und meine Haare zu einem Zopf zu binden. Derek's Hose ist mir gefühlt tausend Nummern zu groß, genauso wie sein Shirt, dass bei mir glatt als Kleid durchgehen könnte, doch ich fühle mich wohl und ich komme nicht drumherum, an dem Shirt zu riechen und zu seufzen.
Oh Gott, was tue ich hier?
Ich muss mich zusammen reißen.
Das ich hier gelandet bin ist schon schlimm genug. Jetzt muss ich zumindest das beste daraus machen und versuchen, möglichst nichts zu tuen, wofür ich mich morgen schämen würde.
A/N:
Ich bin zwar nicht ganz zufrieden mit dem Kapitel, aber dafür werde ich mir umso mehr Mühe bei dem nächsten geben und ich hoffe, ihr verzeiht es mir mal wieder.
Danke fürs lesen und für alle, die immer aktiv dabei sind. Ich schätze das wirklich sehr!❤️
Dann sage ich mal gute Nacht und bis zum nächsten mal. 😴