happy girls don't see ghosts

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Ganze Tage zogen regelrecht an mir vorbei.
Seit jenem Abend hatte ich nichts mehr von Toga gehört, nur in den Nachrichten.
Ich hatte den Mord nie gemeldet und trotzdem war sie mittlerweile eine Verdächtige.
Doch niemand wusste, wo sie war.

»Ich weiß, dass es sicher immer noch ein großer Schock ist aber wir müssen weitermachen. Falls ihr irgendwelche Hinweise habt, dann geht bitte zur Polizei.«
Die Augen meiner Lehrerin schienen nur auf mir zu liegen.

Ha, selbst wenn ich etwas wüsste, würde ich nichts sagen.

»Ähm entschuldigen Sie? Ist es wahr das Toga auch Miyu u-umgebracht hat?« schluchzte eine meiner ehemaligen Freunde.
Miyu war die Tote. Die, die versucht hatte Himiko und mich zu mobben.

»Davon wird ausgegangen.« seufzte die Lehrerin, was für geschocktes Luft schnappen sorgte.

Innerlich verdrehte ich die Augen, äußerlich schloss ich sie einfach und blendete das Geheule aus.
Wirklich faszinierend, dass selbst schlechte Menschen betrauert wurden.
"Sie war ja so ein gutes und tolles Mädchen" .. ja und eine gottverdammte Bitch.

Mein Kopf wanderte in meine Armbeuge, während ich mich anstrengte, nicht einzuschlafen.

»Ey du Psycho!«
Müde hob ich meinen Kopf an, nur um in die hässlichen Fratzen meiner Klassenkameraden sehen zu müssen.
»Was ist?« murmelte ich und blickte zur Uhr.

Oh, wir hatten Schluss.
Hatte ich wirklich zwei Stunden Mathe verpennt? War das niemanden aufgefallen?
So ein Klischee ist ja selbst mir noch nie passiert.

»Wo ist deine Psychofreundin? Du weißt es doch sicher, oder? Spucks aus!« schrie eines der Mädchen hysterisch.
Ich glaube, sie war mit Miyu befreundet, aber was weiß ich.

»Keine Ahnung.«
»Wie "keine Ahnung"? Stell dich nicht dumm.«
motze ein anderer Typ.
»Es juckt mich nicht.« antwortete ich einfach trocken, hoffte sie würden einfach gehen.
»Sollte es aber! Unsere Miyu ist durch deine irre Freundin gestorben! Ich wette, du bist genauso krank.«

»Genau, passt also lieber auf, dass euch diese Kranke nicht umlegt.« murrte ich und stand auf.
»Vor dir haben wir keine Angst, du hast ja nicht mal eine Macke.« sagte eine Andere eingebildet, was nicht wirklich Sinn machte.

Ich war genau wie jeder hier auf einer normalen Schule. Wo entweder Leute hingegen, die gar keine Macke besaßen oder welche, die einfach keine Helden werden wollen oder können.
Bei mir war es zweites.

»Ach ja?« ich grinste.
Dass ist keinen Heldenkomplex hatte, hieß nicht dass ich keine Lust auf Spielchen hatte.

»Wir wollen kein Streit. Sag bitte einfach wo du Toga versteckst.« flüsterte ein Mädchen regelrecht. Ich kannte nicht einmal ihren Namen was aber daran lag, dass sie noch relativ frisch in dieser Klasse war..glaube ich.
Irgendwas mit B, nehme ich an.
»Schau doch in meinem Rucksack nach.« grinste ich, woraufhin wirklich jemand einen verstohlenen Blick zu meiner Tasche warf, was mich leicht schmunzeln ließ.

Tausend Ideen spuckten in meinem Kopf herum aber im Endeffekt entschied ich mich für die stress-freiste.
Denn genauso schnell wie meine Motivation kam, schwand sie auch wieder.
»Ehrlich kein Plan wo sie ist. Hoffentlich wissen wir bald mehr.« ich lächelte zuckersüß und drängte mich an der gaffenden Menge vorbei.

So viel hatten sie im ganzen letzen Jahr nicht mit mir geredet.
So viel hatten ich in den vergangenen Tagen nicht gesagt.

Ich flitzte die Treppen nach unten, krallte mir das einzige rote Fahrrad und trat so fest ich konnte in die halb verrosteten Pedalen.

Vor dem Haus mit dem Moosbett und der hübschen Blondine auf der Schaukel hielt ich an.

Sie war immer da.
Jeden Tag, jede Nacht.
Das hatte ich ihr gesagt und sie hielt sich daran. Zumindest solange wie ich sie nicht in meine Gedanken ließ. Wenn ich es doch tat dann konnte ich ihren Atem in meinem Nacken spüren und wie sie mir leise Dinge zuflüsterte.
Keine bösen Sachen - nur traurige.
Was ich erstaunlich fand war, dass eine so leise und zarte Stimme wie ihre es schaffte, selbst meine lauteste Musik zu übertönen.

»Antwortest du mir heute?« fragte sie als ich den Holzzaun hinter mir schloss und den Garten betrat.
»Du siehst nicht gut aus, alles okay?« ihre Stimme, so zart wie ein Glockenspiel, klingelte in meinen kalten Ohren.

»Lass uns reden. Es tut mir leid und ich vermisse dich. Bitte..« jetzt klang die Stimme flehend.
Doch auch heute sagte ich nichts.

Spürte nur ihre blauen und matten Augen auf mir als ich an ihr vorbeilief und das Haus betrat.

Schon beim Hereinkommen wehte mir eine warme Duftwolke entgegen, nahm mir kurz den Atem.
Mama hatte gekocht. Es roch nach Eintopf. Bohneneintopf mit warmen, selbst-gemachtem Brot.

»Hallo, Schatz. Wie war Schule?«
Meine Mutter stand in der Küche, kratze gerade Petersilie vom Brett in das köchelnde Gebräu.
»Wie immer. Warum kochst du?«

»Na hör mal, was ist das denn für eine Begrüßung? Ich dachte, wir können zusammen essen.«

»Achso.« ..weil wir ja auch so oft zusammen essen. Und weil das ja auch nicht immer in peinlichem Schweigen endet, weil wir uns einfach nichts zu erzählen haben.

»Stellst du schon mal die Teller hin?«
Ich nickte, nahm das weiße Geschirr und deckte den Tisch.

Zehn Minuten später war sie fertig.
Wir saßen uns gegenüber, keiner sagte etwas.
Missmutig knabberte ich an dem leckeren Brot während ich den silbernen Löffel in der Suppe versengte, die Gemüsefäden heraus fischte und mit meiner Zunge vom Löffel leckte.

»Ist alles okay mit dir? Wegen Toga, meine ich. Ich hab die Nachrichten gesehen. Sie war schließlich deine beste Freundin..«
*Ist. Wegen so etwas banalem würde ich nie jemanden die Freundschaft kündigen, der mir wirklich etwas bedeutet.

»Ja, alles bestens.«
Mama konnte wirklich keine Probleme gebrauchen. Es war besser einfach zu lächeln und nichts zu sagen. Sie wollte sicher keine kranke Tochter. Wer will das schon?
Oder besser gesagt: noch eine Kranke.
Wenn ich ihr dir Wahrheit sage, kann ich auch gleich damit anfangen, dass ich Geister sehe.

Und gesunde, glückliche Mädchen sehen keine Toten.

»Das freut mich.« sie lächelte und füllte den silbernen Löffel mit Suppe.
Ich tat es ihr gleich.

Die warme, gewürzte Flüssigkeit kroch mir die Kehle hinab, wärmte meinen Bauch.

Die zwei anderen Stühle am Tisch ignorierten wir wie immer und sagten auch ansonsten nichts.
Worüber soll man denn auch reden?
Wären wir beide ehrlich, würde das in einem Meer aus Tränen enden.


Der Rest des Tages verlief ereignislos und ich ging früh schlafen.

Als mich mitten in der Nacht das Geräusch von Klopfen gegen mein Fenster weckte, dachte ich: Das war's.

Wie versteinert blieb ich liegen, traute mich nicht einmal nach draußen zu sehen.

»Ich bin's! Mach auf!« quiekte eine mir nur allzu bekannte Stimme.
»Es ist kalt hier draußen!«

Was machte Toga hier?!

Don't Save Me | Dabi x Reader Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt