Das Reich des Ostens

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Ostfichtenwald, 04.05.1570

Es wird spät, die Sonne geht bald unter, wir sollten hier unser Lager aufschlagen"
Sophia schaute auf den vor ihr reitenden Wales, zuerst glaubte sie, er habe sie nicht gehört.

"Unsinn!", sagte Wales letztlich. "Wir schaffen es heute noch bis zum Königsberg, wenn wir uns beeilen!"
"Wales, Eure Entschlossenheit in allen Ehren, aber seid kein Narr! In der Nacht zu reisen ist zu gefährlich. Daran wird auch meine Anwesenheit nichts ändern!"

Wales zügelte sein Pferd. "Vermutlich habt Ihr Recht. Dann lasst uns hier die Nacht verbringen."
Er zeigte auf einen Felsvorsprung zwischen einigen Fichten. "Der Platz dort wird uns zur Not auch vor Regen schützen."

Sophia konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen. "Wenn Regen Euer größtes Problem ist, in Ordnung. Ich finde den Platz eher wegen seiner Rückendeckung und versteckten Lage sehr geeignet. Aber ja, vor Regen schützt er auch."
Wales knotete die Leine seines Pferd an einen Ast. "Man erkennt, dass Ihr Überlebenserfahrung habt."
Sophia nahm ihren Helm ab und ihr langes, blondes Haar fiel ihr über die Schulter aus dem Helm.

"Ich habe viele Jahre trainiert und war bei vielen Manövern darauf angewiesen, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Das Aussuchen eines geeigneten Unterschlupfes ist da essenziell. Als Kind bin ich mit meinem Vater auch des Öfteren Jagen gewesen. Ich kenne den Wald und seine Gefahren."

Sie machten ein Lagerfeuer und Wales holte einen Teil des Proviants aus der Satteltasche seines Reittiers. Die Sonne war bereits fast untergegangen. Der Wind pfiff durch die Fichtenkronen und es waren ein paar letzte Vögel zu hören, die in die nahende Dunkelheit hineinzwitscherten.

"Sophia, was glaubt Ihr, steht dem Reich bevor? Denkt Ihr, dass es Krieg geben wird?" Wales wirkte beunruhigt, als er auf seinem Proviant rumkaute. Sophia war sich zuerst unsicher, was sie antworten sollte. Sie blickte in den Nachthimmel.
"Ich weiß es nicht. Aber wenn die Meldung von der Auflösung der Nordjanischen Garde die Runde macht, wäre es ein Wunder, wenn das Reich nicht angegriffen wird. Wir können jetzt nur hoffen, dass wir dem Reichsherren Logikius schnell genug die Nachricht überbringen können und es bis dahin nicht schon zu spät sein wird."

"Ich traue diesem Deveraux nicht. Es war nicht gut, dass Jan-Alexander ihm die Verwaltung des Reiches überlassen hat."
"Er ist der Premierminister, es ist erwartbar, dass er während der Abwesenheit des Reichsherren die Verwaltung übernimmt. Aber Ihr habt Recht, seine Entscheidungen erscheinen mir höchst fragwürdig."

Wales nickte. "Ich werde das ansprechen, wenn Reichsherr Jan-Alexander wieder aus Aurora zurückgekehrt ist."
"Wir sollten uns jetzt ausruhen, um morgen möglichst früh aufbrechen zu können." Sophia stand auf trat das Feuer aus.
"Es ist besser, wenn, wir während wir schlafen, nicht von Weitem schon zu sehen sind. Die Pferde werden früh genug Lärm machen, wenn jemand oder etwas in der Nähe ist."

"Seid Ihr sicher?", fragte Wales ein wenig verwundert.
"Ja, darauf sind die königlichen Braunfalben ebenfalls trainiert", antwortete Sophia.

Sie hüllte sich in eine Decke und griff nach ihrem Schwert, das sie griffbereit neben sich legte. Von der Armee, die sie auf die Hauptstadt Alteria zumarschieren sah, hatte sie nichts gesagt. Es nütze nichts, dachte sie, wenn sie Wales damit beunruhigen würde. Doch sie befürchtete das Schlimmste.

Alteria, 05.05.1570

Maximilian Brockmann setzte auf dem Tron im Tronsaal des Schlosses von Alteria. Er blickte durch den Saal. Die Nordbanner waren abgenommen worden und seine Männer waren gerade dabei, seine Banner aufzuhängen. Der mächtige Phönix. Für ihn stand er für Stärke und uneingeschränkte Macht. Für die Fähigkeit aus der Asche emporzusteigen und jeden Widerstand im Keim zu ersticken.

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In seiner Rechten hielt er seinen Dreizack, mit dem er zweimal kräftig auf den Boden klopfte. Daraufhin trat ein Mann in dunkler Rüstung mit einem Helm, verziert mit einem Ochsenschädel, vor. Mit lauter Stimme fragte Maximilian:
"General Zuhugi, gab es Komplikationen bei der Übernahme der Stadt?"

Der Mann nahm seinen Helm ab und sprach: "Der Hinweis war richtig, keine Besatzung hat uns beim Einmarschieren abgefangen. Nicht einmal die Tore hat man vor uns geschlossen. Nur als meine besten Soldaten das Schloss betreten wollten, stellten sich ihnen ein paar Mann entgegen."

Maximilian kratzte sich berechnend am Kinn. "Dann haben scheinbar einige Gardemitglieder nicht all ihre Ausrüstung abgegeben. Aber fahrt fort, ich nehme an, Ihr habt mit ihnen kurzen Prozess gemacht?"

"Hehehe, so ist es. Sie waren keine Bedrohung für meine Soldaten. Wir haben ihre Leichen über den Marktplatz schleppen lassen, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Ganz, wie Ihr es üblich tut."
"Hervorragend. Was haben Eure Männer hier im Schloss vorgefunden? Habt ihr Gefangene gemacht?"

General Zuhugi klemmte seinen Helm unter seinen linken Arm und sagte: "Die Köche und Diener haben sich sogleich ergeben. Außerdem konnten wir den Außenminister und den Kulturminister festnehmen. Sie befinden sich im Kerker des Schlosses. Weder den König, noch seinen Vertreter konnten meine Männer ergreifen. Auch die Kommandantin der Garde ist nicht auffindbar gewesen."

Maximilian schmunzelte.
"König Jan-Alexander befindet sich momentan auf hoher See. Oder vermutlich bereits in den Tiefen der See. Und sein Vertreter Pascal muss durch die Katakomben aus dem Schloss geflüchtet sein. Ebenso mit ihm die kümmerlichen Reste der königstreuen Garde. Zuhugi, wir werden bald mit einer Reaktion der anderen Adligen des Nordens rechnen müssen. Entsendet Boten aus der Bevölkerung zu den Adligen der Alterianischen Ebene. Sie sollen ausrichten, dass der König und sein Gefolge tot ist. Wenn sie sich ergeben und meine Herrschaft anerkennen, sollen sie Teile ihrer Gebiete behalten dürfen."

"Sehr wohl, mein Herr, ich werde dies sofort veranlassen."
General Zuhugi salutierte und wollte bereits wegtreten, als zwei Soldaten den Saal betraten. Zuhugi wandte sich an sie.
"Was habt ihr hier zu suchen, sprecht!"

Beide blickten zu Maximilian und verneigten sich. Dann sprach einer von ihnen: "Wir haben Botschaft von den Söldnern erhalten, die das Schiffs von Reichsherr Jan-Alexander abfangen sollten. Sie sagen, dass es sie zwei ihrer Schiffe und zwei Dutzend Mann gekostet hat, aber dass sie das Schiff versenkt und keine Gefangenen gemacht haben. Doch sie fordern eine höhere Bezahlung."

Maximilian erhob sich zornig aus dem Tron. Er brüllte durch den Saal: "Mehr Bezahlung? Eine Unverschämtheit! Dass dieser Narr mir eine solche Bande von Halsabschneidern empfohlen hat! Unfassbar! Richtet aus, dass das nicht mein Problem sei. Ich habe nur den Auftrag erteilt, es war ein Anderer, der den Preis abgemacht hat!"

General Zuhugi schickte die beiden aus dem Saal. Er blickte noch ein Mal zu Maximilian.
"Ich werde zusätzlich die Armee noch die Mauern bemannen lassen und die Stadt sichern, Sire."
"Ja, des Weiteren sollen keine Bürger in die Stadt rein oder herauskommen. Rationiert die Vorräte für die Bevölkerung und seht zu, dass Reiter die umliegenden Bauernhöfe um ihren Ertrag erleichtern. Ich möchte so viele Vorräte für die Armee wie möglich auftreiben."

General Zuhugi nickte und verließ den Saal. Maximilian setzte sich wieder und schaute auf die Phönixbanner.
"So weit, so gut", sagte er zu sich selbst. "Alles verlief wie zu erwarten nach Plan. Beinahe fast zu einfach. Als nächstes sind die Adligen der Ebene dran. Sie werden sich einer nach dem anderen ergeben. Dieser Tag kann gar nicht noch besser werden!"

Königsberg, 05.05.1570

Es war gerade einmal kurz nach Mittag, als Sophia und Wales im Osten am Ende des Fichtenwaldes den Königsberg erblicken konnten. Der Weg führte schlangenartig einen Hang hinauf, umgeben von noch steileren Felswänden. Hinter dem Hang sahen sie die Tore der Stadt Ostwach.

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