Kapitel 32

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„Und was machen wir jetzt?“, fragt Luke, wir starren an die Decke und liegen auf seinem Bett. Er, weil die Decke interessant ist und ich, weil ich ihn nicht ansehen kann. Mein Finger tippt auf seiner Matratze herum, ich blase die Backen auf und lasse die Luft langsam entweichen.

„Keine Ahnung, sollen wir an den Strand gehen? Das Wetter ist heute eigentlich viel zu schön, um im Haus zu bleiben“, schlage ich vor. Ich habe die letzten Jahre zu viel in dunklen Räumen verbracht, generell in Räumen verbracht.

„Klar, können wir machen. Weit ist es ja nicht“, erwidert er und ich muss lachen.

„Ich sage aber noch schnell Grace Bescheid, das letzte Mal hat sie gemeint, ich soll einen Zettel hinterlassen, aber das kommt mir irgendwie blöd vor, wenn sie im Haus eine Etage tiefer ist.“

Er nickt. „Klar“, sagt er nochmal und ich setze mich auf und gehe zu Lukes Balkon, um über unsere Leiter in mein Zimmer zu gelangen. Wir haben beschlossen, die Leiter über das Wochenende immer da zu lassen. Mulmig ist mir dennoch jedes Mal, wenn ich über sie krabble und zwischen den Sprossen sehen kann, wie tief es herunter geht. Als ich an das Metall greife und auf das Geländer klettere, höre ich Luke hinter mir und drehe mich noch einmal um.

„Falls ich die Mücke finde, töte ich sie für dich“, neckt er mich. Beschämt drehe ich meinen Kopf von ihm weg und richte ihn auf meinen Balkon, beginne hinüber zu klettern, ohne mich noch einmal umzudrehen.

„Achja, wir treffen uns unten bei eurem Gartentor, okay?“, ruft er mir hinterher und ich nicke nur, hoffe er hat es gesehen, wobei es mir gerade auch ziemlich egal wäre und verschwinde in mein Zimmer, atme tief ein. Dann verlasse ich es, gehe die Treppe hinunter und finde Grace in der Küche.

„Hallo, Grace“, begrüße ich sie lächelnd und greife nach einem Glas, schenke mir Wasser ein. Ich will nicht gleich wieder gehen, das finde ich unhöflich.

„Hallo, Kanela. Wie geht es dir? Ich habe gehört, dass Luke gestern eine Party gemacht hat. Hat es Spaß gemacht?“ Ich trinke einen Schluck Wasser, frage mich, wie man als Mutter nur so locker sein kann, dass man sich für eine Party interessiert, auf der die Gasttochter war und sonst was hätte machen können. „Sie war echt toll. Jane, Sam und ich haben viel getanzt“, erwidere ich.

Und ich bin mit Luke zum Mond gefahren.

Sie lächelt mich warm an und nickt begeistert. Ich wusste nicht, dass man warm lächeln kann, doch ihr Lächeln erreicht ihre Augen und es strahlt eine Wärme aus, die mich auf zwei Meter noch erreichen kann.

„Ist es in Ordnung, wenn ich mit Luke noch an den Strand gehe?“, frage ich dann und stelle mein leeres Glas in die Spülmaschine.

„Natürlich, aber bitte sei heute Abend zum Abendessen zu Hause.“ Ich nicke. „Gut, dann bis später“, verabschiede ich mich und bin auf dem Weg zur Terassentür, als sie mich wieder stoppt. „Kanela?“

Ich drehe mich zu ihr und sehe sie abwartend an. „Ist da irgendetwas zwischen euch?“

Perplex sehe ich sie an, lecke über meine Lippen, die auf einmal zu trocken erscheinen. „Zwischen wem?“, frage ich, obwohl ich weiß, wen sie meint. Meine Stimme hört sich gepresst an. Wäre sie sauer, wenn ja? Würde sie mir den Kontakt verbieten? Würde sie mich in einem anderen Zimmer unterbringen lassen? Ist da irgendetwas zwischen uns?

„Na, zwischen dir und Luke“, meint sie lachend. Sie klingt überhaupt nicht sauer. Ich weiß nicht, was ich ihr antworten soll. „Keine Ahnung“, sage ich also und verschwinde schnell nach draußen, gehe über die Wiese bis zum Gartentor. Luke ist schon da.

„Wieso hast du so lange gebraucht?“, fragt er, während ich, noch immer verwirrt, das Gartentor öffne. „Ich hab noch kurz mit Grace gesprochen. Zum Abendessen muss ich wieder zurück sein.“ Er nickt und dann gehen wir die wenigen Meter bis zum Strand, ziehen unsere Schuhe aus, nehmen sie in die Hand und laufen durch den Sand.

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