Die Farben der Welt

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„Was bringt er uns auf einer Mission?" - „Er kann doch sowieso nichts sehen!" - „Und seine Schwäche kann er nicht mal mit Ninjutsu oder so ausgleichen!"
Das durfte ich mir in meinem Dorf anhören, weil ich ruhig bin und noch mehr: Ich bin farbenblind. Ich weiß die banalsten Dinge nicht, da ich sie nicht sehe. Meine Haarfarbe soll braun sein, aber für mich wirkt sie im Spiegel grau. Allgemein kann ich alles nur in Grau und schwarz beschreiben. An manchen Tagen funktioniert das Unterscheiden zwischen hell und dunkel besser und ich kann Schattierungen feststellen. Manchmal ist alles nur eintönig. Wegen meiner Farbenblindheit wurde ich ignoriert, beleidigt.

Bis zu jenem Tag, wo ich die Kontrolle verlor. Irgendwann wurde es mir zu viel und mein Kekkei Genkai aktivierte sich, wovon ich bis zu dem Zeitpunkt nichts wusste. Ehe ich mich versah, waren alle in meiner Umgebung mit Gift besprüht und kippten nach einander um. Ich verlor die Kontrolle über mich und meinen Verstand, was meinem Dorf die Existenz kostete. Es war niemand mehr da. Ich begann zu reisen und meine Familiengeschichte zu studieren, sodass sich herausstellte, dass mein Kekkei Genkai bei einem starken Wutanfall das allererste Mal aktiv wird und dabei aber auch nicht gebändigt werden kann. Das Bluterbe lässt mich Gift produzieren, was mir selbst nicht schadet, aber andere bei andauerndem Kontakt zunächst kampfunfähig macht und später das Leben kostet. Der Vorfall ist schon mehrere Jahre her und ich bin bei Akatsuki. Mein Erbe kann ich dennoch nicht vollständig bändigen.
In Akatsuki agiere ich hauptsächlich alleine oder mit Zetsu. Meistens handelt es sich dabei um die Auslöschung von Spionen und überflüssigen Informanten. Jinchuriki bekämpfe ich nie.

„Coco, Pain will dich sehen", erklärt mir Kisame im Vorbeigehen. Ich nicke nur und mache mich zum Anführer. Dort klopfe ich wie gewohnt und trete ein. Pain sitzt an einem großen Schreibtisch und sieht mich an. Ich frage mich wie so oft, welche Haarfarbe er wohl hat. Sie wirkt heller als beispielsweise die von Kisame. Ist der Unterschied dabei groß? Abgesehen von der Haarfarbe, hat er sonst noch etwas Farbiges an sich? Die Piercings sind definitiv schwarz, aber seine Augen müssen eine andere Farbe haben. Aber welche? Seine Haare sind dennoch heller als seine Augen.
Nach einer Weile beginnt er zu sprechen: „Ich möchte, dass du wieder einen Informanten triffst, seine Informationen einholst und ihn dann verschwinden lässt. Er nützt uns nichts mehr." Er gibt mir den Ort, wo das Treffen stattfinden soll.
Ich nicke, in Gedanken immer noch bei der Haarfarbe des Anführers: „Mache ich."
Auch Pain nickt und lässt mich gehen.

Ich mache mich sofort auf den Weg. Es weht mir ein angenehmer Sommerwind um die Nase, der auch die Blätter tanzen lässt. Bäume haben grüne Blätter oder in meinen Fall wieder grau. Die Sonne strahlt durch die Blätter, etwas in Richtung hellgrau. Ich lächle und entdecke, dass die Sonne heute doch sogar fast weiß ist.
„Oh, warum bin ich glücklich?", frage ich mich leise selbst.
Meine Gedanken wandern wieder zu Pains Haaren. Sie müssen außergewöhnlich sein, aber ich würde nie nachfragen, wie sie wirklich aussehen. Wie kommt das, wenn ich urplötzlich so etwas frage, wenn ich sonst noch weniger rede als Itachi. Ich beobachte nur und mache mir ein Urteil über mein Umfeld. Oder welche Farbe Pains Haare haben. Warum denke ich wieder an Pain? Ich schüttle den Kopf und konzentriere mich auf den Weg. Eigentlich müsste ich gleich da sein. Kein schwarz. Auch kein braun, wie ich haben soll. Ich ermahne mich selbst zur Vernunft und versuche die Gedanken über die Haare endgültig in die hinterste Ecke meines Gehirns zu verbannen.

Der Informant steht schon da, als ich an der Lichtung ankomme. Er wirkt angespannt, weshalb ich direkt auf der Hut bin. Der Mann übergibt mir eine Schriftrolle und erklärt noch etwas. Ich nicke, höre zu und nehme sein Gesagtes auf. Pain wird das interessant finden. Kein schwarz, kein braun. Rot?
Mein Moment der Unaufmerksamkeit kostet mich einen Treffer am Arm, der zu bluten beginnt. Ich verziehe mein Gesicht und schaue den Informanten an. Mit großen Augen fällt er zu Boden und ein Ninja taucht hinter ihm auf, bleibt aber in einem Schatten stehen. Ein Hinterhalt!

Schnell ziehe ich ein Kunai: „Was willst du?"
„Ich? Du bist also nun in Akatsuki und hast dein Dorf aufgegeben." Der Ninja macht einen Schritt in meine Richtung und ich einen nach hinten. Nun kann ich aber sein Gesicht sehen. Sein Gesicht würde ich nie vergessen, auch wenn Jahre vergangen sind und er gealtert ist.
„Was wird das?", hake ich nach und stelle mich gerade hin.
„Du hast unser Dorf auf dem Gewissen und fragst, was das wird? Das ist Rache, Coco. Wir haben unsere Familien deinetwegen verloren." Er kommt auf mich zu gelaufen und holt zum Schlag aus. Ich fange diesen mit meiner freien Hand ab, drehe seinen Arm so um, dass ich diesen auf seinem Rücken fixieren und mein Kunai von hinten an seinen Hals halten kann.
„Mach, dass du verschwindest." Mein Druck mit dem Kunai verstärkt sich leicht, damit er meine Warnung ernst nimmt.
Zu meinem Bedauern grinst er aber nur: „Niemals. Du kannst doch sowieso nichts sehen."

Blitzschnell lasse ich ihn mit einer kleinen Menge meines Giftes in Kontakt kommen, sodass er für mich keine Gefahr mehr darstellen kann. Dann springe ich von ihm weg. Neue Gegner stellen sich mir in den Weg. Vier insgesamt. So greifen sie mich auch schon an und ich habe alle Mühe mich zu verteidigen. Ich kann niemanden mit meinem Gift in Berührung kommen lassen, da sie viel zu bedacht darauf sind, jeglichen Kontakt mit mir zu vermeiden.
„Das war's!", höre ich hinter mir und ein stumpfer Schlag trifft mich am Kopf. Ich stöhne auf und meine Knie berühren schnell den Erdboden. Ohne Nachzudenken stehe ich schnell wieder auf, renne auf zwei Angreifer zu und besprühe beide mit viel Gift. Ich bin wütend, was mein Kekkei Genkai wieder in Höchstform auffahren lässt. Zwei Gegner sind umgekippt, ein dritter liegt nach einem Schlag und Gift am Boden. Ich schwanke einmal nach links, da der Schlag von vorhin doch sein Übriges tut. Ohne damit zu rechnen, kassiere ich einen erneuten Schlag und falle komplett zu Boden.
„N..niemals...", versuche ich mich aufzuraffen. Aber ich schaffe es nicht und der vierte Gegner kommt auf mich zu. Mein Gesicht verziehend versuche ich meine Hand zu heben, aber sie fällt nur wieder auf den Boden zurück. Vor meinen Augen beginnt sich alles zu drehen. Das Letzte, was ich wahrnehme, ist der Fall des letzten Gegners und eine neue Person, die sich zu mir herunterbeugt. Orange, ist mein letzter, zusammenhangsloser Gedanke.

„Hm..." Ich komme langsam zu Bewusstsein. Der Untergrund ist weich und warm. Es ist also nicht der Erdboden, wo ich vorhin noch war. „Wo.." Langsam öffne ich auch meine Augen.
„Gut, du bist wieder unter uns", höre ich jemanden sprechen. Dann tritt ein Gesicht in mein Blickfeld, welches erst nach gut einer Minute scharf wird. Es ist Pain.
„Wo... bin ich..?", frage ich leise und unsicher. Orange, schießt es mir wieder durch den Kopf.
„Im Quartier." Pain sieht mich an.
Ich nicke nur und beobachte ihn. Seine Piercings sehen schwarz aus, seine Augen lila. Gerade sehen seine Haare orange aus.

„Orange.. orange?", frage ich mich selbst laut und richte mich unter Schmerzen auf.
„Lege dich wieder hin", weist mich Pain an, aber ich ignoriere es und strecke meine Hand nach seinen Haaren aus. Schnell ergreift er meinen Arm am Handgelenk und unterbindet die Bewegung somit. „Was wird das?"
„Orange.. Deine Haare sind orange! Sie müssten doch ein helles Grau haben.." Meine andere Hand bewegt sich zu seinen Haaren, was er zulässt. Sie fühlen sich echt an, also kann ich nicht träumen. Die Schmerzen, die in meinem Kopf um Aufmerksamkeit rufen, beweisen es mir auch. Ich träume nicht und kann Farben sehen. Schnell kneife ich meine Augen zusammen und lasse Pains Haare los. Mein Kopf sinkt auf meine nun angewinkelten Knie. Irgendetwas stimmt nicht.

„Coco." Ich höre, wie Pain sich bewegt, aber ich kann einfach nicht hinsehen. Plötzlich spüre ich eine Wärme um mich herum. Eine Umarmung, die fester nicht sein kann.
„Du kannst endlich Farben erkennen", stellt Pain ruhig und besinnt wie immer fest.
Ich nicke vorsichtig: „Warum..."
„Das ist egal." Pain lässt mich nicht los.
„Ich habe mich schon immer gefragt, welche Haarfarbe du hast. Aber erst vor meiner Ohnmacht kam mir orange in den Sinn. Es ist ein schönes Orange." Ich schmiege mich unbewusst in seine Arme.
„Sehr gut." Pain braucht keine großen Worte, um mich verstehen zulassen, dass er sich für mich freut. Wir haben nie viel miteinander gesprochen, aber das brauchen wir anscheinend nicht, um den anderen wissen zu lassen, dass er uns wichtig ist. Keine Worte beschreiben, dass wir den anderen brauchen.

Naruto - One Shots! (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt