Kapitel 192

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Die Klinke der Tür wurde geräuschvoll mehrfach gedrückt und ein lautes Trommeln mit den Fäusten gegen die Stahltür ertönte. „Chris, was soll denn der Quatsch?" Das war...... das war ja Andis Stimme. Wieso.... Wieso hatte Chris ihn hier zusammen mit mir in der Garage eingesperrt? So langsam dämmerte mir der Grund. Carmen und Chris waren der Meinung eingreifen zu müssen. Ich räusperte mich kurz. Im nächsten Moment flammte die Deckenbeleuchtung der Garage grell auf und zwei ungläubige Augen starrten mich an. „Luz?!?" Andi schien mich für eine Fata Morgana zu halten. Jedenfalls starrte er mich so an, als könnte er nicht glauben, dass ich hier auch in der Garage war. Mein Blick fiel auf die vielen Kartons, die sich noch zwischen uns auftürmten. Die mussten echt mal ausgepackt werden. „Hör uff hier rum zu hämmern und spar dir lieba deene Kraft um 'ne ordentliche Rede zuhalten", hörte ich auf einmal Chris gedämpfte Stimme durch die Tür. „Ja, Papa! Ihr kommt da nicht raus, bevor ihr euch wieder vertragen habt", war auch Carmen leise zu hören. Andi schnaubte kurz und fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare, ehe er den Kopf schüttelte. Wie sollte ich das bitte deuten? Scheinbar war er ja wohl nicht von der Idee begeistert mit mir zu reden. Deprimiert ließ ich mich auf einem der Kartons nieder. Wenn die hier schon so dämlich herumstanden, konnte ich sie auch als Sitzgelegenheit benutzen, anstatt mir die Beine in den Bauch zu stehen. So wie es aussah, konnte das hier ja etwas länger dauern. Vielleicht sollte ich eine Nachricht an Mama oder Papa schreiben, damit sie sich keine Sorgen machten, warum ich so plötzlich alles stehen und liegen gelassen hatte und einfach verschwunden war. Obwohl Papa, wäre ganz schlecht. Der trabte hier gleich mit der Kavallerie an. Und ich konnte weder ihn noch Luca hier gebrauchen, denn eigentlich war Carmens und Chris Idee ganz gut. So musste mir Andi wenigstens zuhören. Wenn ich ihm noch einmal alles genau erklärte, dann musste er doch...... nee, musste er nicht. Wieso sollte er auf einmal seine Meinung ändern? Was sagte überhaupt mein Horoskop zu dem Ganzen? Seit vor zwei Tagen hatte ich es nicht mehr gelesen, denn das mit dem Augen öffnen hatte ja bei ihm nicht funktioniert. Scheinbar hatte Luca doch recht, dass das alles nur Blödsinn war. Obwohl.... Egal. Ich öffnete schnell die App. „Das Schweigen hat ein Ende." Erschrocken schaute ich zu Andi, der sich gegenüber von mir auch auf einen Umzugskarton setzte. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er seinen Platz an der Tür verlassen hatte. „Steht da im Horoskop." Er deutete mit seinem Kopf auf mein Handy. Dann las er wohl immer noch sein Horoskop. Okay, dann sollte ich jetzt wohl reden. „Andi" „Luz" Wir hatten beide gleichzeitig begonnen zu sprechen und mussten lachen. „Ladies first", zwinkerte mir Andi zu. Na toll. Das war doch auch nur so eine Erfindung der Männer, wenn sie sich vor etwas drücken wollten. In meinem Kopf hörte ich die Stimme meiner Oma „Das wirklich starke Geschlecht sind wir Frauen, vergiss das nicht." Ja, okay. Im Moment fühlte ich mich zwar nicht so stark, aber was sollte es. Ich räusperte mich einmal kurz. „Andi, das mit Genia tut mir echt leid. Ich wollte es dir die ganze Zeit erzählen, aber irgendwie ist immer etwas dazwischen gekommen und dann...." Ich machte eine kurze Pause. „Ich würde doch niemals dich oder Carmen in