2 | 31. Der Artikel

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Gleiches Spiel wie im Kapitel davor. Die Trigger sind in *** gesetzt. Ich hab mir Mühe gegeben, das Kapitel so zu schreiben, dass man es ohne den in Sternchen gesetzten Teil verstehen kann.

Ich schreibe darüber, weil ich das Thema einfach nicht totschweigen will. Ich hab mich dazu entschieden, es einzubauen, also werde ich auch darüber schreiben. Ich habe manchmal einfach das Gefühl, dass es Frauen "verboten" wird, darüber zu sprechen. Dass das Thema als so schlimm empfunden wird, dass lieber geschwiegen wird. Deswegen mache ich das nicht. 



Annas POV

Leer. Das einzige Wort, dass auch ansatzweise meinen Gefühlen gerecht werden könnte. Der Überforderung im Krankenhaus aufzuwachen, war die Erkenntnis gewichen, dass mein Körper vor den Medikamenten kapituliert hatte - der Moment war abzuwarten gewesen, dennoch hatte er mich überrascht. Doch nichts kam gegen das Gefühl an, das sich in meinem Körper ausgebreitet hatte, als ich die Nachricht bekommen hatte.


***

Ein Teil von mir hatte die Schwangerschaft geahnt. Unterbewusst war da die kleine Stimme gewesen, die Signale meines Körpers, die versucht hatten, zu mir durchzudringen. Ich hatte es ignoriert wie die anderen Warnungen, dass ich nicht mehr konnte. Angetrieben von blindem Ehrgeiz und dem krankhaften Streben nach juristischer Perfektion war ich in ein Muster verfallen, dass mir bereits zum dritten Mal zum Verhängnis werden sollte: Verdrängung.

Warum hätte ich schwanger sein sollen? Ich nahm die Pille. Dass ich schon als Teenagerin gelernt hatte, dass Antibiotikum deren Wirkung außer Kraft setzt, war mir wohl entfallen.

Die fast gänzlich ausgefallene Periode, die Übelkeit, die Rückenschmerzen? Durchaus auch ein Zeichen von Ritalinmissbrauch insbesondere in der Kombination mit Schlaftabletten - aber eben auch eins für eine Schwangerschaft.

Lisa war ganz still gewesen als sie neben mir zur Gynäkologie gegangen war. Ihr Blick war immer wieder auf meine Hand gefallen, die ich nervös in meinem Schoß knetete. Panik war in mir aufgestiegen als ich das Puzzle in meinem Kopf zusammensetzte. Was hatte ich getan. Was hatte ich nicht nur meinem Körper, sondern viel schlimmer, dem Wesen in meinem Körper angetan?

Die Nachricht, dass ich das Schlimmstmögliche getan hatte, hatte mir alle Sinne geraubt. Mit geschlossenen Augen hatte ich da gesessen, während der Arzt mich über das weitere Vorgehen aufklärte, mir von einer Ausschabung wegen der Risiken der Vollnarkose abriet. Lisa hatte die Fragen für mich gestellt, während ich weder sprach noch eine andere Reaktion zeigte. Keine Reaktion schien mir angemessen. Auch jetzt noch nicht.

Erst auf meinem Zimmer war ich zusammen gebrochen, hatte die einzige Person angerufen, der ich mich gerade anvertrauen konnte. Meine Mutter hatte schon immer die Gabe gehabt, zuzuhören und nicht zu verurteilen - egal, was man ihr beichtete.

Ich hatte den Gedanken nicht ertragen, Raphael unter die Augen zu treten. Es war sein größter Wunsch, eine Familie zu gründen. Und die Chance, das jetzt zu realisieren, hatte ich ihm genommen. Weil ich Medikamente missbraucht hatte. Es war meine Schuld und meine alleine. Und das musste ich mit mir selbst ausmachen. Mit mir alleine, denn die Schuldgefühle konnte ich keinem anderen aufbürden.

Auch was am Abend zuvor passiert war, kam mir im Vergleich zu dem, was ich gerade erfahren hatte, relativ vor. Alles, was ich hatte fühlen können, war Verlust, Wut und Verzweiflung. Und das Bedürfnis, für mich alleine herauszufinden, wie ich damit umgehen wollte.

Aus dem Krankenhaus wurde ich schließlich mit einer Packung Maxibinden entlassen. Mein Körper würde das verbleibende Gewebe abstoßen. Alleine bei dem Gedanken war es mir hoch gekommen und so hatte ich mich ins Bett verzogen, meine Höhle kreiert. Ich wusste, dass Raphael hier war, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich seine Sorge verdient hatte.

BESSER SAG NIX - SAG MIR ALLES | RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt