ℕatural Numbers [ Pokémon Sc...

By lunaeldeen

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»Touko, Mathematik ist überall. In der Natur, in jedem Lebewesen, in allem, was geschehen ist und noch gesche... More

Manipulation
Widerstand
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Zweifel
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Fliehen
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Chaos
Ordnung
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Durchführung
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Verrat
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Buße

Druck

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By lunaeldeen

3. K A P I T E L ║Druck

»Mach deine Erfahrungen.«


»Ich sage dir die Wahrheit am besten gleich. Ich bin der König von Team Plasma«, verkündete er. Ein wenig zu stolz. N sah wieder aus dem zerkratzten Fenster der Gondel. Touko lehnte sich zurück und drückte das zappelnde Floink näher an sich. Sie fühlte sich unwohl in der Nähe dieses seltsamen Fanatikers. Fummelte die ganze Zeit an seinem Zauberwürfel herum, sprach von mathematischer Präzision und konnte es nicht lassen, Touko anzustarren, wenn nicht gerade mit großen Augen die weite Landschaft Einalls bestaunt wurde.
Die geschlossene Gondel eines Riesenrads war auch der perfekte Ort, um plötzlich herauszufinden, das die Wurzel allen Übels direkt vor einem saß, wie ein unschuldiges Kind blickend. Diesen Moment hatte er wohl geplant. Oder berechnet.
»G-Cis hat mich um meine Mithilfe bei seinem Plan zur Rettung der Pokémon gebeten«, sprach N so schnell daher, dass er sich eigentlich verhaspelt haben müsste. Seine Finger huschten ebenso schnell über den Zauberwürfel und lösten das Rätsel nun schon zum dritten Mal. Was für ein gruseliger Typ.
Bereits bei der ersten Begegnung war Touko sein Redetempo auf die Nerven gegangen. Doch so langsam gewöhnte sie sich daran. Man könnte meinen, er sei hektisch, doch das war er ganz und gar nicht.

ナチュラル

Touko starrte mit leeren Augen aus dem Fenster. Es gab nicht viel zu sehen außer ein paar Sternen und den zwei Monden, umrahmt von der tiefschwarzen Nacht. Sie fand ein wenig Halt in der stillen Dunkelheit da draußen. In ihr gab es keinen Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge oder Schön und Hässlich. Sie verschluckte Makel, versteckte Vollkommenes. Nichts war wirklich bedeutend, wenn es nicht wahrnehmbar für andere war. Selbst Touko vergaß sich einen Moment lang, tauchte in die Dunkelheit ein und war nicht mehr wichtig für einen kurzen Augenblick.

Sie konnte nicht schlafen. Es war wie in den ersten Nächten, nachdem N geflohen war und Einall von Plasma und der Bestie Kyurem überrannt wurde. Nun war es Cheren, der aus ihrem Leben gerissen wurde und sie vor lauter Sorge nicht mehr schlafen ließ. Wäre alles anders ausgegangen, wenn sie G-Cis besiegt hätte? Dann hätten N und Reshiram nicht vor ihm fliehen müssen. Zekrom wäre endlich bei ihr und Lauro, der Champ Einalls, wäre noch am Leben. Niemand konnte sagen, was passiert wäre.
Touko merkte, wie sie langsam unter der Last der sinnlosen Fragen zerbrach und fühlte sich wie eine Ausgestoßene. Sie sah Bell jeden Tag weinen, sie bekam mit, wie sehr Cherens Eltern litten. Es war eine Qual, weil sie sich schuldig fühlte.

Irgendwann grub sich eine warme Hand in ihr Haar. Touko sah nach links. »Mama«, machte sie, zog ihre laufende Nase hoch.

»Schatz, kannst du wieder nicht schlafen?« Sie lächelte sanft. »Wie wäre es, wenn wir morgen ans Meer fahren? Nur wir beide? Du musst mal raus hier.« Mit ruhigen Bewegungen setzte sie sich zu Touko auf die Fensterbank und sah nach draußen.
»Ich wünschte, ich wäre aufgestanden und zu Cheren gerannt. Dann hätten sie mich zwar mitgenommen, aber es wäre viel besser auszuhalten als das hier... Ich glaube, dass seine Eltern mir die Schuld geben. Selbst Bell will nicht mehr mit mir reden!« Touko zog ihre Beine enger an sich und legte ihren Kopf auf die Knie ab.

»Sag doch nicht so etwas! Cheren hat ein Pokémon trainiert und eingesetzt. Punkt. Dafür wurde er nun verhaftet und es ist nicht deine Schuld! Hör nicht auf das, was die anderen sagen. Sie wissen nur nicht, wo sie mit ihrer Angst hin sollen und brauchen eine Person, die sie beschuldigen können, um sich besser zu fühlen. Warte ein paar Tage, dann wird Bell schon wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.« Sie seufzte und legte eine Hand auf Toukos gesenkten Kopf. Mittlerweile weinte sie langsam vor sich hin. »Denk bitte nicht so viel nach, sonst machst du dich selbst kaputt. Das merkst du doch schon. Ich will das alles nicht herunterspielen, das kann ich auch gar nicht, aber tu dir das bitte nicht an.« Dieser besorgte Unterton in der Stimme ihrer Mutter war seit einem Jahr ständig zu hören.

»Aber ich habe ihn in Stich gelassen. Und die Soldaten, die Cheren verletzt hat, werden bald sagen können, dass Bell und ich dabei waren! Sie werden wiederkommen und uns holen!« Touko sah auf und zeigte ihr hilfloses, von Tränen überströmtes Gesicht.

»Es war nur ein Aufstand von vielen! Das kriegen die Soldaten tagtäglich mit! Wenn sie die Menschen wegen jedem kleinen Mucks verhaften würden, säße schon ganz Einall im Schloss! Und so wichtig wirst du G-Cis wohl nicht sein. Er setzt dich nur unter Druck und will dir Angst machen. Das reicht in seinen Augen schon, um dich kleinzuhalten. Dieser schmierige Lackaffe! Da täuscht er sich aber gewaltig! Eine große Klappe hat er. Damit versucht er sicher etwas auszugeichen...« Ein dreckiges Lachen drang aus der Kehle der ehemaligen Trainerin.
Touko verschluckte sich beinahe an ihren Tränen und musste sich den Mund zuhalten um nicht laut loszulachen. »Mama!«, rief sie mit weit aufgerissenen Augen. Der Farmer-Slang ihrer Mutter kam mal wieder voll durch. Jeder in Avenitia war damit gebrandmarkt. Außer Cheren natürlich, der sich stets bemühte, wie ein Stadtkind zu wirken.

»Na, siehst du! So gefällst du mir schon viel besser.« Sie zwickte kurz in die Wange ihrer kichernden Tochter und zwinkerte. Sie wusste nichts Genaueres über N, Zekrom und ihre Verbindung zu Touko. Andernfalls wüsste sie auch, dass G-Cis immer noch ein Auge auf ihre Tochter hatte. »Lass dich nicht einschüchtern von diesen Idioten. Ihr Experiment wird schiefgehen, andere Regionen werden zur Hilfe kommen. Was weiß ich...? Stell dir vor, Kanto findet heraus, was für ein falsches Spiel hier getrieben wird. Sie haben eine ganze Armee perfekt ausgebildeter Trainer!«
»Ja und eine Ein-Mann-Armee, die im Notfall genügen würde.« Touko verdrehte die Augen.
»Oder die internationale Polizei. Es dauert nicht mehr lange. Jedenfalls kann sich dieser G-Cis auf etwas gefasst machen! Und falls er doch zurück nach Gavina kommen sollte, um dir an den Kragen zu gehen, habe ich immer noch das Brecheisen im Schuppen liegen!« Toukos Mutter deutete todernst nach draußen, wo die staubige Halle mit den Landmaschinen stand. Wenn es darum ging, ihre Familie zu beschützen, tat sie tatsächlich alles.
»Mama...« Touko atmete tief ein, um sich von ihrem spontanen Lachanfall zu erholen und wurde wieder ernst. »G-Cis ist nicht dumm. Und er kennt mein Gesicht. Vielleicht bin ich ihm wichtiger als du denkst... Ich habe mich damals im Schloss nicht zurückgehalten mit dummen Sprüchen. Selbst als ich verloren hatte.«
Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Typisch... Mach dir keine Sorgen um dich, Bell und Cheren. Wenn Team Plasma euch etwas antun wollte, hätte es das schon längst getan. Und sie werden Cheren nicht wehtun...« Noch einmal fuhr sie durch Toukos Haare und stand dann auf. Es waren leere Worte ohne Bedeutung. Sie wusste eigentlich gar nichts. Sie wusste von dem Kampf im Schloss. Aber nur das, was auch in den Medien veröffentlicht wurde und das hatte mit der Wahrheit nicht mehr viel zu tun. Aber es war auch besser so, wenn möglichst wenige von Zekrom wussten.
»Nein, werden sie nicht«, bestätigte die Jugendliche hasserfüllt. Ihre Unterlippe bebte. »Sie werden ihn zwingen, für ihre Pläne zu kämpfen, weil er einer der besten Trainer Einalls ist. Und das ist wesentlich schlimmer.« Sie stand ebenfalls auf und dehnte ihren Nacken. Eine Träne fiel auf den Holzboden. »Ich gehe jetzt schlafen. Wird sicher eine super entspannte Nacht.«
Ihre Mutter umarmte sie lange, schaukelte leicht hin und her. »Wir werden das schon überleben. Es wird irgendwann Hilfe kommen. Ganz bestimmt.«
»Deckst du mich zu?«, fragte Touko ganz leise. Sie spürte das Grinsen ihrer Mutter im Nacken.

***

»Guten Morgen! Haben wir auch schön von Riesenrädern und Zauberwürfeln geträumt?« Es war Sonntagmorgen. In der Küche roch es herrlich nach frischem Kaffee und Brot. Im Fernseher an der Wand lief eine Reportage über G-Cis, die Sieben Weisen und N. Letzterer wurde als psychisch kranker Fanatiker dargestellt, der mit Reshiram auf der Flucht war. Natürlich wollte G-Cis die beiden für sich und stellte sie schlecht dar. N war schlau genug und hatte sich zurückgezogen, damit er von seinem Vater nicht eingesperrt und für miese Zwecke missbraucht werden konnte.

»Mama! Hör auf damit!« Touko verdrehte genervt die Augen und schnappte sich ein Glas Saft. Sie hatte ihrer Mutter immer noch nicht eröffnet, dass ihr besagter Freund N war, der ehemalige König von Team Plasma. Das wäre auch fatal gewesen in Anbetracht der lachhaften Dinge, die seit der Übernahme über ihn verbreitet wurden. Lieber sagte sie gar nichts. Wenn überhaupt, plauderte sie nur banale Dinge über ihn aus, die nie verraten würden, um wen es sich wirklich handelte.

»Was ist denn? Du redest doch ständig über ihn und wie intelligent er doch ist! Darf ich das dann nicht? Huch? Warum wirst du denn so rot?«, fragte die Mutter ironisch und stellte den Saft auf den Tisch zwischen Brot, Butter und einigen Sorten Aufstrich. Sie versuchte oft, mehr über ihn in Erfahrung zu bringen, scheiterte jedoch immer.

»Ich will jetzt nicht über ihn reden!«, schnauzte Touko und suchte unauffällig nach der Fernbedienung, damit sie den verräterischen Fernseher abstellen konnte. Dabei nippte sie am Saft. Ein Foto von N wurde plötzlich eingeblendet. Er sah fabelhaft aus. An seiner Hüfte baumelte der eben noch erwähnte Zauberwürfel. Touko verschluckte sich heftig als sie ihn sah und spuckte den halben Inhalt ihres Mundes beinahe aus. Die gelbe Flüssigkeit verteilte sich am Kinn und in ihrem Ausschnitt. Inständig hoffte sie, dass ihre Mutter nicht hinsah und eine Verbindung erahnte.
»Gesundheit. Aber ich kenne noch nicht einmal seinen Namen... Ich weiß nur, dass er sich seit einem Jahr nicht mehr bei dir gemeldet hat und verdammt heiß aussieht. Und dass er Zauberwürfel, Riesenräder und Mathematik mag. Mathematik. Grässlich.« Die darauffolgende Grimasse zauberte Touko schon wieder ein zustimmendes Lächeln auf das Gesicht.
Noch einmal Glück gehabt. Aber in genau diesem Moment wurde in der Reportage erwähnt, dass N seit einem Jahr auf der Flucht vor G-Cis und seinem Finstrio war. Touko spürte, wie ihr Gesicht ganz heiß wurde. Aber ihre Mutter schien dem Fernseher eher wenig Aufmerksamkeit zu schenken.

»Willst du wirklich wissen, wer er ist?« Touko machte sich ungefähr acht Brote fertig und steckte sie in separate Tüten. Dabei verhielt sie sich ziemlich ungeschickt und meckerte jedes Mal leise, wenn etwas nicht so klappte, wie sie es wollte.
»Ja, gerne. Aber kannst du mir das bitte weniger zickig erklären? Und entspann dich bitte. Dein Kopf platzt ja gleich. Himmel, bist du verschossen, Kind. Wenn ich so sehr an deinen Vater hängen würde, wäre das ja schrecklich!« Da war schon wieder der erzieherische Unterton. Die mittelalte Frau nahm einen Schluck Kaffee und hob die Augenbrauen tadelnd.

»Vielleicht. In fünf Minuten.« Touko biss sich auf den Kiefer und verstaute grummelnd die letzte Tüte. Mit schmalen Augen fixierte sie immer noch den Fernseher.
»Gruselige Gestalten, findest du nicht?«, meinte ihre Mutter dazu. Nun drehte sie sich ebenfalls zu der kleinen Kiste an der Wand und schüttelte angewidert den Kopf. »Und dieser N läuft auch noch frei herum... Man sollte dieses gestörte Ding einsperren lassen. Mir tun die Mütter im Norden Leid. Sie können ihre Kinder ja nicht einmal mehr auf die Straße lassen. Also wenn er plötzlich in Avenitia steht und euch auch nur ansieht, hole ich den Mähdrescher!« Sie nickte überzeugt und nahm einen großen Schluck Kaffee.
Touko drehte sich schnell weg und lief mit großen Schritten zum Kühlschrank. »Das... traue ich dir sogar zu«, meinte sie aufgeregt. Weil sie eigentlich gar nicht zum Kühlschrank wollte, nahm sie sich einfach eine Flasche Cola und steckte sie in die Tasche, wo sich bereits eine befand.

»Was hast du eigentlich vor? Nach Meer sieht das jedenfalls nicht aus...« Die Kaffeetasse wurde vorsichtig abgestellt. Eine Gartenzeitschrift bekam nichtsdestotrotz einen kleinen Spritzer ab.

»Ich muss weg. Weit weg.« Ohne Vorwarnung lief Touko zur Haustür und griff dabei nach einem Schlüssel, der auf einer Kommode lag. Ihre Mutter sprang verwirrt auf und lief schnell hinterher, die Kaffeetasse in der Hand balancierend.

»Touko! Bleib stehen! Ich wüsste gerne, was du vorhast!« Sie folgte ihrer Tochter nach draußen. Diese lief zielstrebig durch das bereits offenstehende Tor der großen Halle und verschwand im Inneren. Dort, zwischen Maschinen und diversen Arbeitsgeräten stand etwas, das mit einem großen Laken abgedeckt war. Sie griff danach und riss es mit einem Schwung weg. Ein altes Motorrad kam zum Vorschein. Blank poliert. Staub wurde aufgewirbelt und setzte sich daran fest. Die großen Reifen waren neu, der lange Auspuff geflickt.
»Was? Wo willst du denn ganz hin? Funktioniert das Ding überhaupt noch? Dein Vater hat es das letzte Mal vor vier Jahren benutzt...«

»Fünf«, korrigierte Touko. »Hab es repariert.« Sie lief zügig weiter in die Halle hinein und griff nach etwas hinter einer Werkbank. Ihre Mutter verschränkte die Arme und legte den Kopf schief. »Touko!«
Die Neunzehnjährige hob angestrengt stöhnend einen Kanister aus einem Haufen voller undefinierbarer Gegenstände und schleppte ihn zum Motorrad. »Was denn?!«, fragte sie gequält.

»Zwei Fragen!«, gab ihre Mutter ebenso laut zurück. Sie hatte sich an das Tor gelehnt und beobachtete Touko interessiert. Die Tasse in ihrer Hand war schon fast leer.

»Ich weiß, dass du dir Sorgen machst. Bitte lass mich einfach fahren, ich halte es hier nicht mehr aus. Nach eineinhalb Jahren Pokémon-Reise kann ich nicht einfach hier in diesem Kaff bleiben und auf Hilfe warten. Außerdem muss ich auf andere Gedanken kommen!« Sie füllte den Tank auf, setzte sich einen alten Helm auf und schmiss die Maschine an. Staub und Qualm wirbelten auf. Der Geruch von Benzin verbreitete sich im hallenähnlichen Schuppen. Touko atmete tief durch.

»Ach, so ganz ohne Vorwarnung? Bei dem was hier gerade läuft, lasse ich dich nur ungern fahren!« Nun war sie es mit den Tränen in den Augen. Es war fast so wie vor drei Jahren, als Touko das erste Mal mit ihrem Floink das Dorf verließ.
»Mama...« Touko fuhr die Harley nach draußen und schloss die schweren Tore des Schuppens. »Weißt du, jemand hat mir einmal gesagt, dass ich mir meinen Wunsch erfüllen soll. Und das tue ich jetzt. Zuerst habe ich mich nicht getraut, doch heute Nacht hatte ich wieder diesen Traum. Es ist an der Zeit, diesen Jemand zu suchen. Er kann es mit G-Cis aufnehmen!« Sie öffnete das Visier des Helmes. Das gequetschte Gesicht dahinter lächelte dümmlich. »Scheiß auf Schule. Sag den Lehrern, ich habe mir etwas gebrochen und muss sechs Wochen im Bett liegen bleiben oder so. Ist mir egal.«
»Es sind Ferien, du Drama-Queen. Und außerdem bist du seit zwei Wochen durch mit der Schule.« Toukos Mutter hob eine Braue und schüttelte den Kopf, als zweifle sie an den kognitiven Fähigkeiten ihrer Tochter. Die Tränen waren wieder verschwunden.
»Au. Stimmt ja. Naja, da wollte ich sowieso eine Tour machen. Ich hätte mir die Wahrheit sparen können, nicht wahr?« Touko räusperte sich, versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Diese Situation war ihr sehr peinlich, da sie sehr lange darüber nachgedacht hatte, welche Ausrede am sinnigsten war.
»Ja. Aber danke, dass du sie mir gesagt hast. Doch könntest du jetzt bitte damit aufhören, in Rätseln zu sprechen und mir verraten, um wen es sich handelt?«
»Um, ähm... Das willst du gar nicht wissen. Also es ist N-Nein... Wie soll ich das sagen? Es ist der Riesenrad-Typ, Mama... Der Riesenrad-Typ. I-Ich kann dir alles erklären! Aber erst später.« Sie hob abwehrend eine Hand.
»Aha...? Ihn willst du also suchen gehen, ja? Oder sind es doch die Flitterwochen? Jetzt wird es interessant...« Anstatt des üblichen Ei-Ei-Ei-was-seh'-ich-da-Blickes setzte ihre Mutter ein geradezu verärgertes Gesicht auf. »Und warum bist du dir da so sicher, dass er Plasma aufhalten kann? Na los, sag schon! Wer ist er? Ich bin deine Mutter und habe ein Recht darauf, es zu erfahren! Und wenn du jetzt schon abhaust, ohne dich vernünftig zu verabschieden, kannst du mir wenigstens den Namen deines Zukünftigen verraten, damit ich weiß, dass du in Sicherheit bist.«
Touko stieg noch einmal ab und umarmte ihre Mutter. »Es tut mir Leid, dass das alles so plötzlich kommt. Sage Bell, dass sie aufhören soll zu heulen und ich Cheren holen gehe. Und N.«
»Du hältst dich gefälligst vom Schloss fern, Fräulein! Höre ich auch nur ein Wort darüber, dass du dort bist, komme ich mit meinem Brecheisen hinterher!« Sie löste sich schnell aus der Umarmung ihrer Tochter und hustete kurz, als das Abgas des Motorrads in ihre Nase stieg. Ein erhobener Zeigefinger unterstrich ihren Entschluss.
»Ach ja!«, bemerkte Touko und lief zurück in den Schuppen. Sie kam mit dem Brecheisen zurück. »Ich leihe mir das Ding aus, okay? Für den Fall eines Falles.«
»Touko?«
»Ja?« Sie setzte sich wieder auf die Harley und hob ihren Kopf, um den seltsamen Blick ihrer Mutter interpretieren zu können.
»Ich bin unglaublich stolz auf dich, verstehe mich bloß nicht falsch. Aber du wirst nur Blödsinn anstellen und das bereitet mir Sorgen.«
»Du hast es nicht bemerkt, oder?«, sagte Touko plötzlich. »Ich habe dir seinen Namen verraten. Und du hast es nicht bemerkt, weil ich vorher gesagt habe, dass ich Cheren hole. Das war geplant, haha.«
Ihre Mutter zog verwirrt die Brauen zusammen. »Sag ihn noch einmal.«
»Nur wenn ich gehen darf und du dir keine Sorgen machst«, forderte Touko stumpf.
»Ich verstehe, dass dir der Druck zu viel wird. Zwar muss man nicht um die halbe Welt reisen, um zu lernen, mit solchen Situationen umzugehen, aber du bist noch jung. Mach deine Erfahrungen. Mach deine Motorrad-Tour wie jeder andere auch. Oh, wehe, du bringst dich in Gefahr!« Ein ehrliches Seufzen erwärmte Toukos Herz. Sie lächelte und fasste an die Schulter ihrer Mutter.
»Ich habe meinen Viso Caster immer dabei! Ruf mich an, wenn du möchtest! Und außerdem: Wenn er dabei ist, passiert sowieso nichts! Mach's gut!« Sie schloss das Visier und gab etwas Gas. Die Harley schnurrte wie ein Arkani und rollte langsam vorwärts.

»Touko! Muss ich die Frage noch einmal stellen?! Wer ist denn nun dieser Riesenrad-Typ?«, rief ihre Mutter laut, als sich das Motorrad schon etwas weiter entfernt hatte.
Touko zögerte und stellte noch einmal ihr Bein ab.
»Ääh... Er heißt N!«, rief sie dann mit hochrotem Kopf und gab schnell Gas, damit sie sich die Schlussfolgerungen ihrer Mutter nicht mehr hören musste.

Später würde sie es vielleicht verstehen. Sehr viel später.

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