Nur einmal zuvor war sie so weit in den Süden gereist. Zehn Jahre lang es zurück – sie hatte nur noch vage Erinnerungen. Der dumpfe Ruf des Dieners, der verkündete, dass sie nun die Grenze zu Camelot überschritten. Wälder, die lichter waren als die ihrer Heimat. Grüne Wiesen und hohe Felder.
Sie hatte denselben Berg erklommen, über dessen Kuppe damals ihre Kutsche holperte. Heute war der Weg nicht mehr befahrbar. Selbst die Stute an ihrer Hand hatte Schwierigkeiten, den steinigen Pfad sicheren Trittes zu bewältigen. Es war ein Zeugnis des Verhältnisses zu ihren Nachbarn - kälter als die Winter in Rafgard, die das Land mehrere Monate lang mit Schnee und Eis bedeckten. Weder Händler noch Boten reisten regelmäßig über die Grenze, auch die Bewohner beider Königreiche schienen kein großes Interesse aneinander zu haben.
Schon seit einigen Woche erwarteten sie Gäste aus dem Süden, aber Camelot ließ auf sich warten. Langsam verlor die Königin des eisigen Nordens die Geduld. Sie hatte nicht vorgehabt, ihnen ein warmes Willkommen zu bescheren. Doch diese unentschuldigte Verspätung war schlichtweg provokativ, eine Herausforderung des guten Willens der Königin Ardeyn.
Doch sie würden kommen. Der Frieden zwischen den Königreichen war zu wichtig.
Würde sie der König selbst besuchen, oder schickte er seinen Sohn? Der Prinz stand schon vor zehn Jahren neben dem Vater, als sie Camelot besuchten. Ein kleiner Junge, dessen Geist zu alt für sein Körper wirkte. Scheinbar kein Kind mehr, beachtete er sie fast nicht, lauschte angestrengt den Erwachsenen, auch wenn er bestimmt nicht verstand, worüber sie sprachen. Schwer saß die Krone auf dem blonden Haupt. Morgana hingegen – sie lachte und strahlte, zog sie in den Arm, als sei sie eine lange verloren geglaubte Schwester. Nahm sie an der Hand und zeigte ihr das Schloss, flocht ihre Haare und schenkte ihr eine Krone aus Gänseblümchen. Nie zuvor hatte sie jemand so herzlich behandelt. Ihr war es schwergefallen, die Geschichten zu glauben, die sie nun über Morgana erzählten. Zumal man nicht mit Sicherheit sagen konnte, was davon wahr war und was erdachter Bauernplausch.
Der Wind zog an ihr, schob die weißen Haare in ihr Gesicht und den Nebel zwischen ihren Beinen beiseite. Unter ihren Füßen erblickte sich eine fast gerade Linie, bei der sich die Königreiche trafen. Hinter ihr, in Rafgard, war das Gras gesund und grün, doch vor ihr lag totes Land. Braune Böden und kahle Wiesen. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Das Pferd an ihrer Hand schnaubte, als es an einem verdorrten Strauch knabberte.
Sie ließ den Blick über die Weite vor ihr streifen. Der Himmel war unglaublich klar und es war keine Wolke zu sehen. Doch von Osten her stieg ein dunkler Rauch ins Blaue. Wenn sie die Augen zusammenkniff, erkannte sie das Feuer, welches sich über die Felder her in den Wald fraß und langsam in Richtung der Stadt zog. Dann erblickte sie etwas anderes. Erst dachte sie, ihre Augen täuschten sie, es sei ein Spiel des Rauches in der Luft. Doch hinter dem Wald bei Camelot erhob sich ein großer Körper, die schwingenden Flügel manövrierten das Wesen geschickt durch den Himmel. Es war ein Drache.
Das letzte Mal, dass sie einen Drachen gesehen hatte, war zur Zeremonie ihres Übergangsritus. Es war ein stiller Mann mit dunkelem Haar, der aus der Höhle auf die steinerne Schlucht hinabblickte, in der sich die Absolventen versammelt hatten. Ein junger Drache saß neben ihm, die schuppige Haut in der Farbe verdorrtem Mooses, doch seine Augen glimmten in einem stechenden Goldton aus dem Kopf hervor. Bestimmt waren sie Geflüchtete aus dem Süden, dem unerbittlichen Kampf der Pendragons gegen die Magie zu entkommen, und suchten bei den Druiden Asyl. Die Druiden lebten schon immer abgeschieden von den Städten, tief in den hohen Bergen im Westen des Landes. Hier wurde die alte Religion – wie der Süden sie nannte – nicht nur toleriert, sondern geehrt. Bereits seit Anbeginn der Siedlerzeit kreuzten sich die Wege der Menschen mit der Magie und ein Teil der Riten und Bräuche waren erhalten geblieben.
DU LIEST GERADE
A Tale of Destiny and Doom (BBC MERLIN Fanfiction)
Fanfiction[Arthur's Tales - Band 1] Arthur war sich nicht bewusst, wie wichtig der Brief seines Vaters war, als er ihn ins Feuer warf. Während seine Heimatstadt in Flammen steht, muss er sich nicht nur mit den Konsequenzen seines Handelns auseinandersetzen, s...