Kapitel XXXVI

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Mit einem Rumpeln hielt der Wagen. Fußstapfen folgten, der Fassdeckel wurde beiseitegeschoben und weißes Licht füllte die Schwärze. Ich kniff die Augen zusammen.

„Soren, bist du es unter der Dreckschicht?", fragte eine Männerstimme und half mir beim Rausklettern. Er musste in die Knie gehen, um mit mir auf Augenhöhe zu sein.

Ich krächzte zustimmend. Wenn er meinen Namen kannte und unsere Kutsche gefunden hatte, gehörte er vermutlich zu Killith und Miriam.

„Du erweckst einen reichlich erschöpften Eindruck", merkte er an. „Verlief alles nach Plan?"

Mir hatte niemand den Plan erzählt, sollte es einen geben. Ich zuckte mit den Schultern, stolperte raus ins Helle und er ging voran. Vor dem Hintergrund einer trostlosen Dünenlandschaft klärten sich die Umrisse eines Mannes. Obwohl Sand und Asche seine Kleidung verdreckten, stand er straff und stolz da, fast wie beim Militär. Im Gegensatz zu seiner steifen Haltung strahlte sein Lächeln so hell wie die Goldknöpfe seines Hemdes, das zu edel wirkte für diesen Ort. Nur sein Haar passte nicht zum Rest. So kahlrasiert trugen es häufig die Arbeiter in Tallaj, um Flöhe und Läuse abzuhalten. Es war eine ärmliche Frisur und arm schien er nicht.

„So schweigsam heute?" Er schmunzelte und reichte mir ein lilienweißes Taschentuch. Seine Hände steckten in Handschuhen.

Ich nahm es und sog scharf die Luft ein. In den Stoff des Taschentuchs waren zwei Buchstaben gestickt. Ein E und ein F.

„Was beunruhigt dich, werter Soren?", fragte der Mann scheinheilig.

E und F. Dieselben Initialen standen auf dem Brief, den ich gefunden hatte neben dem schwarzen Anzug. Er musste dem Einbrecher gehört haben und wenn es alles kein Zufall war dann ... Mir wurde schwindelig vor Wut und ich knautschte das Taschentuch in der Hand zusammen. Der nächste Mann, der hinter dem Kristallauge her war.

Sein Mund formte ein überraschtes O, aber bevor er etwas sagen konnte, stürzte ich auf ihn mit einem verzerrten Schrei. Wir prallten im Sand auf. Ich hämmerte auf seine Brust ein, holte aus für einen Haken, doch er hob die Hand im letzten Moment. Schmerz sprengte meine Faust, als hätte ich gegen Stein geschlagen. Jaulend kippte ich hinten über.

Mit einem Keuchen rappelte sich der Mann auf und klopfte sich den Sand von den Schultern. „Du siehst erbost aus. Kann ich dir behilflich sein?"

Ich stieß ein fauchendes Geräusch aus. Er war genauso schlimm wie Argons Leute. Wegen eines dummen Irrtums wollten sie mich alle nur benutzen für ihre Zwecke. Diese falsche Nettigkeit hätte ich ihm am liebsten vom Gesicht gekratzt.

Ich holte wieder zum Angriff aus, aber dieses Mal war er vorbereitet und blockte den Schlag gekonnt ab. „Genug!", rief er, fast schon gelangweilt. Im nächsten Wimpernschlag lag ich am Boden und ein Arm klemmte mir den Atemweg ab. Röchelnd schlug ich um mich.

„Mit Verlaub, du bist eingerostet, Geisterjunge", schnaufte er.

Je mehr ich strampelte, desto enger schloss sich der Griff. Es half nichts. Schlaff fiel ich in mich zusammen, die Kraft bei der Reise verbraucht und meine Hoffnung bereits begraben. Tränen stiegen mir in die Augen, als ich begriff, dass ich niemals wieder frei sein würde.

„Was ist bloß los mit dir?", fragte er ehrlich entsetzt.

Mit mir? Ein hysterisches Lachen wallte in meinen Lungen auf und mündete in einem hellen Japsen. Der Arm verschwand und ich fiel auf die Knie, prustend und nach Luft schnappend. Der Mann sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren.

Ich bin nicht verrückt. Ihr seid verrückt. Leute foltern wegen eines Steines, das ist krank. Meine Hände schlugen aufeinander und mir war es egal, ob er verstand oder nicht.

KristalldiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt