ACHTUNG: Musik-Link.
BITTE während des Lesens laufen lassen.
Stichwort: Kopfkino.
:-)
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„Valerie?", rief eine junge Frau durch den Bunker. Ihre Stimme hallte verloren durch die leeren Korridore, genauso wie ihre einsamen, schnellen Schritte.
Ihre langes brünettes Haar wehte hinter ihr her wie ein Heiligenschein, als sie sich beeilte zur Barriere zu kommen. Kurz davor blieb sie unentschlossen stehen und rief erneut den Namen ihrer Freundin.
„Valerie?"
Doch wie zuvor erhielt sie auch jetzt keine Antwort.
Sie hört mich nicht!
Ich muss zu ihr und erzählen, was ich gefunden habe.
Die magischen Zeichen und die symbolische rote Linie auf dem Boden vor ihr und den Wänden in der Nähe schienen unberührt.
Sie tat einen weiteren Schritt auf die Barriere zu und im selben Augenblick erwuchs direkt vor ihr aus den blutroten Zeichen ein Vorhang aus hellem, warmen Licht.
Erschrocken wich sie zurück.
Was hatte Sam gesagt?
Für euch ist es ungefährlich ...
Na hoffentlich stimmt das!
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und schritt beherzt durch das wabernde Gebilde aus Licht.
Ein leichtes Kribbeln war alles, was sie dabei fühlte.
Auf der anderen Seite der Barriere blieb sie kurz erleichtert stehen und blickte zurück.
Der Vorhang hatte sich nicht verändert. Schien immer noch in diesem warmen und reinen Licht.
Entschlossen setzte sie ihren Weg zu Valerie fort.
Jetzt allerdings langsamer, denn immer wieder machte sie halt, um nach ihr zu rufen. Immerhin konnte sie überall in diesem Teil des Bunkers stecken.
Doch ihr vorrangiges Ziel aber war Valerie's Quartier, zu dem es nicht mehr weit war.
* * *
In der Dunkelheit des Raumes lag die hagere Frau mit den kurzen dunklen Haaren auf dem Bett und wartete.
Wartete auf Sam oder ... auf Mandy.
Die Zeit vertrieb sie sich mit Gedankenspielen, wie sie auf die einzelnen Besucher reagieren sollte. Ein, zwei mal war ihr der Gedanke durch den Kopf geschossen mit ihrer geliebten Glock im Anschlag auf ihre Gäste zu warten.
Oder doch lieber mit der Doppelläufigen?
Doch bei näherer Betrachtung verwarf sie diese spontane Eingebung wieder und baute auf Täuschung und den richtigen Augenblick. Ihr durfte jetzt kein Fehler unterlaufen, nur weil sie keine Geduld mehr hatte.
Also wartete sie im Dunkeln, die Augen halb geschlossen.
Die kleinen Kopfhörer trugen die Gitarre und den Gesang von Jamie N. Commons Song „Lead Me Home" an ihre Ohren.
Die Dunkelheit um sie herum und in ihrem Inneren trieb sie weit weg von allem.
Aus diesem Zimmer.
Durch die Wände.
Aus dem Bunker.
Aus dieser finsteren Welt der Engel und Dämonen.
Ja sogar aus dieser abscheulichen Existenz, zu der sie verdammt war.
Fast war sie wieder im Garten des Hauses ihrer Tante ...
Nicht ihrer Tante. Einer vollkommen Fremden!
Einer Fremden, die sie alle die Jahre wie ihre eigene Tochter umsorgt und ihr eigenes Leben für das Ihre aufs Spiel gesetzt hatte.
Mehr als einmal, bis sie sich für sie geopfert hat.
Sie war das, was einer Familie am nächsten gekommen war und sie hatte sich dort wohlgefühlt.
Hatte sich glücklich und geliebt gefühlt.
Doch.
Dieses Haus war ihr Heim und dieser Garten ihr kleiner Himmel gewesen.
Ein Himmel, in den sich ihr Herz zurück sehnte.
Und doch wusste, es war Vergangenheit.
Das Haus und den Garten gab es nicht mehr.
Wie auch kein Zurück mehr.
Nie wieder.
Für den Rest ihres verdammten, unsterblichen Lebens.
Ein Geräusch an der Tür führte sie wieder zurück.
Zurück in ihre eigene Dunkelheit.
Sie bemerkte, dass die Tür zu ihrem Quartier geöffnet wurde, machte sich aber nicht die Mühe die Augen zu öffnen oder gar aufzustehen.
Sie wusste es war Mandy.
Sie ließ sie den ersten Schritt machen.
* * *
Die Tür zu Valerie's Quartier war nicht verschlossen.
Langsam legte sie ihre Hand auf die Klinke, drückte sie herunter und trat dann durch die aufschwingende Tür in die Dunkelheit des Raumes.
Nur mit Mühe konnte sie die Umrisse des Bettes ausmachen, denn das wenige Licht, welches durch die geöffnete Tür fiel, verlor sich fast gänzlich im Zimmer.
Trotzdem erahnte sie Valerie's reglose Silhouette auf dem Bett.
Hoffentlich geht es ihr gut, fragte sie sich.
Besorgt ging sie auf das Bett zu.
„Valerie?", flüsterte sie und blieb am Kopfende stehen.
Keine Antwort.
Keine Regung.
Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus und berührte fast zärtlich die Schulter ihrer Freundin.
Augenblick fuhr die schlanke Gestalt in die Höhe und schien hellwach.
„Ah!" Überrascht wich Mandy zurück.
„Oh man, Valerie, du hast mich ja ... zu Tode erschreckt!"
Spielerisch versetze sie der schlanken Frau einen Klaps auf die Schulter.
Valerie nahm die winzigen Kopfhörer aus den Ohren.
„Weißt du eigentlich, wie sehr DU mich erschreckt hast? Was machst du eigentlich hier?" Sie lächelte Mandy schief an.
„Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen! Nimm doch mal Rücksicht auf die ältere Generation!"
Damit nahm Valerie das unerschöpfliche Thema ihres Altersunterschiedes wieder auf, das zwischen den Beiden schon beinahe zu einem „Running Gag" geworden war. Nun war es an Mandy zu lächeln.
Doch diese entspannte Atmosphäre hielt nicht lange an.
Nur zu schnell erinnerte sich Mandy wieder an den eigentlichen Grund ihres Besuchs.
„Valerie, ich muss dringend mit dir sprechen!", begann sie ernst.
Die Angesprochene erkannte sofort den Stimmungswechsel. Sie schaltete die Musik aus, setze sich auf die Kante des Bettes und bedeutete Mandy neben ihr Platz zu nehmen.
Als beide einträchtig nebeneinander auf der Bettkante saßen, begann Mandy zu erzählen, was ihr auf dem Herzen lag.
„Valerie, ich glaube Rupert hat sich aus dem Staub gemacht!"
„Wie ... wie kommst du denn darauf?", tat Valerie erstaunt.
Mandy sagte nichts. Sie zog nur einen Valerie wohl bekannten Brief aus ihrer Hosentasche und hielt ihr dieses verknitterte Stück Papier vor die Nase.
„Der klemmte an der Tür meines Zimmers!"
Skeptisch nahm Valerie ihr den Brief aus der Hand und gab vor den Inhalt zu lesen. Es dauerte nicht lang die wenigen Zeilen zu lesen. Besonders dann nicht, wenn man sie selbst diktiert hatte.
Langsam faltete sie nach wenigen Augenblicken den Brief wieder zusammen und legte ihn Mandy in die Hände.
„Ich kann kaum glauben, was ich da eben gelesen habe!", kommentierte sie.
„Ich meine ... Rupert war ... ist ein eigenartiges Kauz, aber das er sich so einfach aus dem Staub macht? Das er ernsthaft denkt er sei alleine besser dran?"
„Na ja, offensichtlich ist er davon überzeugt. Denn er ist definitiv weg. Ich hab schon überall nach ihm gesucht, weil ich es zu erst für einen schlechten Scherz gehalten habe. Aber ... das ist noch nicht alles!"
Valerie runzelte fragend die Stirn.
„Nun, ähm ... ich bin zwar gestern ziemlich spät schlafen gegangen, aber nicht SO spät. Jedenfalls bin ich erst vor kurzem Wach geworden", erklärte sie.
„Und?", fragte Valerie misstrauisch.
„UND? Echt jetzt?", erwiderte die junge Frau aufgebracht.
„Es ist doch ein leichtes für Rupert mich irgendwie mit einem seiner ... verrückten Hokuspokus Zaubersprüche zu belegen, damit ich länger schlafe und ich nicht merke, dass er abhaut.
Er hat immerhin diese magische Barriere errichtet, oder?"
Valerie nickte anerkennend. „Wenn ich jetzt so darüber nachdenke .... Ich denke du hast tatsächlich recht."
„Natürlich habe ich recht! Der Mistkerl hat sich einfach verpisst! Dem ist scheißegal, das er damit dein Leben gefährdet und dass er damit das Schicksal der ganzen Menschheit aufs Spiel setzt", ereiferte sie sich.
Valerie hörte deutlich Sam aus den letzten Worten.
Schon wieder diese Lügen!
„Was sollen wir denn jetzt nur machen, Valerie?", schluchzte Mandy. Ihre Wut schlug in Angst um und ihre Augen füllten sich plötzlich mit Tränen.
Beruhigend legte Valerie der verwirrten jungen Frau eine Hand auf die Schulter.
„Wir müssen doch nur warten, bis Sam und Dean wieder kommen, Kleines."
Aus einem unerfindlichem Grund half das allerdings nicht besonders Mandy wieder zu beruhigen.
Im Gegenteil.
Sie schien sich in ihre Angst förmlich hinein zu steigern.
„Und ... und wenn sie nicht wissen, wie die Barriere deaktivieren wird? Jetzt da Rupert weg ist!", schluchzte sie und umarmte Valerie stürmisch.
Sie suchte Halt bei der hageren Frau, die sie ihre Freundin nannte.
Ihre erwiderte Umarmung erschien zwar etwas unbeholfen, gab aber dennoch den Trost, den Mandy in diesem Augenblick suchte.
Nach wenigen Sekunden löste sich Mandy langsam wieder von Valerie.
Die schlanke Frau entließ leise den Atem, den sie während dieser Umarmung unbewusst angehalten hatte. Sie hatte befürchtet diese Nähe würde etwas in ihr auslösen, dass sie nicht in der Lage wäre zu kontrollieren.
Doch offensichtlich lebte in ihr nun nichts mehr.
Keine Liebe.
Kein Mitgefühl.
Keine Vergebung.
Nichts war in ihr verblieben als nur das reine, klare Ziel.
„Tschuldigung!", presste Mandy leise hervor und riss Valerie damit aus ihren düsteren Gedanken. Die Stimme immer noch etwas belegt von ihrer Angst.
„Schon ok", antwortete Valerie.
„Und jetzt?", fragte Mandy und trocknete währenddessen noch die restlichen Tränen mit dem Ärmel ihre Sweatshirts.
„Wir warten. Was sonst", antwortete Valerie ruhig.
„Aber ... aber wir wissen doch gar nicht wann die zwei wieder kommen? Was ist, wenn ihnen etwas zugestoßen ist?"
Panik machte sich in ihrer Stimme bemerkbar. „Wenn keiner mehr kommt ... was wird dann aus dir? Du kannst die Barriere nicht durchschreiten!"
Valerie zuckte darauf nur die Schulter.
„Wir werden halt warten müssen."
Sie grinste leicht, als sie fortfuhr. „Außerdem habe ich doch auch noch dich, oder? Und du kannst offensichtlich hindurch."