Gefahr bringen." Andi beobachtete mich die ganze Zeit aufmerksam und nickte dann. „Das hätte mir auch klar sein müssen. Aber...." Er fuhr sich mit seinen Händen durch die Haare, wie er es immer tat, wenn er nervös oder unsicher war. Wieso war er nervös oder unsicher? Das.... Das war dann doch ein gutes Zeichen. Das bedeutete er war nicht mehr wütend. „... aber ich dachte, du wärst ihr genauso auf den Leim gegangen, wie ich damals." Wie auf den Leim gegangen? Für wie dumm hielt er mich denn? „Traust du mir so wenig Menschenkenntnis zu?", platzte es empört aus mir heraus. Andi hob sofort beschwichtigend seine Hände. „Nee, eigentlich nicht. Reicht ja schon, wenn ich dumm genug war darauf hereinzufallen." Er atmete einmal tief durch. „Deine Mutter hat mir nach Marlens Auftritt." „Genias", korrigierte ich ihn. „Genias", er schüttelte kurz den Kopf. „An den Namen muss ich mich wohl erst noch gewöhnen. Jedenfalls hat mir deine Mutter im Büro einen ordentlichen Vortrag gehalten und erzählt, was ihr vier da alles in die Wege geleitet habt. Sie hat mir so ziemlich die Augen geöffnet, was ich doch für ein Idiot bin." Augen geöffnet? Dann hatte das Horoskop ja doch recht. Heiliger Gott der Astrologie! Nie wieder würde ich zweifeln. Was hatte er noch gesagt? „Idiot?", hakte ich nach. „Ja, ich bin ein Idiot, weil ich dir nicht einfach vertraut habe. Und ich bin ein Idiot, weil ich dir vor allem nicht die Chance gegeben habe mir das alles zu erklären. Manchmal muss man einfach auch zuhören können. Das weiß ich jetzt." Ich schickte ein kurzes Dankeschön im Geist an Mama. „Dann bist du nicht mehr sauer auf mich?" Ich schaute ihn überrascht an. „Wenn hast du doch mehr Grund sauer zu sein als ich." Sein unsicherer Blick traf mich mitten ins Herz. „Als ich gehört habe, wie du Mar...." Er hob stoppend seine Hand und verbesserte sich selbst „Genia geholfen hast, war ich unglaublich stolz auf dich. Das hätte nicht jeder in deinem Alter gemacht. Du hast einfach gesellschaftliche Verantwortung übernommen, wo andere einfach nur weggucken. Das ist toll. Weniger toll ist meine Leistung dagegen. Ich hätte wissen müssen, dass du nichts machst, was Carmen oder mir schadet. Man, aber das mit der Beziehung ist doch auch alles noch so neu für mich." Er knabberte an seiner Unterlippe. Verflucht, wie gerne würde ich da gerade dran knabbern. „Bis auf die Episode mit... mit Marlen" Sofort hob er wieder seine Hand, um mich zu stoppen, denn ich hatte schon meinen Mund geöffnet. „Jetzt nenne ich sie mit Absicht Marlen, denn ich war mit Marlen zusammen und das war eine ganz andere Person als scheinbar die Genia, die sich für dich eingesetzt hat wie eine Löwin." Ich nickte. Okay, da hatte er recht. Vielleicht sollte man das wirklich differenzieren. „Na ja, jedenfalls bist du seit ewigen Zeiten die einzige ernst zu nehmende Beziehung und ich bin zwar älter als du, was aber nicht gleichzeitig bedeutet, dass ich deshalb wissender bin. Das habe ich ja grandios bewiesen." Er schluckte und schaute mich mit diesen wunderschönen blauen Augen an. „Ich kann nur hoffen, dass du Verständnis zeigst und mir verzeihst." Verzeihen? Hatte er mich gerade wirklich um Verzeihung gebeten? Aber... egal. Ich flutschte von meinem Karton und ließ mich auf seinen Schoß gleiten. Meine Lippen entwickelten ein ungeahntes Eigenleben und Andi seufzte leise als sich meine Zunge in seinen Mund schlängelte. Man, hatte ich das vermisst.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt