Terra musste sich zusammenreißen, um nicht an Schattenstern vorbei zu stürmen und sich auf Funkenstern zu stürzen. Der golden getigerte Kater stand mit erhobenem Kopf und verächtlich zuckenden Schnurrhaaren nur wenige Schwanzlängen von ihr entfernt. Sie musste ganz genau, dass er sie gesehen hatte und trotzdem fixierte er nur Schattenstern mit seinem stechenden Blick.
»So sieht man sich wieder«, miaute er und leckte sich über die Lippen.
»Wo ist meine Tochter?«, zischte die WindClan-Anführerin.
»Hier, bei meinem Clan. Keine Sorge. Es geht ihr gut.«
»Bei deinem Clan?«, konnte Terra sich nun doch nicht mehr zurückhalten. Ihr ganzes Fell war gesträubt und sie bleckte die Zähne. Du selbstsüchtiges Fuchsherz!
Funkenstern tat so, als würde er sie jetzt erst bemerken. Seine grünen Augen weiteten sich überrascht. »Du bist also immer noch im WindClan, meine Liebe? Ich habe gehört, dass du verbannt wurdest. Warum bist du da nicht zu mir gekommen? Schau nur, wie gut wir es haben. Ach«, er warf den Kopf wieder zu Schattenstern herum, »beinahe hätte ich es vergessen: Dein Sohn ist bei mir ebenfalls in guter Obhut. Ich passe auf ihn auf. Er ist ein sehr fleißiger und mutiger Zweiter Anführer.«
Terra merkte, dass sich nun auch Schattensterns Fell sträubte. »Dunkeljunges ist hier?«, presste die schwarze Kätzin hervor.
»Er heißt nun Dunkelherz. Wie ich bereits sagte, er ist ein sehr fl...«
Weiter kam Funkenstern nicht, denn Schattenstern warf sich mit einem wilden Fauchen auf ihn. Sie fuhr ihm mit den Krallen über die Schnauze, woraufhin der Kater verärgert zischte. Terra riss erschrocken die Augen auf. Sie selbst war kurz davor gewesen, sich auf ihn zu stürzen, aber sie hatte es aus einem bestimmten Grund nicht getan: Sie wusste, wie er kämpfte. Auch die WindClan-Krieger, die ihn damals beim Kampf gegen Luchsohr gesehen hatten, wussten das. Blitzschnell schossen Efeubein und Spritzklang vor und zerrten ihre Anführerin von Funkenstern weg. Der Kater mit dem steifen Bein stellte sich schützend vor Schattenstern, die mit wutverzerrtem Gesicht versuchte, sich aus Spritzklangs Griff zu befreien.
»Dass du so undiszipliniert bist, hätte ich erwarten müssen«, zischte Funkenstern und schüttelte sich, sodass ein paar kleinere Blutstropfen durch die Luft flogen. Der Kratzer auf seiner Schnauze würde eine schöne Narbe hinterlassen.
Das passt zu dir, dachte Terra grimmig. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, richtete er seinen Blick nun auf sie.
»Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet, meine Liebe.«
»Nenn mich nicht so!«, fuhr Terra ihn an.
»Im Gegensatz zu dir besitzt sie ein gewisses Maß an Ehre«, kam Hechtkralle ihr zu Hilfe.
Funkenstern musterte ihn langsam von oben bis unten als würde er ihn zum ersten Mal sehen. »Was ist so besonderes an dir?«, knurrte er. »Du bist weder übermäßig stark noch schlau. In einem Zweikampf würde ich dich mit zwei Pfotenschlägen besiegen.«
»Ist das eine Herausforderung?« Hechtkralle verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und zeigte drohend die Zähne.
»Nicht über alle Maßen intelligent. Wie ich gesagt habe«, spottete der golden getigerte Kater.
»Sei still!«, fauchte Terra ihn an und fuhr Hechtkralle beruhigend über die Schulter. Leise flüsterte sie: »Hör nicht auf ihn. Du weißt, dass ich dich liebe. Er versucht nur, dich zu provozieren.«
»Er wird uns nicht in Ruhe lassen, solange er lebt«, zischte der blaugraue Kater. »Ich muss dem ein Ende bereiten.«
»Du weißt nicht, wie er kämpft.« Ihre Stimme zitterte vor Sorge. »Er ist stärker als er aussieht. Er wird nicht zögern, dich zu töten.«
Hechtkralle rührte sich nicht, sondern starrte Funkenstern weiterhin wütend an. Erst, als Schattenstern das Wort an den golden getigerten Kater richtete, unterbrach er den Blickkontakt. Die Anführerin wirkte immer noch angespannt und aufgewühlt, hatte sich jetzt aber halbwegs unter Kontrolle. »Warum hast du Sprenkelpfote entführt?«
»Entführt? Nein, nein. Sie kam selber zu uns.« Er schnurrte belustigt. »Jetzt starr mich nicht so überrascht an. Selbst eine so junge Katze versteht, dass du deinen Clan nicht vernünftig anführen kannst. Sprenkelpfote hat Angst vor dir. Oder hat sie dir erzählt, dass sie überlegt, den Clan zu verlassen, um mit Fliegenpfote zusammen zu sein?«
Terra sah, wie Schattenstern zusammenzuckte als hätte ein heftiger Hieb sie erwischt. Ihre blauen Augen sahen Funkenstern ungläubig an.
Woher weiß er das? Nicht mal ich wusste, worüber Sprenkelpfote nachgedacht hat! An den Gesichtern der anderen Windclan-Katzen konnte Terra ablesen, dass auch sie absolut keine Ahnung hatten.
»Folgender Vorschlag«, durchbrach Funkenstern die Stille. »Du übergibst den Rang des Anführers mir und dafür gebe ich dir Sprenkelpfote zurück. Oder aber du bleibst weiterhin die Anführerin und lässt deine Tochter in meiner Obhut.« Seine grünen Augen funkelten listig. »Nun ergibt sich die Frage, was dir wichtiger ist: Deine Familie oder dein Clan? Ein wahrer Anführer stellt den Clan über seine Familie. Aber bist du eine wahre Anführerin?«
Terra hielt die Luft an. Wie auch alle anderen WindClan-Katzen. Ich hätte wissen müssen, dass Funkenstern sich so etwas ausdenkt. Tief in ihr zerbrach etwas, als Schattenstern den Blick senkte und einen Schritt vortrat.
»Lass meine Tochter frei«, flüsterte sie gerade so laut, dass der WindClan es hören konnte. »Mein Clan gehört dir.«
»Schattenstern! Nein!«, rief Blendfeuer.
»Du kannst uns nicht einfach diesem Verräter überlassen!« Efeubeins Nackenfell war gesträubt.
»Lass uns nicht alleine«, miaute Terra. Leise, viel zu leise. Ihr Herz fühlte sich an, als hätte jemand seine Krallen darin vergraben und würde versuchen, es herauszureißen.
»Es tut mir leid«, sagte Schattenstern, den Blick immer noch gesenkt. Der Schweif schleifte am Boden.
»Mutter!« Nebelpfotes Stimme war ein verzweifeltes Wimmern, aber die schwarze Kätzin sah ihn nicht an.
»Seht, was für eine schwache Anführerin sie ist!«, rief Funkenstern triumphierend. »Was für ein Glück, dass ihr nun einen so starken Anführer wie mich habt!«
»Du bist nicht unser Anführer«, zischte Kräuselsturm.
Der golden getigerte Kater fuhr zu dem WindClan-Krieger herum und bleckte drohend die Zähne. »Was hast du gesagt?«
Kräuselsturm legte wütend die Ohren an, wiederholte seine Worte aber nicht. Voller Schrecken musste Terra zusehen, wie immer mehr Katzen sich auf der kleinen Lichtung vor dem Zweibeinernest versammelten. Schattenstern wurde von zweien von ihnen weggeführt. Gehören sie alle zu seinem Clan? Hat er etwa vor, sie mitzunehmen? Sie gehören doch fast alle zum Stamm der tanzenden Knochen! Ist er verrückt?
»WindClan! Zeigt mir euer Lager! Ich werde euch dort eure neuen Clan-Gefährten vorstellen!«, verkündete Funkenstern. Als keiner sich rührte, bleckte er verärgert die Zähne. »Muss ich einen von euch töten, bevor ihr mir gehorcht? Nun geht schon!«
Blendfeuer war der erste, der sich in Bewegung setzte. Wahrscheinlich aus Sorge, dass seine Jungen womöglich bald keinen Vater mehr haben könnten. Der Rest des WindClans folgte schweigend. Terra knirschte mit den Zähnen, reihte sich dann aber ein. Sie war gerade ein paar Schritte gegangen, als Funkenstern zu ihr und Hechtkralle aufholte.
»Glaubt nicht, dass ihr mir so leicht davonkommt«, zischte Funkenstern ihnen zu.
»Glaub nicht, dass du den WindClan so einfach übernehmen kannst«, entgegnete Terra. »Im Lager erwarten dich drei ausgewachsene Wölfe. Mit denen wirst du nicht fertig.«
»So?« Seine grünen Augen funkelten belustigt. Mit einem Kopfnicken deutete er zu einer dunkelbraunen Kätzin, deren Fell mit unzähligen Narben bedeckt war. »Die Katze da hinten hat mir erzählt, dass der Stamm der tanzenden Knochen es einst geschafft hat, einen Wolf zu töten. Wir werden schon klarkommen.«
Terra spürte eine ungeheure Wut in sich aufsteigen. Sie hatte Milas Tod noch genau vor Augen. Moira hatte sie damals dazu gezwungen, alles mit anzusehen. Und Moira war nun hier. Ich habe mir geschworen, niemanden mehr zu töten, musste sie sich selbst an ihren Schwur erinnern. Gleichzeitig juckte es ihr in den Krallen, der narbigen Kätzin an die Kehle zu gehen. Und Funkenstern, der sich nun selbstbewusst zur Spitze des WindClans vorarbeitete. Ein muskulöser Schatten folgte ihm. Dunkeljunges, erkannte Terra. Nur älter und stärker.
.........................................................................................................................................................................
Es hat mir quasi das Herz gebrochen, dieses Kapitel zu schreiben und bei den folgenden Kapiteln wird es praktisch immer wieder geschehen... Es tut mir leid, Leute, dass das alles so traurig ist :( Wieder gibt es keine Katzen-Karte, weil keine neuen Figuren auftreten. Deshalb:
Lied zum Kapitel: Betrayal Music - Subversion of the Sovereign