Kapitel 6

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"Liam!" ich hörte meine Mutter schon brüllen, als ich zur Tür rein kam. "Was ist de-nn?"
Ich war bereits genervt von Kyle und meiner Unsicherheit gegenüber meinen eigenen Gefühlen. Deshalb machte ich keine Anstalten überhaupt näher zu gehen. "Komm her!" Sie klang ziemlich verärgert, weshalb ich dann doch der Stimme folgte. Selbst auch genervt saß sie draußen auf der Terrasse und trank ihre abendlichen Wein. "Jetzt bleib nicht dumm im Türrahmen stehen. Komm her und sag mir mal wo du warst!"
Langsam nervte es mich. Sie behandelte mich wie ein rohes Ei. Am liebsten hätte sie mir heute wohl einen GPS Sender eingepflanzt. "Ich wa-r mit Linus auf der Ppprom-enade." Augenblicklich sprang sie hoch und schaute auf die Orthesen. "Du bist doch nicht etwa in den Sand gegangen. Und außerdem, was wäre wenn irgendwas passiert wäre? Dann hätte ich nicht gewusst wo du bist." Bevor ich antworten konnte stolperte mein Vater heraus und platzierte seinen Laptop auf den Tisch. "Wussten wir doch früher auch nicht, also was regst du dich so auf." Völlig gelassen startete er den Laptop und nahm sich eine seiner Ledermappen aus der Tasche. Entsetzt starrte sie ihn an. "Karl!" Jetzt war sie richtig sauer. "Renate!", rief er zurück und sah mich über den Laptop hinweg an. "Du warst mit Linus weg? Korrigier mich, wenn ich mich irre, aber sollte er dir nicht lediglich den verpassten Stoff einbläuen?" Jetzt war meine Mutter wieder auf seiner Seite. "Ja genau. Wir bezahlen ihn nicht dafür das er mit dir Ausflüge macht." Langsam schmerzen meine Beine und ich nutzte es als willkommene Ausrede um gehen zu können. "Ich b-in froh da-das Linus mich normal be-handelt." Mein Vater lachte etwas vor sich her. "Normal hä? Du denkst du bist normal? Ach egal. Übrigens hier, damit deine Mutter nicht durchdreht." Er hielt mir ein neues Smartphone vor die Nase und schickte mich mit einer Handbewegung weg. Der Tag erschöpfte mich und in dem neuem Smartphone befanden sich lediglich 3 Telefonnummern. Die meiner Eltern und die von Anita. Ich hätte gerne die Nummer von Linus eingetragen, aber da ich sie nicht kannte musste ich das erst mal verschieben. Ich müsste ihn morgen fragen, doch war ich schon bei dem Gedanken nervös. Vorhin hatte ich ihn ziemlich kalt zurück gelassen. Jetzt im Nachhinein tat es mir mehr als nur leid. Ich hatte meine eigene Unsicherheit an ihm ausgelassen.
Vorsichtig pullte ich meine Beine aus den Orthesen und war froh das sich mein Körper wieder erholt hatte. Die Narben würden mich immer daran erinnern was ich getan hatte. Am schlimmsten war der Rücken. Dort hatte ich viele feine und einige größere Narben. An den Unterarmen waren paar und an meinen Schienbeinen zogen sich ein paar längere. Die Ärzte meinten ein paar wären durch die OPs entstanden, ein paar durch den Sturz. Ich hatte auch eine am Hinterkopf, aber sie war durch mein dichtes schwarzes Haar nicht zu sehen. Ich begann damit mich um zu ziehen. Zog das Shirt über den Kopf und warf es auf den Boden, gleiches mit der Hose. "Anita!" Ich wartete kurz und schon klopfte es. "Komm rein." Sie kam herein und sah direkt meine Sachen auf dem Boden. "Ach Liam, schmeiß doch nicht alles auf den Boden. Soll ich dir auch noch mit den Socken helfen? Am Besten auch noch mit der Boxershorts, bevor die auch noch auf dem Boden liegt." Es war zwar ein Scherz, aber wenn sie es schon anbot konnte ich doch direkt mal die Gelegenheit nutzen.
"Mh klar. Bitte." Ich lachte und kassierte direkt einen leichten Schlag mit meinem Shirt. "Hättest du wohl gern. Höchstens die Socken.", sie lachte laut und zog sie mir tatsächlich aus. "Ver-such wars wert." Dann ließ sie mich wieder alleine.

Ich legte mich auf mein Bett und verschränkte die Arme über den Augen. Ich atmete tief durch und dachte daran, was wäre gewesen, wenn Anita jetzt ja gesagt hätte. Angestrengt dachte sich über meine Ex-Freundin nach. Wie sah sie noch mal aus? Selbst den Namen wusste ich nicht mehr. Aber wenn ich keine erregenden Gefühle bekam, dann hatten wir sicher auch keinen Sex. Zurückgerechnet war ich auch jünger. Allein 14 Monate davon lag ich im Koma. Ich raffte mich auf und holte mein Tablet aus dem Nachttisch hervor. Nur zögerlich tippte ich meinen alten Suchverlauf an. Ein paar Seiten waren recht harmlos. Nur ein paar Bilder von Typen oder schwulen Paaren, einige Seiten existierten nicht mehr und eine Fehlermeldung erschien. Allerdings funktionierte eine Videoplattform sehr gut. Ich landete direkt auf einer Seite mit einem Video. Mit dem Finger über dem Playsymbol wartete ich darauf mich an etwas zu erinnern, doch nichts triggerte mich. "bess-er nicht." Ich ließ den Bildschirm schwarz werden und legte es auf den Nachttisch. Müde legte auch ich mich hin und wartete auf den Schlaf. Morgen um 10 Uhr würde Linus wieder kommen und mich mit Mathe foltern. Vielleicht sogar auch mit Chemie.

Oblivion - Terrible TruthsWhere stories live. Discover now