Kapitel 60

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„Kol", flüsterte ich erleichtert und rannte sogleich in die Arme meines Onkels, wo ich mich erschöpft fallen ließ. „Hast du mich so sehr vermisst?", wollte er lachend wissen, als er das Zittern in meinem Körper bemerkte. Sofort lockerte er seinen Griff und packte mich an der Schulter, um mir ins Gesicht zu sehen. Ich hielt meinen Blick gesenkt und konnte die Tränen, die mir über die Wange liefen, nicht verstecken. Erkenntnis breitete sich in Kols Augen aus, ehe er mich erneut in seine Arme zog, mir diesmal aber tröstend über den Rücken strich und seine Atmung verlangsamte. „Ich bin da. Es wird alles gut. Das verspreche ich dir, Thalia", betonte er mit leiser, aber eindringlicher Stimme und forderte dann, dass ich mich seiner Atmung anpasste, um mich zu beruhigen.

Ich hatte nicht bemerkt, wie Liam und seine Mutter den Flur verlassen hatten. Als ich mich nach wenigen Minuten von meinem Onkel löste, waren wir alleine. „Wie geht es allen? Wie geht es Dad?", wollte ich sogleich wissen, nachdem ich mich beruhigt hatte. Doch Kol gab mir nicht sofort eine Antwort, sondern offenbarte mir, dass wir die nächsten Tage im alten Haus von Dad und mir wohnen würden. Auch wenn ich gerne sofort eine Antwort gehabt hätte, folgte ich meinem Onkel zu Liam und Eve, denen er die Situation erklärte. Schließlich half ich ihm, meine Sachen von oben zu holen.

Den kurzen Weg zum Haus liefen wir schweigend nebeneinander her. Ich spürte, dass Kol nicht wusste, wie er mir meine Frage beantworten sollte. „Wir setzen uns am besten ins Wohnzimmer. Soll ich etwas zu trinken holen?", versuchte er, der Situation erneut zu entkommen, als wir das Haus betraten. Doch ich schüttelte den Kopf. „Bitte Kol, erzähl mir, was Zuhause los ist. Ich weiß, du willst mich schützen, aber bitte sei ehrlich mit mir", flehte ich, wobei ich dem kritischen Blick meines Onkels standhalten musste. Natürlich hatte ich Angst vor dem, was er mir erzählen würde, doch musste ich wissen, wie schlimm es um Dad wirklich stand.

„Als ich vor zwei Tagen aufgebrochen bin, gab es noch keine genaueren Spuren von Mikael, aber Klaus wollte, dass ich zu dir komme, um dich zu beschützen. Wir glauben zwar nicht, dass unser Vater von dir weiß und dich aufsuchen wird, aber es gibt genug andere Wesen, die darin eine Möglichkeit sehen könnten. Was Mikael angeht, bin ich mir sicher, dass unsere Familie einen so guten Plan entwickeln wird, bei dem weder Klaus noch den anderen etwas passiert", begann Kol zu erzählen. Er mied jedoch meinen Blick und schien mit jedem Satz unruhiger zu werden.

„Und wie geht es Dad? Ich habe seit dem Flughafen nichts mehr von ihm gehört", fragte ich erneut. Sogleich spannte sich Kol noch weiter an, heftete seinen Blick auf die Tischkante vor sich und schien nach den richtigen Worten zu suchen, blieb aber auch nach zwei Minuten ruhig. „Ich... ich weiß, was am Flughafen passiert ist. Ich weiß, dass er seine Menschlichkeit abgestellt hat, aber wie geht es ihm damit?" Noch ehe ich meine Frage fertig formulieren konnte, hob Kol seinen Blick und sah mich mit einem Ausdruck von Verwirrung und Misstrauen an.

„Wir haben dir nie von der Fähigkeit erzählt, weil wir nicht dachten, dass es jemals dazu kommen würde. Woher weißt du also davon?" Kurz erwiderte ich Kols fragenden Blick, sah dann aber auf einen Punkt hinter ihm. Ich dachte daran, wie Dad damals reagiert hatte, als er von Alaric erfahren hatte. Mir war auch bewusst, dass die Vergangenheit mit ihm und meiner Familie nicht durchweg positiv war, doch wollte ich meinen Onkel nicht angreifen. „Ich habe mit einem ehemaligen Lehrer von mir darüber gesprochen. Vermutlich kennst du ihn. Alaric... Alaric Saltzman", erklärte ich Kol, der bei Nennung des Namens seine Augenbrauen überrascht nach oben zog.

„Er... was? Was tut der Geschichtskobold hier?" Sprachlos sah ich meinen Onkel an, bevor ich amüsiert ausatmete. „Geschichtskobold? Wirklich? Er war mein Lehrer und hat mir geholfen... mehrfach. Vor allem hat er mir nicht versucht zu verschweigen, was mit Dad ist", betonte ich sogleich wieder ernst, in der Hoffnung, Kol würde endlich meine Frage zu Dads Befinden beantworten. Kol, der noch kurz mit der Information über Alaric zu hadern schien, nickte schließlich ergeben.

„Na gut." Immer noch angespannt setzte sich Kol auf die Couch zurück, sah mich aber weiterhin mit ernster Miene an. „Es geht ihm gut, zumindest körperlich. Er... er lebt momentan ein typisches Vampirleben. Ich will dir nichts vormachen. Es sind in den letzten Tagen ein Dutzend Leute aufgrund von Elijah gestorben und ich befürchte, es werden noch mehr", begann Kol zu erzählen. Fassungslos hörte ich mir an, was Kol sagte, während eine einzelne Träne mein Auge verließ. „Ich bin schuld, dass die Leute tot sind. Wäre ich einfach mit Liam mitgegangen, hätte Dad seine Gefühle nicht abgestellt", flüsterte ich, als mich die Erkenntnis traf.

Kol packte mich am Kinn, zwang mich, ihn anzusehen und sprach eindringlich: „Thalia, nein. Es war ganz alleine Elijahs Entscheidung, seine Menschlichkeit abzustellen. Er kannte die Folgen und hat sich trotzdem dafür entschieden. Daran hättest du nichts ändern können. Bitte gib dir nicht die Schuld." Ich wollte ihm glauben, glauben, dass ich nicht für den Tod verantwortlich bin, doch konnte ich das nicht. Dad hatte seine Emotionen abgestellt, weil er mich beschützen wollte, und ich hatte ihm diese Entscheidung mehr als schwer gemacht. Unschuldige Menschen waren tot, weil ich mich geweigert hatte, in dieses Flugzeug zu steigen. Noch immer spürte ich Kols Blick auf mir, wollte oder vielmehr konnte diesen aber nicht erwidern.

„Hast du mich verstanden, Thalia?", hakte Kol nach, und ich wusste, er würde nicht nachgeben. Deswegen nickte ich ohne ihn anzusehen, zog mich dann aber zurück und versuchte, meine Vorwürfe zumindest teilweise unter Kontrolle zu bekommen. Zwar war ich mir ziemlich sicher, dass Kol meine Zustimmung nicht glaubte, war aber umso erleichterter, als er es dabei beließ und stattdessen begann zu erzählen, wie Klaus unbedingt wollte, dass er herkommt. Mit meinen Gedanken immer noch bei Dad und den Todesopfern hörte ich meinem Onkel nur halb zu, bis meine Augenlider schwerer wurden und mich letztlich die Müdigkeit überkam.

Wahnsinn wir sind bei Kapitel 60 und gleichzeitig bei 100.000 Aufrufen. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll außer vielen vielen Dank für all euren Support über die vergangenen Monate. Ohne euch wäre die Geschichte nie so weit gekommen 🥳🥰🎊

Die Tochter von Elijah MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt