Ellies Sicht
23. Dezember
Mit einem letzten Blick in den Spiegel kontrolliere ich mein Aussehen und gehe sicher, dass auch meine Schminke während meinem Nießer nicht unter meine Augen gekommen ist. Ich hasse es einfach, wenn man nießen muss, obwohl man sich gerade Mascara aufträgt und man daraufhin aussieht wie ein Clown. Zufrieden muss ich lächeln, denn zum Glück ist nichts passiert und mein Versuch meine Augen irgendwie offen zu halten ist geglückt. Heute ist der 23. Dezember und heute ist nicht nur der Tag vor Weihnachten, sondern auch der Tag, an welchem Matteo endlich meine Familie kennen lernen wird, denn er wird die Feiertage mit uns verbringen, statt mit seinen Eltern. Auch wenn er von Anfang an wusste, um wen es sich bei ihnen handelt ist es nun etwas ganz Besonderes, denn noch nie ist er ihnen wirklich begegnet und hatte die Chance sie als Privatpersonen kennen zu lernen und in wenigen Minuten wird es soweit sein.
Denn dann wird er hier sein.
Auch wenn ich weiß, dass ich weder irgendwo flecken auf meiner Kleidung habe, noch die Schminke verschmiert ist, gucke ich noch einmal in den großen Ganzkörper Standspiegel neben der Tür, ehe ich mein Zimmer verlasse und durch das Haus meiner Eltern laufe um ebenfalls rüber zu meinem Bruder zu gehen. Wie jedes Jahr verbringen wir, die Blacks, die Feiertage gemeinsam in der Abgeschiedenheit in den Bergen und haben wirklich ein volles Haus, denn selbst meine Cousine Kate wird da sein.
Als ich das Haus meines Bruders betrete muss ich automatisch lächeln. Alles ist weihnachtlich dekoriert und ich erkenne einige Teile wieder, die wir so ähnlich bereits in meiner Kindheit besessen haben. Auch wenn es nicht mehr die Originale von damals sind, lässt der Anblick einige Bilder in meinen Erinnerungen erscheinen, die mich an meine Kindheit zu Lebzeiten erinnern. Schöne, besinnliche Zeiten gemeinsam mit einem jungen Ben und einem jungen Logan.
„Logan?", rufe ich, woraufhin ich ein „hier" aus dem Wohnbereich höre.
Alle sind hier und gemeinsam bereiten sie diesen letzten Raum darauf vor, dass die Männer der Tradition halber im Wald einen Baum schlagen, welcher unser Weihnachtsbaum wird.
Alison ist die erste die mich mit einer Umarmung begrüßt. „Na, nervös?", fragt sie und ich muss grinsen.
„Ein wenig vielleicht", gestehe ich ihr, woraufhin sie leise lacht und ihre Hand auf meine Schulter legt. „Das wird schon. Wir beißen ja nicht", scherzt sie was mich kichern lässt. „Und wenn, beißt er zurück." Lachend lässt sie schließlich von mir ab und ich sehe Ben auf mich zu kommen. Er hält eine Kiste in der Hand, in welcher sich mehrere paar Handschuhe befinden. „Ich hoffe er hat keine Scheu mit anzupacken?", fragt mich mein ältester Bruder.
„Nein, ich glaube nicht."
Ben nickt zufrieden, ehe sein Blick in Richtung Fenster schweift. Als ich mich konzentriere höre auch ich das Geräusch eines sich nähernden Motors. „Ich glaube das ist er", nuschle ich, eher zu mir selbst, als zu den anderen.
Ben nickt, woraufhin ich mich wieder umdrehe und zurück zur Haustüre gehe. Diese öffne ich noch bevor Matteo die lange Strecke vom Eingangstor, welches wir absichtlich offen gelassen haben, bis zum Innenhof hinter sich gebracht hat.
Grinsend lehne ich mich an den Türrahmen und beobachte ihn dabei, wie er näher kommt und den runden Platz entlang fährt, ehe er hinter den bereits parkenden Autos von Henry und Dajana hält.
Mit kugelrunden Augen steigt er aus und sieht sich erst einmal um, da da Anwesen meines Bruders doch eher einem Palast entsprcht, bevor sein Blick zu mir wandert.
„Hi", begrüße ich ihn grinsend. Grinsend kommt er zu mir und legt dann einen Arm um meine Taille, gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Ciao amore mio", flüstert er leise und schenkt mir daraufhin ein breites Lächeln. „Du siehst so schön aus wie immer."
Auch ich lächle und ziehe ihn an seinem Nacken für einen weiteren kurzen Kuss zu mir. „Danke", flüstere ich gegen seine Lippen, ehe ich mich ein wenig zurück lehne. „Hast du gut her gefunden?"
„Gerade so. Man fühlt sich beinahe wie in einem Irrgarten inmitten der ganzen Berge", erwidert er schmunzelnd, was mich kichern lässt. „Das ist der Sinn an unserer Abgeschiedenheit. So einfach findet uns hier keiner."
Als er daraufhin schmunzelnd nach meiner Hand greift, weiß ich sofort, dass er dies als einen ersten Schritt tut, um meine Familie endlich kennen zu lernen. „Bist du soweit?", frage ich ihn. „Es sind bis auf Valeria und Alisons Familie bereits alle da. Sarah, Alisons Cousine ist mit ihrem Freund in der Heimat in Alaska, also wirst du sie vorerst nicht kennen lernen."
Soweit ich weiß, wird Alisons Familie in knappen zwei Stunden da sein und Valeria wird erst heute Abend ankommen, da sie für Alison die letzten Arbeitsbedingten Aufgaben erledigt, sodass niemand frühzeitig abreisen muss. Jason hat mir dies erzählt, während er genauso wie Logan und Ben bereits vor wenigen Tagen mit Benni hergekommen ist, um Zeit mit unseren Eltern zu verbringen.
Matteo nickt lächelnd, wenn auch nervös, woraufhin ich ihn rein ziehe.
Von allen hier Anwesenden kennt er bisher nur Jason, Sophia und mich und da meine Familie nicht gerade klein ist, kann ich mir nur ansatzweise vorstellen, wie er sich gerade fühlen muss.
Ohne zu zögern lässt er sich von mir ins Wohnzimmer ziehen, in welchem sich alle miteinander unterhalten. Jedoch stoppen eben diese Gespräche, als wir den Raum betreten und alle Aufmerksamkeit richtet sich auf uns.
Als aller erstes fällt mir das freche Grinsen und der neugierige Blick meiner Cousine Kate auf, die sich gerade noch mit Logan unterhalten hat. Noch immer liebt sie kleine Psychospielchen und mich würde nicht wundern, wenn sie genau diese an Matteo ausprobieren will.
Aber das weiß ich zu verhindern.
Doch ist es meine Mutter die sich als erstes regt. Schnell stellt sie die Schachtel ab, welche sie gerade noch in der Hand hatte und kommt zu uns.
Dabei wischt sie mit den Händen kurz über ihre schwarze Stoffhose, wahrscheinlich um Staub zu entfernen, ehe sie Matteo die Hand hinhält. Freundlich lächelt sie. „Du musst Matteo sein", sagt sie. „Ich bin Catelyn. Ellies Mutter." Sie dreht sich und winkt meinen Vater herbei, woraufhin dieser sich neben sie stellt. „Und das ist Stephen, ihr Vater." Auch Dad lächelt freundlich.
„Matteo Marocu. Es freut mich sehr Sie kennenzulernen", stellt Matteo sich vor und nickt mit einem freundlichen Lächeln. Auch Dads Hand nimmt er. „Sir."
Zufrieden nickt mein Vater. „Es freut auch uns dich kennen zu lernen, Matteo. Ellie hat bereits viel von dir erzählt." Dad wirft einen kurzen Blick zu mir, ehe er Matteos Hand loslässt. Genau in diesem Moment räuspert Ben sich, woraufhin ich zu ihm sehe und bemerke, dass Logan und er uns ziemlich abwartend ansehen, was mich schmunzeln lässt. „Ich stelle dir am besten Mal meine Brüder vor", sage ich an Matteo gewandt und führe ihn zu den beiden.
Kurz mustern sie ihn so, als würden sie einen Gegner einschätzen und werfen sich daraufhin einen kurzen Blick zu. „Du bist also der junge Mann, der unserer kleinen Schwester den Kopf verdreht hat", stellt Ben fest.
Ich räuspere mich. „Matteo, das ist Ben und das Logan, meine beiden großen Brüder." Nacheinander deute ich auf beide. Auch Ben und Logan schüttelt er die Hand, jedoch mit einem etwas ernsteren Gesichtsausdruck. „Es freut mich endlich die Gesichter hinter den Erzählungen zu sehen", sagt er und schmunzelt. Da mir meine Brüder die Welt bedeuten habe ich ihm natürlich bereits vieles über sie und uns drei gemeinsam erzählt, was Matteo anscheinend nun auch im Gedächtnis hat.
Logan schmunzelt. „Ich hoffe doch nur gutes?", fragt er und zwinkert mir zu.
„Natürlich. Über dich gibt es nichts Schlechtes zu erzählen, oder hast du was zu verheimlichen?"
Er lacht herzlich durch meine Worte und schüttelt den Kopf. „Es gibt nichts, dass du nicht weißt Schwesterchen."
Ben sieht ihn kurz skeptisch an, nickt dann jedoch und wendet sich wieder Matteo zu. „Was hat sie dir denn erzählt?", fragt er grinsend mit vor der Brust verschränkten Armen.
„Nur ein wenig über die Zeit früher, in der ihr gelebt habt. Sie verehrt euch abgöttisch. Es ist noch immer erstaunlich, dass ihr heute hier sein könnt, aber ich bin froh drum"
Sein Blick wandert zu mir, während Ben zu lächeln beginnt. „Das stimmt, wir sind auch äußerst gerne hier."
„Das nehme ich mal als mein Stichwort!" Alison kommt zu uns gehuscht und lehnt sich an Logan, der den Arm um sie legt. Natürlich ist Benni ihr gefolgt und klammert sich an ihrem Bein fest, weshalb ich ihn kurzerhand auf meinen Arm nehme. „Das sind Benni und Alison."
Ich lächle beide an und gebe Benni einen Kuss auf die Wange, was ihn kichern lässt. Neugierig beobachtet er Matteo der neben mir steht aus kugelrunden Augen. Selbst sein Mund steht dabei ein wenig offen. Matteo schenkt meinem Neffen ein kleines Lächeln, woraufhin Benni sich in meiner Halsbeuge versteckt und mich lachen lässt. Da scheint jemand schüchtern zu sein.
Höflich wie Matteo ist, hält er schließlich auch Alison die Hand hin, welche die Frau meines Bruders sofort annimmt. „Mich auch", erwidert sie lächelnd. „Es ist schön, dass du die Feiertage bei uns verbringst. Soph hat schon des Öfteren von dir geschwärmt." Matteo beginnt zu grinsen und sein Blick huscht zu seiner Patentante, die ihn gemeinsam mit Jason beobachtet und uns schließlich zu zwinkert.
Auch Alison entgeht dies nicht. „Soll ich dir Benni abnehmen?", fragt sie mich schließlich, da meine Cousine Kate, Dajana und Henry immer noch Unbekannte für Matteo sind, jedoch schüttle ich den Kopf. „Nein das geht schon. Er wird mir ja schon zeigen, wenn er runter will."
Alison nickt daraufhin mit einem Lächeln und greift nach Bens und Logans Hand, um die beiden von uns weg zu ziehen. Wahrscheinlich, um Matteo endlich von ihren prüfenden Blicken zu erlösen. Typisch große Brüder, die sich aufspielen müssen. „Komm. Ich stelle dir noch die letzten drei in der Runde vor."
Gemeinsam gehen wir zu Kate, Henry und Dajana, die sich den Socken widmen und diese aufhängen. Als wir zu ihnen kommen halten sie uns jedoch inne und lächeln. Ich deute auf Kate, die Blondine unter den dreien. „Das ist meine Cousine Kate." Dann auf meine Ziehgeschwister. „Und das sind Dajana und Henry. Meine Ziehgeschwister schrägstrich Schwager. Dajana ist Bens Verlobte und naja, Henry ist eben Henry." Ich zwinkere ihm zu, was ihn lachen lässt.
Auch Dajana beginnt zu lachen und sieht kurz zu ihrem Bruder, ehe sie Matteo angrinst und dabei ihre strahlend weißen Zähne zeigt. „Hi. Schön dich kennen zu lernen, Matteo."
„Freut mich", er grinst ebenfalls, wahrscheinlich, da Dajana ihn so offenherzig begrüßt hat und dann wiederholt er die Begrüßung auch bei Kate und Henry. Während Henry genauso locker ist wie Dajana, mustert Kate ihn für einen Augenblick genauer. Sie sagt jedoch nichts und macht sich dann wieder an der Dekoration zu schaffen, was Matteo die Stirn runzeln lässt.
Um ihm ihr Verhalten erklären zu können ziehe ich ihn schließlich mit mir. „Komm holen wir deine Sachen mal aus dem Auto und bringen sie nach drüben in mein Zimmer."
Benni der auf meinem Arm beginnt zu strampeln, lasse ich runter, bevor wir schließlich in den Eingangsbereich gehen und ich Matteo die Haustüre öffne.
„Kate ist ein wenig...", ich stocke. „Nun ja, speziell." Mein Blick wandert zu Matteo, der mich fragend mustert. „Sie hat einen Zwillingsbruder. Lewis. Er hat sich jedoch bereits vor vielen Jahren von uns abgewandt und Kate kommt damit nicht ganz so gut zurecht. Um mit ihren Gefühlen klar zu kommen ist sie zu einer kleinen Sadistin geworden und sie mag es einfach andere leiden zu lassen. Hauptsache ihr Leid wird betäubt."
Matteo öffnet nur stockend den Kofferraum seines Wagens und holt die Tasche raus, dann sieht er mich wieder an. „Wo ist ihr Bruder jetzt?", fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Ich habe Lewis das letzte Mal gesehen, als ich noch gelebt habe. Logan und Kate wissen es genauso wenig, was wir aber wissen ist, dass er noch lebt. Kate hätte es sonst gespürt, wenn dem nicht so wäre. Die beiden sind dadurch, dass sie Zwillinge sind irgendwie miteinander verbunden. Keine Ahnung. Aber Lewis war schon immer ein wenig anders. Er wollte Macht und konnte nicht akzeptieren, dass eben diese Macht bei uns liegt."
Matteo brummt, während wir in Richtung meines Elternhauses gehen. „Denkst du ihr werdet ihn wiedersehen?"
Ich zucke mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Es ist schon so lange her, aber irgendwo da draußen ist er und arbeitet gegen seine Familie. Das weiß ich."
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Not gonna lie. Ich liebe Kate hahaha
Aber Ellie und Matteo sind einfach nur Goals.