Das blutige Spektakel, das in wenigen Sekunden stattfinden würde, passte nicht zu der fröhlichen Atmosphäre, die in der Luft lag.
Die Sonne stand an ihrem Zenit und flutete die Ränge, der aus Stein gebauten Arena, mit ihrem Licht.
Die Plätze waren komplett gefüllt und die Körper drängten sich dicht an einander. Nur an einem Punkt der Arena lichtete sich die Masse. Der kleine Balkon war etwas vorgelagert und auf ihm standen zwei Personen, die durch ihre prunkvollen Gewänder deutlich aus der restlichen Masse hervorstachen. Der junge Mann, dessen Haut aller Bräune entzogen war, trug einen schwarz - roten Anzug. Die Anzugsjacke war dabei so aufgeknöpft, dass jeder Blick auf die Kette an seinem Hals fiel. An ihr war ein goldener Ring befestigt. Eine Sonne mit sechs Strahlen war auf diesem eingraviert worden und kennzeichnete den Mann somit als Mitglied der königlichen Familie.
Seine Schwester, die neben ihm stand, präsentierte ihren Stand, indem sie ein tiefrotes Kleid trug, dessen Röcke sich ausladend auf dem Balkon verteilten.
Doch noch auffälliger war ihre rote Mähne, die in kleinen Locken über ihren durchgestreckten Rücken fiel.
Prinzessin Anastasia stand so aufrecht dar, dass kein Zweifel an ihrer königlichen Herkunft entstand.
So bildete sie das komplette Gegenteil zu ihrem Bruder Isaak, der sich locker auf die steinerne Brüstung des Balkons gelehnt hatte und die Arena zu seinen Füßen betrachtete.
Einer der vielen Verurteilten betrat gerade den staubigen Sand und zog somit die Aufmerksamkeit der anwesenden Vampire auf sich.
Der Mann war abgemagert und ein Mensch. Deshalb bezweifelte Anastasia, dass er sich lange auf den Beinen halten konnte. Außerdem konnte sie riechen, dass sowohl frisches, als auch getrocknetes Blut an seinem Körper klebte. Auch wenn dieser Geruch für einige Vampire verlockend wirken musste, verspürte sie keinerlei Verlangen danach von dem Mann zu kosten.
Viel lieber würde sie das Spektakel beenden und endlich zu ihrem älteren Bruder zurückkehren. Dieser steckte nämlich im Moment in wichtigen Verhandlungen, die ihren im Koma liegenden Vater betrafen. Anastasia hätte Alex bestimmt unterstützen können, doch diese Chance hatte er ihr nicht gewehrt. Stattdessen sollte sie sich zusammen mit Isaak das Spektakel in der Arena ansehen.
Das Einzige, was sie etwas beruhigte war, dass die Verhandlungen in ihrem Land stattfanden und somit kein anderes Wesen es wagen würde einen Streit anzuzetteln.
„Worüber grübelst du schon wieder, Schwesterchen?", riss Isaaks Stimme sie aus ihren Gedanken und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ihren Bruder, der sich jetzt entspannt mit dem Rücken gegen das Geländer gelehnt hatte.
Ein leichtes Seufzen verließ ihren Mund und sie meinte:„ Alex hat uns hier her geschickt, während er alles alleine machen muss. Wofür hat er denn eine Familie, wenn wir nicht da sind und ihn unterstützen können?"
Isaaks Stirn legte sich in Falten und man merkte deutlich, dass er sorgfältig über Anastasias Worte nachdachte.
Erst nach einigen Sekunden antwortete er mit einem kecken Grinsen im Gesicht:„ Ich persönlich habe kein Interesse daran, mich mit alten Hexenmeistern und dreckigen Wölfen auseinander zu setzen."
„Isaak, bleib doch bitte ernst."
„In Ordnung, Schwesterchen. Wie wäre es wenn wir Beide", Isaak zwinkerte ihr verschwörerisch zu, „uns einfach schon mal auf den Weg machen und ein wenig früher Alex besuchen."
Anastasia sah ihn empört an und fing geschickt eine ihrer Locken ein, um diese lang zu ziehen. Dann flüsterte sie ihm leise zu:„ Alex würde uns umbringen."
„Ich bitte dich. Wir sind Vampire. Wir waren schon tot bevor wir geboren worden."
Anastasia hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch und doch hatte ihr kleiner Bruder es geschafft sie zum Gehen zu überreden. Innerlich hoffte sie, dass die Verhandlungen früher zu Ende waren und sie niemanden mehr antreffen würden. Unvorstellbar was passieren würde, wenn der Prinz und die Prinzessin der Vampire in streng geheime Verhandlungen platzen würden.
Da war es ihr doch lieber noch mehr der sogenannten Freikämpfe beizuwohnen.
Die Straßen, die zum Palast führten, waren wie leergefegt. Man merkte, dass ihr Land Staatsbesuch empfing. Keiner wollte den anderen Wesen über den Weg laufen. Immerhin wusste jeder Vampir, dass die Werwölfe unzivilisiert waren und sich wie Wilde verhalten würden.
Nur auf dem Marktplatz liefen ein paar Vampire umher. Sie standen an ihren Ständen und boten die unterschiedlichsten Dinge an. Unter ihnen waren auch einige Hexen, die die Erlaubnis hatten sich in Connacht aufzuhalten. Sie waren es, die die wertvollste Ware anboten: Elixiere und Sonnenamulette.
Sofort griff Anastasia nach ihrem eigenen Amulett, das an ihrem Hals hing. Es war der einzige Gegenstand, der sie davor bewahrte in der Sonne zu verbrennen. Jeder Vampir, der es sich leisten konnte besaß eins und entging so der stetigen Gefahr einen unehrenhaften Tod zu sterben.
„Da schau mal.", Isaak deutete auf eine Person, die auf dem leeren Platz stand und scheinbar ziellos in die Gegend schaute.
Anastasias verwirrter Gesichtsausdruck und die beim Denken kraus gezogene Nase, zeigte deutlich ihre Ahnungslosigkeit. Also erklärte Isaak ihr mit schneller Stimme:„ Das ist General Bous. Er ist hoch angesehen beim Militär und war wohl schon öfter in unseren Militärstädten."
„Und wen interessieren unsere Militärstädte? Dort werden doch nur unsere Soldaten ausgebildet.", Anastasia zuckte mit ihren Schultern und wandte sich zum Gehen. Doch Isaak griff übermenschlich schnell nach ihrem Arm und schaute sie mit seinen großen blauen Augen an.
Ihr Bruder wusste genau, dass sie seinem bittenden Blick nicht wiederstehen konnte, weshalb Anastasia genervt fragte:„ Wieso möchtest du zu General Bous? Er wird sich fragen, was wir hier tun. Immerhin sind die Verhandlungen in vollem Gange und..."
„Er war lange Zeit in den Militärstädten stationiert. Vielleicht weiß er was dort vor sich geht.", ohne auf weiteren Protest ihrerseits zu warten, zog Isaak sie zu dem Vampir.
Der Mann trug eines Generals würdige Kleidung, die aus einem langen Frack und einer engen Hose bestand. Natürlich war alles in den königlichen rot - schwarzen Farben gehalten.
Als er die Geschwister bemerkte, drehte er sich zu ihnen um und deutete eine kurze Verbeugung an. Dabei begann er breit zu grinsen und wäre er menschlich, hätte er bestimmt kleine Lachfalten bekommen.
Höflich erwiderte Anastasia das Lächeln und deutete ein leichtes Nicken an. Dabei fielen ihr ihre Haare ins Gesicht und verlegen strich sie die widerspenstigen Locken aus der Stirn.
Als sie einen Blick zur Seite riskierte, bemerkte sie schnell, dass die Geschwister und der General keine Unbekannten für das Volk waren. Sowohl die Hexen als auch Vampire hielten Abstand zu den dreien. Lediglich ein paar Mutige wagten es einen Blick auf sie zu werfen, der aber nur wenige Sekunden auf ihnen ruhte.
Auch Isaak hatte den General inzwischen begrüßt und dabei sein charmantestes Lächeln aufgesetzt. Doch das war keineswegs Höflichkeit oder gar Freundlichkeit. Anastasia wusste genau, dass Isaak etwas von dem General wollte.
Sie sah es an seiner übertrieben förmlichen Haltung, die auch sie selbst einnahm. Doch für ihren Bruder war das sehr untypisch. Ihr war klar, dass dieser einen guten ersten Eindruck machen wollte.
„Ach Isaak, lassen wir die vorgeschobene Höflichkeit. Wie geht es dir, mein Junge?"
Soviel zum ersten Eindruck, dachte sich Anastasia und musterte den Vampir noch einmal genauer.
Sein Alter einzuschätzen war unmöglich. Doch rein äußerlich schien er sich dazu entschieden zu haben mit 30 Jahren mit dem Altern aufzuhören. Besonders markant stießen seine fast weißen Haare hervor, die ihm verwegen im Gesicht hingen.
Lediglich die Schokoladenaugen stachen aus dem blassen Gesamtbild hervor.
Bevor Anastasia ihn weiter mustern konnte, antwortete ihr Bruder:„ Die Narben sind gut verheilt Bous. Ich hoffe deine Gefangenen können das auch behaupten."
„Hast du immer noch diese lästigen Hirngespinste?"
Der General und Isaak starrten sich an und Beide schienen bereit dem Anderen einen Pflock ins Herz zu rammen.
Anastasia, die nicht wusste, über was die Beiden sprachen, legte ihrem Bruder eine Hand auf die Schulter. Dieser schaute nur kurz zu ihr und sie sah deutlich, dass seine Augen anfingen rot zu leuchten.
Der freundliche Isaak war dem erbostem Prinzen gewichen und auch der General schien das zu merken.
Dieser senkte seinem Blick und murmelte:„ Entschuldigt meinen Ausdruck, Prinz Isaak. Ich war wohl nicht ganz bei Sinnen."
„Ich bitte ebenfalls um Verzeihung für meinen Bruder. Der Staatsbesuch nimmt uns doch alle ziemlich mit.", versuchte Anastasia Bous' zu beschwichtigen, doch dieser nickte ihr nur noch einmal kurz zu und rauschte dann davon.
Sobald er weg war flüsterte sie angespannt:„ Bist du jetzt komplett verrückt geworden? Was fällt dir ein einen General unseres Landes zu beleidigen?"
Isaak schüttelte Anastasias Hand ab und seine Augen schienen sie durchbohren zu wollen. Wäre sie nicht seine Schwester, hätte sie bei diesem Blick wahrscheinlich Angst bekommen, doch sie hielt stark dagegen und schimpfte weiter:„ Stell dir vor was wäre, wenn er das Alex erzählt. So ein Verhalten würde er nicht tolerieren, auch wenn du sein Bruder bist."
„Es geht nicht um Alex oder dich, Schwesterchen. Es geht darum, dass in den Militärstädten illegale Versuche durchgeführt werden. Das müssen wir stoppen, bevor es noch schlimmer wird."
Anastasia sah ihren Bruder an, als wäre er verrückt geworden. Auch wenn sie ihren Bruder sehr liebte, konnte sie ihm nicht glauben. Und das lag an der schlichten Tatsache, dass ihr Bruder, der König, dieses Land leitete und formte. Sie war sich sicher, dass er niemals etwas tun würde, dass jemandem schadet, der es nicht verdiente.
Dies sagte sie auch Isaak, dessen Augen daraufhin wieder rot blitzten. Doch sie sah noch etwas anderes in seinem Blick.
So gut wie sie sich selbst kannte, so gut kannte sie auch Isaak und die Unsicherheit, die er unter seinem Ärger zu verstecken versuchte.
Vorsichtig griff sie nach seiner Hand und drückte sie fest. Isaak, der sie bestimmt einen halben Kopf überragte, sah zu ihr runter und lächelte sie gequält an. Jeder, der Isaak kannte, wusste, dass er seiner Schwester nie lange böse sein konnte.
„Ich habe einfach Sorge, dass es so wie damals im Krieg wird. Unser Land soll nicht nur durch Folter und Schmerz bestimmt werden. Viel lieber sollten wir endlich ein Land mit Stärke werden, das sich nicht um derartig niederträchtige Geheimnisse sorgen muss. Und Vampire, die sich als ehrenhaft ausgeben, so wie es der General macht - Die gehören aufgespießt in die Arena.", Isaak hatte sich zum Schluss in Rage geredet und wurde immer lauter. Dabei glühten seine Augen wieder und selbst seine Reißzähne waren ein bisschen ausgefahren.
Schnell legte Anastasia einen Finger auf ihre Lippen und nickte danach zögerlich.
Sie war nicht überzeugt von dem was Isaak glaubte, aber sie wollte ihrem Bruder trotzdem zeigen, dass sie ihn bei seinen Nachforschungen unterstützen wollte.
Also meinte sie mit ruhiger und vor allem leiser Stimme:„ Ich möchte auch, dass wir endlich wieder friedlich miteinander leben. Aber es bringt nichts, wenn du deinen guten Ruf durch solche kindischen Streitigkeiten gefährdest. Wir müssen mit Bedacht vorgehen."
„Wir?", Isaaks Mundwinkel schnellten nach oben und sein typisches schiefes Grinsen schmückte wieder sein Gesicht. Seinen rechten Arm legte er um die Schultern seiner Schwester und die Beiden begannen wieder zum Palast zu schlendern.
„Wofür sind Schwestern denn sonst da?"
Auch Anastasia lächelte sanft ihren Bruder an. Dabei konnte sie einen gewissen Stolz, der in ihren Augen funkelte, nicht verbergen. Man sah deutlich die Liebe, die sie ihrem Bruder entgegenbrachte.
Dieser sah jedoch nach vorne auf den Palast, der sich vor den Geschwistern aufbaute.
Es war ein riesiges Gebäude, das aus dunkelroten Klinkersteinen gefertigt war. Gesäumt wurde die Mauer, die Anastasia bis zu den Schultern ging, von grünen Büschen. Einige hatten rote Blüten bekommen, die sich weit geöffnet hatten.
Für Anastasia sah es so aus, als würden sich die Pflanzen der Sonne entgegen strecken und jeden Strahl tief in sich aufnehmen.
Zu gern hätte sie selbst diese Fähigkeit, doch stattdessen spürte sie die Wärme, die die anderen Wesen zum Schwitzen bringen musste, nicht.
Nur ein Blick auf die Hexen, denen der Schweiß auf derStirn stand und dessen Geruch die Luft teilweise erfüllte, verriet ihrüberhaupt, dass Hochsommer war.
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Hallo ihr Lieben!
Ich bin Celia, die Autorin dieser Geschichte, und sehr gespannt wie sie euch gefällt. Ich hoffe natürlich, dass ich euch in weiteren Kapitel treffe. Wenn euch die Geschichte gefällt oder ihr Anmerkungen habt, könnt ihr diese sehr gerne in Form von Votes oder Kommentaren da lassen. Ich würde mich sehr darüber freuen ;)